I*:_!

Wir müssen noch mal reden. Nicht über Corona oder den Weltaidstag, was auch vonnöten wäre. Sondern über das Gendern. Ich nutze den Doppelpunkt in Wort und Schrift – nicht immer, aber immer öfter. Doch immer wieder schallen mir vor allem zwei Argumente entgegen. Es verhunze die Sprache und überhaupt: Haben wir keine anderen Probleme?

Nun, mit der Sprache ist es ja so: Sie verändert sich ständig. Die letzte große Rechtschreibreform ist 25 Jahre her, aber seitdem gibt es immer wieder kleinere Anpassungen, Streichungen, neue Wörter. Rund um die Fußballweltmeisterschaft 2006 etwa wurde das Wort Fanmeile geboren, heuer schallt uns aus allen Ecken die Coronapandemie entgegen. Sie sind da und werden entweder gehasst oder geliebt. Aber selten haben sich die Geister so sehr geschieden wie an einem harmlosen Doppelpunkt, Gendersternchen oder Unterstrich.

Spannend dabei: An den diversen Sonderzeichen für den weitverbreiteten Smiley- und Emoticongebrauch stört sich anscheinend niemand. Ein Knutscher hier, ein Zwinkersmiley da und zum Geburtstag dürfen es schon mal Torte, Sektkorken, Glücksklee und viele andere Bildchen sein. Das macht den Gruß gleich viel bunter und spart unzählige Worte, stört aber ebenso den Lesefluss.

Auch wenn es laut zugeht im Onlinebereich, dürfen Sonderzeichen nicht fehlen. Wenn drei Ausrufezeichen nicht reichen, dann werden es halt fünf oder gleich der ganze Rest der Zeile. Und wenn das immer noch nicht ankommt, dann wird alles großgeschrieben – übrigens wie das Binnen-I.

Was ich nicht verstehe: Wenn Sprache diskriminierend ist und Kinder in ihren Berufswünschen beengt, warum halten dann viele am generischen Maskulinum fest? Was ist das für eine Kultur, die die Frau generell sprachlich nur mitdenkt, aber nicht klar benennt? Von Menschen, die sich nicht zwingend einem der beiden Geschlechter eindeutig zugehörig fühlen, ganz zu schweigen. Diese Sprache fußt auf Jahrhunderten, ja Jahrtausenden der Unterdrückung. Wenn das Ausdruck unserer Kultur ist, verzichte ich ehrlich gesagt lieber darauf.

Womit wir auch bei der Problemlage wären. Natürlich gibt es da den Klimawandel, Krieg und Frieden, soziale Ungerechtigkeit. Und schwups, sind wir schon wieder bei der Sache. Sagt nicht Artikel 1 unseres Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“? Und in Artikel 3 steht: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt … Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Nenne ich nur Männer, dann bevorzuge ich sie. Dass selbst viele Frauen das immer noch verneinen und sich gegen jedwede geschlechtsneutrale Sprache stemmen, das wundert mich. Aber ich kann es akzeptieren, wenn sie dabei nur von sich selbst ausgehen. Dabei aber auf alle anderen zu schließen und eben auch Menschen einzubeziehen, die sich weder mit der Bezeichnung Mann noch mit Frau wohlfühlen, das ist anmaßend und diskriminierend – spricht man ihnen doch ihre Wahrnehmung ab, auch wenn sie sich verletzt, ausgegrenzt und nicht wahrgenommen fühlen.

Wenn uns also etwas an unseren Mitmenschen liegt und Toleranz nicht ein leeres Wort sein soll, dann tut der eine Doppelpunkt oder das andere Gendersternchen vielleicht nicht so weh, zumal schon mit ein bisschen mehr Verständnis und Einfühlungsvermögen viel getan wäre. Vielleicht lasst Ihr dafür das eine oder andere Ausrufezeichen weg. Das regt mich nämlich auf.

Text: Nadine Faust

Foto: Amac Garbe

2 Gedanken zu “I*:_!

  1. > Was ist das für eine Kultur, die die Frau generell sprachlich nur mitdenkt, aber nicht klar benennt?
    > Von Menschen, die sich nicht zwingend einem der beiden Geschlechter eindeutig zugehörig fühlen, ganz zu schweigen.

    Diese zwei Argumente widersprechen sich. Wenn die Frau klar benannt werden soll, unterstreicht das die Annahme, das Geschlecht sei wichtig, und vor allem binär. Eigentlich wollen wir doch aber davon wegkommen, oder?

    Ein Geburtshelfer ist sprachlich gesehen eindeutig männlich, eine Geburtshelferin eindeutig weiblich. Um nicht jedes mal beide Wörter nennen zu müssen, wurde das Binnen-I, der Doppelpunkt, der Unterstrich usw. erfunden, mit der Zusatzbehauptung, damit „auch alle anderen Geschlechterformen zu meinen“. Genau genommen ist das aber genau so anmaßend wie zu behaupten, mit dem generischen Maskulinum alle zu meinen.

    Wollen wir also wirklich alle benennen, kommen wir nicht drum rum, uns von der Sprachweise zu verabschieden, in der einer Personenbezeichnung deren Geschlecht gleich mit untergeschoben wird. Meiner Meinung nach ist das Geschecht einer Person in den allermeisten Fällen nämlich nicht nur völlig irrelevant, es wäre auch aus Sicht der Privatsphäre unter Umständen anmaßend, es überhaupt zu benennen.

    Die Verwendung von substantivierten Partizipien oder Adjektiven ist wohl momentan der Ansatz, der tatsächlicher Gerechtigkeit am ehesten entspricht. Angestellte und Vorsitzende gibt es schon immer im Sprachgebrauch, das ist also ausbaufähig ohne Ende. Sprachwissenschaft zum Dienst bitte. Aber es ist allemal besser als Binnen-I und Co, denn damit kann auch Sprachsynthese und -erkennung umgehen und ist somit auch für sprachlich eingeschränkte Menschen deutlich entgegenkommender, ein Aspekt der beim Gendern oft gerne vergessen wird 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert