Während ich die neunte Staffel einer billigen Netflix-Serie binge-watche, bleibt mir nichts übrig, als das Leben der Protagonist*innen zu beneiden. Ihre Freundschaften scheinen in Stein gemeißelt zu sein und nach jedem Tief kommt eine freudebringende, vorhersehbare Wendung. Ihre Emotionen sind einfach zu deuten und ihre Charaktere sind in einem Skript festgehalten. Trotz utopischer Liebesbekundungen und märchenhafter Berufslaufbahnen, die realitätsferner nicht sein könnten, sehne ich mich nach einem Drehbuch für mein Leben.
Es ist nichts Neues, das Mittzwanzigjährige eine Art Quarterlife-Crisis durchleben: die traditionell angehauchten Biographien ihrer Eltern vor Augen und den Pluralismus an Lebensformen mit dem einhergehenden Entscheidungszwang der heutigen Zeit im Rücken. Besonders betrifft das Menschen, die kurz vor Ende eines Lebensabschnitts stehen und nicht wissen, was danach kommt. In meinem Fall google ich regelmäßig Berufsfelder für Soziolog*innen und habe das Gefühl, keines der vorgeschlagenen Arbeitsgebiete ansatzweise mit meinem Studium in Verbindung bringen zu können. Selber Schuld, könnte man meinen. Aber meine anfängliche Abenteuerlust ist der Zukunftsangst gewichen. Ob das wohl ein Zeichen für das Erwachsenwerden ist?
Ich fühle mich wie Peter Pan mit Aktentasche. Trotz meinen 26 Jahren habe ich das Gefühl, zu wenig und gleichzeitig schon zu viel Zeit damit verbracht zu haben, herauszufinden, wo ich eigentlich hinwill und wer ich eigentlich bin. Vor lauter Verzweiflung werfe ich einen Blick auf die Social-Media-Profile meiner ehemaligen Mitschüler*innen, um zu sehen, wie sich der Weg der einzelnen meines Abiturjahrganges gestaltet. Manche schreiben grade ihre Doktorarbeit, andere sind ausgewandert, manche sind Eltern geworden und wieder andere arbeiten in der Kleinstadt, in der ich meine Schulzeit verbracht habe. Vergleich ist wohl selten die Lösung für ein selbstkritisches emotionales Tief. Wenn ich mit Freund*innen spreche, machen sich aber ähnliche Themen bemerkbar: Trotz (umgesetzter) Pläne, Träumereien und Vorhaben scheint die Ungewissheit der Zukunft immer in den Untertiteln, auch unabhängig von der Corona-Krise, einer und eines jeden lesbar zu sein.
Während die letzte Folge der Serie mit einem absehbaren Friede-Freude-Eierkuchen-Ende, unterlegt mit einem Happy-Hippo-Indie-Song, in den Abspann übergeht, frage ich mich, ob Sicherheit und Gewissheit über die Zukunft wirklich die Ideale sind. Nach wie vor wäre es schön zu wissen, dass alles irgendwie schon gut werden wird. Aber Vorhersehbarkeit und Spannung, Abenteuerlust und Zukunftsangst lassen sich schlecht vereinen.
Egal wie die Story mit Peter Pan und seiner Aktentasche endet: Ich hoffe, Zukunftsängste und die Gewissheit der Unsicherheit halten ihn nicht vom Fliegen ab.
Text: Anika Radewald
Foto: Amac Garbe