Der Koalitionsvertrag der schwarz-rot-grünen Landesregierung ist verabschiedet. Doch welche Veränderungen bringt er für Studierende mit sich? Hierzu interviewte Campusrauschen Lasse Emcken, einen der beiden Sprecher der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS). Er studiert zurzeit an der Universität Leipzig.
Zunächst erst mal die Frage: Was ist die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften eigentlich und wie wird man in die KSS gewählt?
Die KSS ist die studentische Interessenvertretung auf Landesebene. Die einzelnen Studierendenräte entsenden Vertreter*innen in den Landessprecher*innenrat (LSR). Dabei handelt es sich um das monatlich tagende Gremium der KSS. Der LSR funktioniert dann im Grunde wie ein normaler StuRa. Die StuRä wählen also in den LSR und der LSR wählt anschließend intern seine Sprecher*innen. Ich wurde im März 2019 zusammen mit Nico Zech für ein Jahr zum Sprecher gewählt.
Wie wichtig ist der/die jeweilige Fachminister*in für Eure Arbeit und was denkst Du über den Ministerwechsel zu Sebastian Gemkow?
Das Ministerium ist zentral verantwortlich für die Weiterentwicklung der Hochschulen. Mit Eva-Maria Stange hatten wir gerade am Ende einen sehr guten Kontakt und würden uns daher freuen, wenn es so weitergeht. Wir versuchen auch über andere Wege, dem Landtag unsere Vorschläge zu präsentieren. Indem wir uns mit den hochschulpolitischen Sprecher*innen der Parteien treffen und versuchen, über die Fraktionen auf den Landtag einzuwirken zum Beispiel. Das funktioniert mal besser, mal schlechter – je nach Thema. Einige Forderungen werden aber vermutlich weiterhin auf taube Ohren treffen, andere hingegen aufgegriffen.
Welche Aufgaben hat die KSS und welche Möglichkeiten habt Ihr, diese zu erfüllen?
Unsere zentralste Aufgabe ist die Interessenvertretung der Studierenden gegenüber der Landesregierung. Darüber hinaus versuchen wir, den Studierendenräten zu helfen, da gerade kleinere Räte nicht so viele Kapazitäten haben. Insgesamt wollen wir auch eine hochschulpolitische Austauschplattform für Studierende bieten.
Was konkret macht Ihr, um dieses Ziel zu erreichen?
Wir organisieren zum Beispiel für Ende März ein Seminarwochenende mit dem Ziel, Mitstudierenden die Arbeit der KSS näherzubringen und eine Einführung in die Hochschulpolitik zu bieten. Bei der vergangenen Landtagswahl haben wir zum Beispiel versucht, eine Wahlkampagne zu organisieren. Das war teils Interessenvertretung und teils politische Aufklärung für die Studierenden. Das Ziel war es, die Wichtigkeit der Wahl hervorzuheben. In unseren Augen hat das ganz gut funktioniert, denn viele unserer Forderungen wurden letztendlich in den Koalitionsvertrag aufgenommen.
Wo wir gerade beim Koalitionsvertrag sind: Dieser spricht von einer neuen Ausbalancierung von Rektorat, Senat und Hochschulrat. Fallen Dir spontan Bereiche ein, in denen diese Ausbalancierung besonders sinnvoll wäre?
Wir fordern vor allem die Stärkung des demokratisch gewählten Senats und des erweiterten Senats. Der Hochschulrat ist ein beratendes Gremium, der Senat die Legislative und das Rektorat die Exekutive. Daher fordern wir, dass mehr Entscheidungskompetenzen vom Hochschulrat und dem Rektorat zurück an den Senat gehen und diese klarer getrennt werden. Der Senat soll die Möglichkeit erhalten, ebenfalls Inhalte zu beschließen.
Der Senat ist momentan also eher repräsentativ ausgelegt?
Ja, er ist aktuell eher ein repräsentatives Gremium, in das Repräsentant*innen der verschiedenen Gruppen an der Hochschule, wie z. B. die Studierenden, gewählt werden. Auch da haben wir Probleme, denn die Studierenden als mit Abstand größte Gruppe der Hochschule werden nur durch bis zu vier Vertreter*innen repräsentiert, während die Professor*innen bis zu elf Vertreter*innen an sächsischen Hochschulen haben. Was die Reform der Hochschulgovernance angeht, würden wir es begrüßen, wenn die Kompetenzen des Senats zukünftig ausgebaut werden könnten. Beschlüsse über die Wirtschaftsplanung der Hochschulen wären zum Beispiel schön.
