Die Möbel-Tetris-Therapie

Es ist eine dieser Wochen, die sich wie eine Aneinanderreihung von Montagen anfühlt. Es sind diese Tage, wo ich mich fühle, als säße ich zwischen zwei Stühlen: zwischen der Sehnsucht nach Veränderung und dem Nicht-Wissen wonach eigentlich genau. Es ist so eine Woche, wo man am liebsten spontan ans Meer fahren, sich die Haare rosa färben oder sich ein Piercing stechen lassen möchte, einfach damit etwas passiert und der Wunsch nach Veränderung sichtbar wird. Leider muss ich arbeiten und habe meine Urlaubstage schon verplant, Rosa steht mir nicht und auf Schmerzen habe ich gerade eher nicht so Lust. Dafür habe ich eine wunderbare, kostenlose, sehr lokale, umsetzbare Alternative, die meine Sehnsucht nach Veränderung, wenn auch scheinbar nur oberflächlich, stillt: Möbelrücken.

Meine Sucht: Ebay-Kleinanzeigen

In meinem 34 Quadratmeter großen Wohnraum befinden sich allerlei Möbel und Einrichtungsgegenstände aus Secondhand-Läden, bekannten Einrichtungshäusern oder sie wurden von den Händen meiner Familienmitglieder geschaffen. Neben dem großen Holzbett, aus alten Maurerplanken zusammengezimmert, befindet sich gleich daneben eine alte Kommode, die ich für nur 30 Euro bei Ebay-Kleinanzeigen ergattert habe. Ein kleiner Glastisch in leuchtendem Gelb durfte vor einem halben Jahr für fünf Euro bei mir ein Zuhause finden. Auch den Schlafsessel in der Ecke aus DDR-Zeiten fand ich in der Rubrik „Zu verschenken“ bei der besagten Plattform. Im Raum zieren runde, große Spiegel sowie unterschiedliche Bilder die Wände. Und dort, wo nicht grade Bücher die Ablagefläche zieren, versuchen Pflanzen gegen meine mangelnde Fürsorge ums Überleben zu kämpfen.

Parkour im Schlafzimmer

In solchen Montag-Wochen ist die Versuchung, nach neuem Interieur zu stöbern, groß. Doch da der Platz eng wird und ich mich trotz meiner Liebe für praktisches und gleichzeitig zierendes Mobiliar eigentlich ganz gerne noch frei in meiner Wohnung bewegen und nicht vom Bett bis zur Küche einen Parkour absolvieren möchte, muss ich zunächst auf den Kauf weiteren Inventars verzichten.

Auch die Vergrößerung meiner Räumlichkeiten gibt der Wohnungsmarkt nicht her und ich würde mir etwas lächerlich dabei vorkommen, nur aufgrund meiner Einrichtungspräferenzen monatlich mehr Geld für gebrauchte, schillernde Beistelltischchen zu bezahlen. Daher bleibt nur eine Lösung: Ich spiele mindestens einmal im Monat in meiner Wohnung Einrichtungs-Tetris.

Eine neue Möbel-Komposition

Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird zunächst in den Flur, in die Mitte des Zimmers, ganz egal wohin, Hauptsache woanders als an den ursprünglichen Platz, geräumt. Dieses Möbelrücken ist mit einigem Kraftaufwand verbunden und hat somit etwas leicht Erschöpfend-Meditatives. Dieses Tetris-Spiel ist nicht nur aufgrund des begrenzten Raumes und der Anzahl meiner Möbelstücke eine Herausforderung: Es hat für mich etwas Künstlerisches. Nicht nur müssen die Kommode und das Bett, die Beistelltische und der Sessel einen neuen Ort im Raum finden, sondern ich habe auch den Anspruch, die Farben dieser mit den Büchern und Dekorationen neu zu kombinieren. Während des Prozesses vergesse ich die Sehnsucht nach Veränderung, vergesse das gefühlte Grau.

Perspektivwechsel

Ich gestalte einen Raum, erschaffe ein neues Gefühl, entdecke neue Kombinationen und wenn alle Möbel ihren neuen Platz gefunden haben, sehe ich meine Wohnung aus einer anderen Perspektive. Oft bleibt einem nichts anderes übrig, als mit dem zu arbeiten, was vorhanden ist. Aufgrund von Platz- oder Geldmangel, von Inspirations- oder Ratlosigkeit. Veränderungen lassen auf sich warten, weil man vielleicht noch gar nicht weiß, wo es Veränderung bedarf. Das, was ich in meinem Leben nicht ad hoc verändern kann, die Gefühle, die sich nicht in eine Abstellkammer wegschließen lassen, die Sehnsüchte, die sich nicht von jetzt auf gleich stillen lassen, das Aushalten dessen, gleiche ich durch das Umstellen meiner Einrichtung aus. Denn wenn es im Inneren zu einem gefühlten Stillstand kommt, hilft das Umstellen des Äußeren, um einen neuen Blickwinkel zu erlangen.

Eine Freundin, die mich letztens besuchte, fragte mich, ob ich irgendwann einmal fertig sei mit dem Umstellen meiner Wohnung. Ich antwortete: „Ich hoffe nicht.“

Text: Anika Radewald

Foto: Amac Garbe

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