Wenn hohe Töne Bögen schlagen

Seit April 2020 lud die Konzert-Reihe „Kultur am Pavillon“ Dresdner Spaziergänger:innen zum Verweilen am Pavillon neben der Albertbrücke ein. Nun geht das Projekt in die zweite Runde – unterstützt von einem Crowdfunding.

Wer im vergangenen Sommer über die Elbwiesen unweit der Albertbrücke schlenderte, vernahm neben zwitschernden Vögeln und zirpenden Grillen auch musikalische Klänge. Jeden Samstag- und Sonntagnachmittag bespielte ein:e regionale:r Künstler:in den Pavillon auf der Neustädter Seite des Elbufers. Von Klezmer bis Loop-Station, von Singer-Songwriter bis Gypsy-Swing. Ins Leben gerufen hat das Projekt „Kultur am Pavillon“ Maria Helm. Sie betreibt die Künstleragentur „Mea Mara Entertainment“ und vermittelt damit Bands und Einzelkünstler:innen an Veranstalter:innen. Mit der Reihe wurde sie selbst zur Veranstalterin, und das eher zufällig. „Wir hatten damals einen Videodreh und haben uns im Anschluss an diesen Dreh gefragt, was man gerade überhaupt machen kann“, erzählt sie. „Dann ist uns aufgefallen, dass die Altstadt zu eng ist, um Abstand zu halten. Ich glaube, das war auch gar nicht erlaubt. Dann ist mir dieser Pavillon eingefallen, den ich schon immer toll fand und der auch akustisch ziemlich cool und ein bisschen erhöht ist, sodass man tatsächlich ein Bühnengefühl hat.“

Das erste Konzert kam gut an, beim Publikum und den Künstler:innen. Damit das Konzept jedoch auf sicheren Beinen steht, mussten Genehmigungen her. „Anfangs kam die Polizei freundlich vorbeigefahren und ich habe immer gegrüßt, aber im Grunde wusste ich nicht, ob das okay ist“, sagt Maria Helm und lacht. Ohnehin war die Situation zu Beginn des ersten Shutdowns für viele Künstler:innen unklar. Jana Pöche hat an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Gesang Jazz/Rock/Pop studiert und arbeitet als Gesangslehrerin. Außerdem spielt sie u. a. in der Band CARACOU, mit der sie „Chanson et Jazz a la Manouches“ aufführt. Sie beschreibt das Gefühl so: „Es war die ganze Zeit nicht klar, was man darf. Darf man Straßenmusik machen? Wenn ja, in welchem Kontext? Sind wir auf Arbeit oder ist das halb privat? Wie nah darf man sich als Band kommen? Es gab nicht wirklich eine Rechtssicherheit, das betraf ja viele Bereiche. Ich glaube, es waren alle ganz froh, dass Maria das einfach entschieden hat.“

Herausgekommen ist ein Konzept, das für das Publikum wie Straßenmusik wirkt. Die Künstler:innen bekommen eine Gage, wenn das Publikum spendet. „Das, was wir hier machen, das ist eine Brücke“, erklärt Maria Helm. „Wir stellen Kultur zur Verfügung und geben den Menschen die Möglichkeit, sie direkt zu unterstützen. Es kostet keinen Eintritt, aber die Menschen sind aufgefordert, für die Erfüllung ihres Kulturbedürfnisses selber das Portmonee aufzumachen.“

Denn Musik gibt es nicht umsonst. 1.000 Euro: So hoch hat Maria Helm die Kosten für ein Konzert für das Crowdfunding veranschlagt. Das ist eine Mischkalkulation, die die Gagen für die Musiker:innen erfasst, aber auch die Technik-Miete, den Transport und die Werbung.

Im vergangenen Jahr wurde das Projekt durch die Aktion „Kunst trotzt Corona“ gefördert – für die letzten drei Konzerte im September. Es handelt sich dabei um ein Programm der Landeshauptstadt Dresden und des Branchenverbandes der Dresdner Kultur- und Kreativwirtschaft e. V. „Wir gestalten Dresden“. Damit wurden im Jahre 2020 150.350 Euro an 26 Projekte verteilt. Vom Boulevardtheater bis zur Poetry-Slam-Reihe „Geschichten übern Gartenzaun“ in der Groovestation waren verschiedene Bereiche vertreten. Auch in diesem Jahr wird wieder eine Förderung in mehreren Runden ermöglicht. Und auch Maria Helm hat Anträge gestellt. Doch nicht nur das: Sie hat ein Crowdfunding gestartet, damit die ersten Konzerte gesichert sind. Das Mindestziel von 4.500 Euro wurde bereits erreicht. Mit jedem weiteren Euro können weitere Auftritte finanziert werden, sodass die Zuhörer:innen bis in den September hinein Bands lauschen können. Und vor allem: „Ab diesem Jahr will ich den Musiker:innen eine normale Gage zahlen“, sagt Maria Helm.

Ursprünglich hat die Musikerin Religions- und Gemeindepädagogik in Moritzburg studiert, sah sich aber schon immer als Künstlerin. Zehn Jahre lang hat sie in einer Gemeinde gearbeitet, jetzt führt sie ihre Agentur. Denn der Bedarf von Leuten, die gut spielen können, aber nicht wissen, wie sie sich verkaufen, ist da. „Ich weiß das auch von sehr vielen studierten Musiker:innen, dass die im Studium sehr wenig gelernt haben, wie man sich auf dem Markt bewegt, eine Marke macht. Und so bin ich auch ein bisschen zu meiner Agentur gekommen“, erklärt Maria Helm. Und Jana Pöche ergänzt: „Ich glaube, das ist der öffentlichen Wahrnehmung ganz schön schwierig zu erklären. Ich bin leidenschaftliche Musikerin und möchte vor allem Musik machen, aber es läuft nicht so, dass dann irgendwann der Talentscout vorbeikommt und sagt: ‚Das find ich super! Mach du deine Musik! Ich kümmere mich um den Rest.‘ So ist die Wahrnehmung, aber so läuft das nur bei einem ganz kleinen Prozentsatz der Musiker:innen wirklich.“

Jana Pöche hat von 2012 bis 2017 Gesang Jazz/Rock/Pop an der Dresdner Musikhochschule studiert und sich nach zwei Jahren in der pädagogischen Richtung vertieft. Dort wird u. a. Lehrpraxis vermittelt, was den Musiker:innen entgegenkommt, die nebenbei unterrichten. Für sie war das Studium eine prägende Zeit, die sie gut auf den Berufsalltag vorbereitet hat. Sie hat Freunde und eine Art Familie gefunden, lernte aber auch einiges über sich: „Ich habe mich sehr viel damit beschäftigt, Erwartungen zu erfüllen und zu gucken, was die Leute von mir wollen. Um dann im Laufe des Studiums zu erkennen, dass du so viel wie möglich für dich daraus ziehen musst. Dass du eigentlich Erwartungen ans Studium haben solltest, und nicht das Studium nur an dich.“

Und so werden im Pavillon, unweit der turbulenten Neustadt mit Blick auf die historische Altstadt, Brücken in mehrerlei Hinsicht geschlagen: Zwischen Zukunft und Vergangenheit, zwischen Shutdown und Weitermachen, zwischen Musikrichtungen und nicht zuletzt zwischen Publikum und Künstler:in.

Text: Vivian Herzog

Zum Foto: Maria Helm (mit Hut) und Jana Pöche am Pavillon unterhalb der Albertbrücke.

Foto: Amac Garbe

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