Du hast gerade die Wirtschaftsplanung der Universitäten erwähnt. Hier sieht der Koalitionsvertrag die Auslagerung der Zuständigkeit für kleinere Baumaßnahmen an die Universitäten selbst vor. Wie schätzt Du dieses Vorhaben ein?
Das ist auf jeden Fall eine Bereicherung, weil es die Hochschulautonomie weiter stärkt und sie so leichter auf veränderte Kapazitätsanforderungen reagieren können. Natürlich ist klar, dass ein teurer Neubau nicht komplett darunterfallen wird, aber diese Praxis wird an der TU Dresden bereits angewandt und hat sich in dem Zusammenhang schon bewährt. Warum sollte man das nicht ausweiten?
Ein weiteres zentrales Ziel der KSS war die Umsetzung der verbindlichen Mitgliedschaft in der verfassten Studierendenschaft. Welche Auswirkungen hat es für die Studierenden, dass diese Forderung nun erfüllt wird?
Zunächst einmal wird unsere Verhandlungsposition generell gestärkt, wenn wir Services für Studierende anbieten wollen. Bei Verhandlungen mit Leihfahrradsystemen oder dem Ausbau von Beratungsangeboten für Studierende zum Beispiel. Auch innerhalb der Hochschulen wird die Verhandlungsposition der Studierendenräte gestärkt. Denn so können sie im Namen aller Studierender verhandeln, was ihren Positionen gegenüber anderen Hochschulgremien mehr Nachdruck verleiht.
Für wie wahrscheinlich schätzt Du die geplante Umsetzung der „virtuellen Hochschule Sachsen“ während der nächsten Legislaturperiode ein?
Ich finde, es ist ein ehrenwertes Ziel, eine sächsische digitale Hochschule aufbauen zu wollen. Ich habe aber das Gefühl, dass hier der Föderalismus der einzelnen Bundesländer im Weg steht, auch wenn ich ihn prinzipiell begrüßenswert finde. Sinnvoller wäre die Umsetzung dieses Formates in ganz Deutschland oder sogar europaweit, weil die Kapazitäten so besser genutzt werden könnten. Grundlegende Studieninhalte desselben Studiengangs ähneln sich in jedem Bundesland ja weitgehend. Dementsprechend könnte die virtuelle Hochschule als zentraleres Element verwirklicht werden. Was genau sich daraus entwickelt ist aber noch einmal eine andere Frage.
Welche Entwicklungen wären hier Deiner Ansicht nach möglich?
Vielleicht werden nur Vorlesungsmitschnitte oder Lehrangebote hochgeladen, zum Beispiel in Form eines Programmierkurses. Ich bin mir allerdings sicher, dass die Digitalisierung ein Seminar niemals komplett ersetzen kann. Wenn es aber darum geht, feststehende Grundlagen zum Beispiel in der Mathematik zu vermitteln, warum sollte man das nicht ins Internet auslagern?
Gibt es auch Punkte, die es nicht in Eure abschließende Presseerklärung geschafft haben?
Was wir vergessen haben, aber auch sehr wichtig ist: dass die von uns geforderten 1.000 Stellen in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurden. Es wird jetzt deutlich mehr unbefristete Stellen geben, die die Hochschulen personell absichern können.
Wissenschaftliche (WHKs) und studentische Hilfskräfte (SHKs) sollen in dem Zusammenhang nach Tarifvertragsrecht behandelt werden.
Es ist zwar ein Fortschritt, aber nicht das, was wir gefordert haben. Wir hätten gern einen eigenständigen Tarifvertrag für die WHKs und SHKs gehabt. In einem eigenständigen Tarifvertrag hätten unter anderem Beschäftigungsdauer und Urlaubsansprüche besser geregelt werden können.
Zukünftig sollen auch die Studentenwerke mehr finanzielle Mittel erhalten. Glaubst Du, dass ihre Finanzierung damit endlich sichergestellt werden kann?
