Bald soll der sächsische Doppelhaushalt für 2019/20 verabschiedet werden. Der Entwurf ist seit ein paar Wochen im Landtag – nicht nur dort wird er debattiert.
Eine „klare Schwerpunktsetzung für ein lebenswertes Sachsen“ – so umschrieb der sächsische Finanzminister Dr. Matthias Haß von der CDU den Doppelhaushalt, als er den Entwurf Mitte August in den Landtag einbrachte: Rund 38 Milliarden Euro will Sachsen in diesen beiden Jahren ausgeben, erst 19, dann 19,5 Milliarden. Damit ist der Haushalt größer als sein Vorgänger: 2017 und 2018 wurden jährlich nur gut 18 Milliarden Euro ausgegeben. Dirk Panter, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Sächsischen Landtag, spricht von einem „Ende der Kürzungspolitik“. Vertreter vom Studentenrat (StuRa) der TU Dresden und der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) kritisieren den Haushalt hingegen scharf. Weder die Hochschulen noch die Studentenwerke bekämen genügend Mittel. „Der Freistaat kommt seiner Verpflichtung nicht nach, für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen“, sagt KSS-Sprecher Marius Hirschfeld.
Etwa zwei Milliarden jährlich stehen dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) 2019 und 2020 zur Verfügung, einige Hunderttausend Euro mehr als im letzten Doppelhaushalt. Davon fließen 1,51 (2019) beziehungsweise 1,53 Milliarden (2020) in den Hochschulbereich. 2018 waren es 1,47 Milliarden Euro. Überraschend sind diese Zahlen nicht: Die Zuschüsse vereinbaren Land und Hochschulen immer für mehrere Jahre, aktuell in der Zuschussvereinbarung 2017-2024. Die garantiert auch, dass die Mittel jährlich um zwei Prozent wachsen, um steigende Personalkosten auszugleichen, und an die Preisentwicklung angepasst werden, wenn es Schwankungen von mehr als fünf Prozent gibt. Entsprechend nüchtern kommentiert Andreas Friedrich, Pressesprecher des SMWK, den Haushaltentwurf. Er „setzt für den Hochschulbereich die Zuschussvereinbarung um.“ TUD-Pressesprecherin Kim-Astrid Magister kommentiert den Entwurf nahezu wortgleich. Es sind aber nicht alle Mittel in der Zuschussvereinbarung enthalten, zum Beispiel die Zuschüsse für die medizinischen Fakultäten. Diese könnten sich, so Friedrich, sogar über „deutliche Steigerungen“ freuen. Insgesamt gibt es für die TU Dresden 274 Millionen Euro im Jahr 2019 und 280 Millionen im Jahr darauf. Darüber hinaus können alle Hochschulen weitere Mittel erhalten, die dann aber zweckgebunden sind.
So bekommen die Unis auch Mittel für Baumaßnahmen. Sieben hat die TUD beantragt, zwei wurden genehmigt: Der Bau des Lehmann-Zentrums II als Bürogebäude und der Bau eines Zentrums für Material- und Werkstoffwissenschaften. Der StuRa ärgert sich über diese Entscheidung – Matthias Lüth, Referent für Lehre und Studium, verweist auf marode Universitätsgebäude wie den Weber-Bau: rissige Wände, löchrige Decken, untrinkbares Leitungswasser. Lüth spricht von einem „Investitionsstau“. Kim-Astrid Magister erklärt hingegen: Das SMWK habe in den Haushaltsverhandlungen „besonderes Augenmerk“ auf Bauvorhaben gelegt, die bereits laufen oder zumindest geplant sind. Darüber hinaus habe das SMWK der Uni die Zusage für Neubauten gegeben, wenn die durch die Bewilligung von Exzellenzclustern nötig werden.
Die Kritik der Studierenden richtet sich aber nicht nur auf den Hochschulbau. „Natürlich ist es gut, dass die Mittel steigen“, sagt Matthias Lüth. Der dank Zuschussvereinbarung automatisierte Mittelzuwachs garantiere zumindest für einige Jahre Planungssicherheit. „Aber die Schritte sind zu klein.“ Angesichts steigender Steuereinnahmen hätte man mehr erwartet. Es sei zudem nicht berücksichtigt worden, dass gerade im Baubereich die Kosten in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Auch die KSS beklagt einen „Stillstand“ im Hochschulbereich. Marius Hirschfeld kritisiert ganz grundsätzlich die Budgetierung der Hochschulen im Freistaat, festgehalten in der Sächsischen Hochschulsteuerungsverordnung. Die bestimmt, wie das Gesamtbudget aus der Zuschussvereinbarung aufgeteilt wird. Es steht auf drei Säulen: Grundbudget, Leistungsbudget, Innovationsbudget.
Nur das Grundbudget, das 90 Prozent der Mittel umfasst, steht den Unis ohne „Gegenleistung“ zur Verfügung. Für die TUD zum Beispiel 178 (2019) und 180 (2020) Millionen Euro. Die zwei Prozent der Gelder aus dem Leistungsbudget hängen von der Absolventen- und Drittmittelquote ab: Je besser die Quoten, desto mehr Geld. Die letzten acht Prozent finden sich im Innovationsbudget, das wiederum untergliedert ist: 75 Prozent der Mittel umfasst das Zielvereinbarungsbudget. Alle Unis und Fachhochschulen haben Zielvereinbarungen mit dem Land getroffen, die zum Beispiel angestrebte Studierendenzahlen oder MINT-Quoten vorschreiben. Dafür erhalten sie jedes Jahr pauschal Geld, bei der TUD sind das 2019 12,5 und 2020 12,7 Millionen Euro. Am Ende aber wird abgerechnet: Erreicht die Uni Ziele nicht, muss sie Geld zurückzahlen oder die Summe wird mit den Mitteln der nächsten Zuschussvereinbarung verrechnet. Die restlichen 25 Prozent der Mittel aus dem Innovationsbudget liegen im Initiativbudget. Daraus können Maßnahmen aller Art finanziert werden – diese Mittel gibt es also erst auf Antrag.
Hirschfeld hält diese „leistungsorientierte Budgetierung“ für falsch. So bleibe den Unis nicht einmal genug Geld, um ihre notwendigen Aufgaben zu erfüllen, von Forschung über Lehre bis zum Hochschulbau. „Es kann doch nicht sein, dass zehn Prozent der Gelder nicht sicher sind“, sagt er. „Wenn Unis Ziele erreichen, müsste es dafür on top Geld geben.“ Auch für diese Kritik hat das SMWK wenig übrig. Sie könne „nicht nachvollzogen“ werden – schließlich bekämen die Hochschulen nur die Mittel aus dem Initiativbudget nicht pauschal. Laut geltendem Recht sei es zudem egal, ob Mittel pauschal oder erst auf Antrag kommen. TUD-Pressesprecherin Magister war für eine Nachfrage zur Budgetierung nicht mehr zu erreichen.
„Viel zu gering“ sind laut Matthias Lüth aber auch die Mittel für die Studierendenwerke. Zwölf Millionen jährlich sind für die vier sächsischen Studierendenwerke Dresden, Chemnitz-Zwickau, Freiberg und Leipzig vorgesehen – genauso viel wie im Haushalt davor. Davon sind zehn Millionen Euro für den laufenden Betrieb, die zum Großteil in die Vorhaltung von Gebäuden und die Infrastruktur in den Mensen gesteckt werden, denn im Gegensatz zu anderen Landesliegenschaften müssen die Studentenwerke derlei selbst bezahlen. Der Rest fließt in die sozialen Dienste, etwa Angebote für Studierende mit Kindern. Beantragt hatten die Studentenwerke für den laufenden Betrieb aber nicht zehn, sondern zwölf Millionen Euro für 2019 und 12,9 für 2020. Ähnlich sieht es bei den Investitionen aus, für die jährlich zwei Millionen Euro im Haushaltsentwurf veranschlagt sind. Auch das ist viel weniger, als die Studentenwerke für ihre über 40 Mensen beantragt haben: 5,2 Millionen Euro für 2019 und 4,6 Millionen für 2020. Davon sollten laut Dr. Heike Müller, Pressesprecherin des Studentenwerks Dresden, unter anderem der Brandschutz in der Mensa Freiberg und die Erstausstattung der Neuen Mensa in Dresden finanziert werden – allein die hätte 2,1 Millionen Euro gekostet. Die Mittel sind laut Friedrich im Haushaltsentwurf „eingeplant“. Auf Nachfrage heißt es aber aus seinem Haus: Sie sollen aus ebenjenen zwei Millionen bestritten werden, die die Studentenwerke insgesamt für Investitionen bekommen.
Anja Schönherr, die Chefin des Studentenwerks Chemnitz-Zwickau, teilt die Kritik von Matthias Lüth. „Wir fahren auf Verschleiß“, sagt sie. Hinzu kommt: Wenn nötige Investitionen hinausgezögert werden und die Häuser stattdessen mit kurzfristigen Maßnahmen irgendwie instand gehalten werden, treibt das wiederum die Kosten für die Vorhaltung der Infrastruktur in die Höhe. Müller und Schönherr sind sich einig: Der Freistaat müsse die Aufgaben, die er den Studierendenwerken überträgt, auch finanzieren. Derzeit können sie weder Kürzungen beim sozialen Dienst noch Erhöhungen der Mensapreise und Semesterbeiträge ausschließen: Am Ende müssten womöglich die Häuser geschlossen und an den Freistaat zurückgegeben werden. „Wir leben von der Substanz, bis es nicht mehr geht“, sagt Müller.
Daher will der StuRa, dass das Land die Studierendenwerke mit jährlich 17,3 Millionen Euro „ausfinanziert“: 10,8 Millionen Euro für den laufenden Betrieb, 5,3 für Investitionen und 1,2 für steigende Personalkosten. Die 2,1 Millionen Euro für die Erstausstattung der Neuen Mensa soll es extra geben. Die Forderungen finden beim SMWK wenig Anklang. Pressesprecher Friedrich verweist auf die Vergangenheit: Noch im Doppelhaushalt 2015/16 haben die Studierendenwerke nur 5,9 statt der jetzigen 10 Millionen Euro für den laufenden Betrieb bekommen – und gar nichts für Investitionen. Der Bedarf für Ersatzinvestitionen in Mensen und ihrer Sanierung müsse jetzt „gemeinsam mit den Studentenwerken in einem längeren Zeitraum abgearbeitet werden.“ Schon jetzt, versichert Friedrich, sähe der Haushalt 20 Millionen Euro für die Sanierung der Neuen Mensa auf der Bergstraße vor. „Von Stillstand bei den Studentenwerken kann keine Rede sein.“
Ein letzter wunder Punkt: die Wohnheime. Momentan gibt es für die in Sachsen keinerlei Fördermittel. Der Freistaat soll, ginge es nach dem StuRa, daher ein Programm zur Sanierung und Finanzierung von Wohnheimen starten. Ein Vorbild hat er in Bayern gefunden: Dort wird die Schaffung von Wohnheimplätzen kräftig bezuschusst, allein im Jahr 2017 mit 47,5 Millionen Euro. In Sachsen wird es dazu wohl nicht so schnell kommen. SMWK-Pressesprecher Andreas Friedrich verweist auf ein im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorgesehenes Programm – man werde zunächst abwarten, welche Effekte das im Freistaat habe. Das „Programm“ beschränkt sich allerdings auf zwei Zeilen: Man wolle die Schaffung studentischen Wohnraums, „u. a. auch Wohnheimplätze“, fördern.
Noch aber ist all das nicht sicher. Der Haushalt soll erst im Dezember 2018 beschlossen werden, wird derzeit in den Ausschüssen diskutiert – und kann noch geändert werden. Auch deshalb, sagt Matthias Lüth, üben StuRa und KSS jetzt schon Kritik. Sonderlich optimistisch ist er aber nicht. „Offenbar liegen die Prioritäten von Schwarz-Rot nicht im Hochschulbereich.“
Text: Luise Martha Anter
Foto: Amac Garbe
Der Artikel wurde am 4.9.2018 um 16 Uhr korrigiert.
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