Die Schauburg ist nicht nur ein Kino mit Tradition, sondern auch mit viel Liebe zum Inhalt. Nach ihrem Umbau gibt es dafür noch mehr Platz.
Viele Kinos hat Dresden schon kommen und gehen sehen. Das Casablanca in der Neustadt etwa, den Faunpalast in Pieschen, das Nickelodeon in der Johannstadt oder das Metropolis auf dem Waldschlösschen-Areal. Im Programmkino Ost sind sogar die verschiedenen Säle nach ehemaligen Kinos der Stadt benannt.
Eins, das geblieben ist, ist das Filmtheater Schauburg. Am 15. Oktober 1927 wurde es als erstes freistehendes Kino der Stadt eröffnet – mit Kinoorgel und einem Saal für 1.000 Zuschauer. Von den Luftangriffen 1945 verschont, wurde es bald darauf wieder als Filmtheater genutzt. Noch heute ist der Sergio Leone genannte Kinosaal der älteste in dieser Größe, der in Dresden noch bespielt wird.
Seit Ende Mai aber schlummert er. Die durchgesessenen Polstersitze? Herausgerissen und zum Teil versteigert. Die Wandbespannung samt aufgesprühten Filmgesichtern? Abgenommen und eingemottet. Denn – so viel kann Schauburg-Chef Stefan Ostertag auf jeden Fall verraten: „Das alte Dekor kommt nicht zurück.“ Man könne das ja nicht einfach waschen und wiederverwenden. Und Ostertag ist froh, dass hier der Dreck aus den letzten Jahrzehnten einmal herausgeschafft wird. „Ich definiere die Schauburg auch mehr über die Inhalte als über die Gestaltung.“ Zudem sei die Schauburg immer wieder umgebaut worden und nun beginne einfach ein neuer Abschnitt, wie Architekt Hendrik Neumann hinzufügt. Jedem könne man es eh nicht recht machen. Zusammen mit seinem Kollegen Benjamin Grill leitet Neumann die G.N.b.h. Architekten, die mit dem Umbau beauftragt sind.
Was bleibt, das sind die Rabitzdecke und der Stuckdekor. Die Visionsbar aus den 1970er-Jahren kommt aber nicht zurück. Hier konnte man – hinter Glas – den Film in etwas elitärerem Rahmen genießen als der Rest des Saals. Geschichte! Sie wurde schon bei dem Umbau Mitte der 90er entfernt, als die Nickelodeon Filmtheaterbetrieb Dresden GmbH das Haus von der Geschwister Kieft GbR gepachtet hat. Die GmbH hatten der langjährige Schauburg-Geschäftsführer Frank Apel, Sven Weser und Dirk Hennings nach der Wende gegründet.
Als Frank Apel seinen Geschäftsführerposten 2013 endgültig aufgab, stand längst fest, dass das Haus saniert werden müsste. Doch die Dresdner Bauaufsicht bemängelte die Brandschutzvorkehrungen und baurechtlich ungeregelte Fragen. Bei einer Sanierung hätten also so viele Dinge geändert werden müssen, dass ein Bauantrag nötig wurde. Da war der Schritt zum Umbau nicht mehr weit.
Denn auch die Kinolandschaft hat sich verändert. Die Menschen gehen schon lange nicht mehr alle in einen einzigen Film, der dann auch noch einen großen Saal vollmacht. Stattdessen kommen immer mehr Filme ins Kino, auf die sich die Zuschauer aufteilen. Da sind zwei weitere Säle für die Schauburg nur folgerichtig. Die Namen stehen noch nicht fest, aber Leone, Andrej Tarkowski und Fritz Lang bleiben. Dabei wird es gegenüber vom Lang-Saal den Eingang zum kleinen Saal unter dem Hof geben und auf den Tarkowski wird der andere Saal aufgesetzt. Auch das Äußere der Schauburg wird sich also zwangsläufig verändern. Bei Bodenarbeiten im Foyer fanden Bauarbeiter übrigens eine Zeitkapsel – samt persönlichem Dokument von Schauburg-Erbauer Arnulf Huyras. Ostertag hat die Zeitkapsel Anfang August dem Stadtarchiv übergeben.
Über den derzeitigen Umbau wollen Ostertag und Neumann nicht zu viel verraten. „Zum einen steht noch nicht alles fest, und zum anderen wollen wir die Neugierde der Leute ja auch noch ein bisschen bewahren“, erklären sie quasi einhellig und lachen. Einige Dinge sind aber schon klar: Der Eisladen ist weg und die zugemauerten Fenster zum Bischofsweg wurden wieder geöffnet. Das Foyer soll mehr Licht und Luft bekommen, offen und freundlicher wirken. Die Schauburg öffnet sich dem Stadtraum. Bar und Kasse wandern in die Nischen links vom Eingang. Auf die dortigen Bemalungen müssen Besucher in Zukunft also auch verzichten. Für die Barrierefreiheit soll bei den meisten Sälen vermutlich eine Treppenraupe sorgen. Darüber haben sie sich auch mit Rollstuhlfahrern ausgetauscht.