Wir wissen noch nicht, in welcher Höhe die Studentenwerke durch den Koalitionsvertrag gefördert werden sollen, da es in den Verhandlungen noch nicht um eine konkrete Finanzplanung ging. Was wir wissen ist, dass während der vergangenen Legislaturperiode die Zuschüsse für die Studentenwerke um sechs Millionen Euro erhöht wurden. Vorher lagen sie bei 5,9 Millionen Euro und sind während der schwarz-roten Koalition auf 12 Millionen Euro angewachsen. Allein im Doppelhaushalt 2019/20 gab es einen Anstieg um zwei Millionen Euro.
Für welche Aufgaben ist eine weitere Förderung der Studentenwerke in Deinen Augen notwendig?
Mehr finanzielle Mittel benötigen die Studentenwerke vor allem für drei Dinge: die Wohnheime, Sanierung und Neubau der Mensen sowie die jährlichen Tarifanpassungen der Beschäftigten. Die Knappheit der Finanzlage macht aktuell eine Diskussion über die nachhaltige Sanierung von Wohnheimen unmöglich. Im Moment geht es vor allem darum, dass der Sanierungsstau in den Wohnheimen abgebaut werden kann.
Für wie realistisch haltet Ihr es, dass die Langzeitstudiengebühren im Rahmen ihrer geplanten Überprüfung abgeschafft werden?
Wir hoffen natürlich sehr, dass sie sich während der Überprüfung als sinnlos herausstellen. Es gibt viele Gründe dafür, dass sich ein Studium mal verzögern kann. Die Betreuung eines Kindes oder von Angehörigen zum Beispiel, ebenso wie eine längere Krankheit. Dafür wird man quasi bestraft und das ist einfach unfair. Wir bleiben auf jeden Fall dabei, dass diese Studiengebühren generell abgeschafft werden müssen. Wenn es diese Koalition nicht schafft, dann werden wir bei der nächsten weiter darum kämpfen.
Die Forderung nach einer Erleichterung des Prüfungsrücktritts im Krankheitsfall hat es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft. Ist dieses Anliegen damit gescheitert?
Wir hoffen noch, dass das Thema zu klein war, um im Koalitionsvertrag aufgenommen zu werden. Dieses Problem verfolgt uns seit Jahren an allen sächsischen Hochschulen. Es gibt noch keine Hochschule, die auch nur im Ansatz eine zufriedenstellende Lösung gefunden hat. Ohne eine Berücksichtigung im Gesetz ist der Prüfungsrücktritt mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung allein nicht möglich. Alle Alternativen sind aber entweder datenschutzrechtlich bedenklich oder für die Studierenden mit zusätzlichen Kosten verbunden. Der StuRa der TU Dresden führt da ein wahnsinnig gutes Projekt durch, da er die Kosten für die Ausstellung einer Sonderprüfungsunfähigkeitsbescheinigung beim Amtsarzt dank der Gelder der Studierendenschaft übernimmt. Dadurch kann zum Beispiel erhoben werden, wie teuer diese Bescheinigungen jährlich für alle Studierenden sind. Wir vertreten mittlerweile die Ansicht, dass per Gesetz festgelegt werden muss, dass Prüfungsunfähigkeit künftig mittels einer normalen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen werden kann.
Was bringt der Koalitionsvertrag für Promovierende mit sich?
Auch die Promovierenden bekommen eine ganze Menge heraus, indem sie nun zum Beispiel ihre eigenen Räte erhalten und es mit den 1.000 Stellen auch etwas bessere Karriereperspektiven gibt. Ich glaube, es ist in der Regierung angekommen, dass die Hochschulen stark gefördert werden sollten.
Wie würdest Du den Hochschulabschnitt des Koalitionsvertrages abschließend bewerten?
Es gibt eine Menge positiver Potentiale für die Hochschulen in Sachsen. Die wachsende Autonomie, die Stärkung der Studierendenschaft und viele weitere Entwicklungen sind sehr zu begrüßen. Ich hoffe, dass die Studierendenschaften sich in Zukunft deutlich mehr einbringen können, da es oft so ist, dass sie sehr positive gesellschaftliche Impulse setzen.
Interview: Johannes Knop
Foto: Mai Saito