Vier Wochen ist es nun her, dass an dieser Stelle die Kolumne „Eine lange Geschichte“ von Johannes Knop erschien. Er beschreibt darin, wie er vor seinem Geschichtsstudium – seiner Passion – eine für ihn „altmodische“ Ausbildung zum Steuerfachangestellten absolvierte. Wie er währenddessen über den Sinn oder Unsinn des Lebens nachdachte und wie ihn das Ganze
trotz weitreichender Warnungen vor der Perspektivlosigkeit der Geisteswissenschaften darin bestärkte, seinen eigenen Weg zu gehen, seine eigene Geschichte zu schreiben.
In meinen Ohren klingt das heute schwärmerisch, ein wenig verklärend. Welcher Gedanke mir beim Lesen in den Sinn kam? Vielleicht wird er sich irgendwann einmal doch noch über diese Ausbildung freuen. Wer mich kennt oder diesem Blog schon länger folgt, wird wissen, dass ich selbst nach einem Bachelor in Kunstgeschichte und Germanistik im vergangenen Herbst einen Master in Angewandter Linguistik abgeschlossen habe. Was mir nach einigen Monaten davon bleibt: Resignation, manchmal Reue und bisweilen Phasen, die irgendwo zwischen einer ausgewachsenen Melancholie und depressiven Momenten schwanken. Deshalb auch lässt mich Johannes‘ Kolumne bis heute nicht los, deshalb hier meine Antwort – meine lange Geschichte.
Hinterher ist man immer schlauer. Und vor allem sind hinterher auch immer alle anderen schlauer. „Du hättest eben doch lieber etwas anderes studieren sollen.“ „Das habe ich mir gleich gedacht, dass das mit dem Studium nichts wird.“ „Denk doch mal darüber nach, noch eine
Ausbildung zu machen!“ Ich frage meine Mutter, warum sie mir nicht damals, während des Abiturs, vorgeschlagen hat, eine Ausbildung zu machen, einen klar definierten Beruf anzustreben. „Du hättest nicht mir Dir reden lassen. Und außerdem hattest Du das Zeug, um zu studieren.“ Vielleicht ist das so, vielleicht hätte ich nicht mit mir reden lassen. Nein, eigentlich bin ich mir fast sicher, dass ich nicht mit mir hätte reden lassen. Denn auch heute noch fällt es mir manchmal schwer, meine Komfortzone zu verlassen und Ideen anzunehmen, die mir zunächst unbequem erscheinen. Und dennoch ärgerte ich mich in jenem Moment über diese Aussage und schob meiner Mutter damit ein Stück weit die Mitverantwortung dafür zu, dass ich mich nun in dieser misslichen Lage befinde.
Diese missliche Lage: Das bedeutet im Klartext, seit Monaten auf Jobsuche zu sein (mit Ausnahme der kurzen Beschäftigung als Tournee-Assistentin, worüber ich hier ebenfalls berichtete). Woche für Woche klicke ich mich durch Stellenanzeigen und bekomme mehr und mehr das Gefühl, den Anforderungen nicht gerecht werden zu können. Ein geisteswissenschaftlicher Abschluss ist schön und gut, oft auch Grundvoraussetzung für eine Stelle im kulturellen Bereich. Die Fähigkeiten, die eigentlich gefordert werden, entspringen dann aber häufig der BWL oder gar Informatik. Wo, frage ich mich, liegt hier der Fehler? Sind es die Hochschulen und Universitäten, die verstärkt auf interdisziplinäre Studiengänge setzen sollten? Müssten diese nicht auch ihre Lehrveranstaltungen mehr auf die beruflichen Möglichkeiten ausrichten, mit denen sie auf ihren Informationsseiten werben? Oder bin ich selbst schuld, weil ich mich nicht schon im Studium über die Anforderungen im Beruf informiert habe? Hätte ich Zusatzqualifikationen in anderen Bereichen sammeln sollen, statt meine gesamte Energie dafür aufzuwenden, möglichst gute Noten zu bekommen, die heute nichts weiter sind als schwarze Tinte auf Papier?
Ich finde keine Antwort auf diese Fragen, aber eigentlich ist das auch nicht mehr wichtig. Was zählt, ist, einen Weg zu finden, der mich aus dieser Situation herausführt. Und an dieser Stelle beneide ich Johannes um seine Ausbildung. Um eine Alternative, die ihm vielleicht irgendwann hilft, die Zeit zu überbrücken, bis er dort Fuß fasst, wo er es möchte. Sicher, auch ich könnte noch einmal von vorne anfangen, mir eine Alternative aufbauen. Möglicherweise werde ich das sogar müssen. Doch eigentlich wollte ich nach fünf Jahren Studium endlich durchstarten. Lange genug habe ich über Fachbüchern gebrütet – mich am Ende danach gesehnt, dem universitären Elfenbeinturm zu entfliehen und mich in die Praxis zu stürzen. Aber stattdessen stürzte ich in ein Tief, aus dem ich mich immer wieder herauskämpfen muss.
Also alles zurück auf Null? Es fällt mir schwer, diesen Schritt zu gehen. Denn es fühlt sich so an, als würde ich mir damit mein Scheitern eingestehen. Als müsste ich akzeptieren, dass ich damals die falsche Entscheidung getroffen habe. Vielleicht hätte ich mein Potenzial von Anfang an anders nutzen können. Aber jeder muss seine Erfahrungen selbst sammeln, seine eigenen Fehler machen. Ich wusste um den schlechten Ruf der Geisteswissenschaften und habe trotzdem geglaubt, bei mir könnte es anders werden. Ob ich damit die Ausnahme oder die Regel darstelle, kann ich nicht sagen. Johannes jedenfalls wünsche ich mehr Glück dabei, seine Geschichte nach dem Studium so zu schreiben, wie er sie sich vorstellt. Und ich suche dann mal weiter meinen Weg. Wie sagt man doch so schön? Umwege erhöhen die Ortskenntnis.
Text: Marie-Luise Unteutsch
Foto: Amac Garbe
Sehr gut geschrieben, die Antwort habe ich leider auch nicht für dich… Aber ich drücke dir die Daumen für eine Lösung und schicke dir eine Portion Optimismus…. Zum weiteren Durchhalten