Man merkt: Die beiden tüfteln stets an den Plänen, treffen auf Unwägbarkeiten, finden Lösungen. Klar kostet das einiges. „Wir befinden uns im unteren siebenstelligen Bereich“, erklärt Stefan Ostertag. Finanzierungspartner ist die Ostsächsische Sparkasse, Betreiber und Vermieter teilen sich die Kosten. Die bundesdeutsche Filmförderungsanstalt gibt einen kleinen Zuschuss. Die Versteigerung von Schauburg-Devotionalien im Mai – es gab Filmplakate, Foyereinrichtung und vieles mehr – brachte immerhin 2.500 Euro. Die Schauburg, sie hat ihre Liebhaber.
Der größte Fan ist vielleicht Stefan Ostertag selbst. Seit über 20 Jahren arbeitet er hier. Ein großes Stück weit ist sie sein Leben. Als sie im Mai 1994 wiedereröffnet wurde, erzählte ihm ein Mädchen in seiner Schule, dass die Schauburg Leute suche. Als Einlasser fing er an, kümmerte sich bald zusätzlich um die Schaukästen und die Werbung. Auch während seines Zivildienstes im Neustädter Krankenhaus blieb er ihr treu. Aus dem Psychologiestudium an der TU Dresden wurde nichts. Ostertag verdiente sich Geld als SAX-Handverkäufer dazu, baute deren Ticketverkauf auf, der nun schon seit vielen Jahren in der Schauburg zu finden ist und auch hierher zurückkehren soll.
1997 bot Frank Apel ihm die Theaterleitung an. Seitdem kam Stefan Ostertag nie wieder von diesem Filmtheater los. Die Rund-um-die-Uhr-Öffnung hat er miterlebt, als die Schauburg zu jeder Tageszeit zugänglich war und nachts um drei oder frühmorgens noch Filme liefen. Mit Niels Beer stellte er parallel das Schulkino auf die Beine. Seit 2009 ist er Geschäftsführer und Gesellschafter von Nickelodeon.
Auch wenn der Umbau stressig ist, gibt er gleichzeitig auch mal Gelegenheit zum Durchatmen. Abends finden keine Veranstaltungen statt, das Wochenende ist frei. Stefan Ostertag hat mehr Zeit für seine beiden kleinen Kinder, genießt mit ihnen Dresden und die Natur. Er hat dabei keinen Lieblingsort. „Das Leben ist bunt und breit. Ich versuche, eher den Moment zu genießen und ihm etwas abzugewinnen als nach Highlights zu suchen“, erzählt der 41-Jährige.
Die Schauburg sieht Stefan Ostertag als einen traumhaften Ort für gehaltvolle Kultur. Hier kann er Leute zusammenführen, mit ihnen ins Gespräch kommen. Manchmal sei er regelrecht Sozialarbeiter – oder Geisterjäger. Eines Nachts vor einigen Jahren ist er nach der Schließung noch mal ins Haus zurückgekommen und hörte ein Klopfen. Er rief die Polizei. Zusammen fanden sie dann auf der Herrentoilette einen Obdachlosen, der dort abends eingeschlafen und daraufhin eingeschlossen worden war.
Franziska Gerecke arbeitet fast ebenso lang wie Ostertag für die Schauburg. Seit 1999 ist die jetzt 37-Jährige als Kassiererin angestellt. Sie ist wahnsinnig neugierig, wie es nun weitergeht. Eigentlich sollte die Schauburg am 15. Oktober wiedereröffnet werden. Zum 90. Geburtstag. Nun gibt es doch leichte Verzögerungen. Unter den Tisch fallen lassen will Stefan Ostertag den runden Geburtstag trotzdem nicht. Um 14, 15, 16 und 17 Uhr führen er und die Architekten am Sonntag durchs Haus. Ein Gläschen Sekt wird es sicher auch geben und die Schauburg ein bisschen hübsch gemacht. Mitte November rechnet er mit der ersten Teileröffnung. Gebaut wird dann bestimmt noch bis ins nächste Jahr. Fünf Monate für einen kompletten Umbau wären auch sportlich angesetzt.
Franziska Gereckes Vater war Filmvorführer in der Schauburg, so ist die Pirnaerin in die Neustadt gekommen. Viele Menschen sieht sie durchs Foyer streifen: Schauspieler wie Tom Schilling oder Benno Fürmann, altbekannte Gesichter, aber auch immer wieder neue Leute. Das macht die Schauburg aus. Sogar ihren Freund hat sie vor ein paar Monaten hier kennengelernt. Auch Schauburg-Babys gibt es. Das Filmtheater, es verbindet. Deswegen macht sich Stefan Ostertag keine Sorgen um die Schauburg. Zusammen mit ihr und den Neustädtern möchte er alt werden.
Text: Nadine Faust
Fotos: Amac Garbe
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