Am 29. September hat halb Hochschuldeutschland vor Aufregung gezittert: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat aus 195 Antragsskizzen jene 88 bekannt gegeben, die einen Vollantrag für die Förderung als Exzellenzcluster stellen dürfen. Das war der Startschuss für die aktuelle Runde der Exzellenzinitiative, die von nun an unter dem Namen „Exzellenzstrategie“ firmiert.
Außer dem Namen hat sich aber nicht allzu viel geändert: Zwar gibt es nur noch zwei statt drei Förderlinien, die Graduiertenschulen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchs werden nicht weiter gefördert. Bestand hat hingegen die Förderlinie der Exzellenzcluster. Mit insgesamt 385 Millionen Euro jährlich werden 45 bis 50 der Forschungsverbünde gefördert. Auch die Exzellenzunis bestehen fort: Um diesen Titel dürfen sich alle Unis bewerben, die mit mindestens zwei Clustern erfolgreich sind. Elf von ihnen werden dann gekürt – und bekommen zusätzliche 10 bis 15 Millionen Euro jährlich. Nach sieben Jahren müssen sie sich neu beweisen. Viel Geld, viel Streit: Für die einen ist die Exzellenzinitiative unverzichtbarer Teil des deutschen Hochschulsystems. Vor allem Studierendenvertreter, aber auch Wissenschaftler üben hingegen teils heftige Kritik an dem Programm. Wir haben beide Seiten zum Gespräch geladen: Den Rektor der TU Dresden, Prof. Hans-Müller Steinhagen, und Paul Hösler, der beim TUD-Stura für Hochschulpolitik verantwortlich ist.
Herr Müller-Steinhagen, am 29. September wurden die Cluster bekannt gegeben, die einen Vollantrag stellen dürfen. Die TU Dresden ist mit sechs von acht Antragsskizzen dabei. Wie war bei Ihnen da die Stimmung?
Müller-Steinhagen: Als erstes war da Erleichterung, gleich danach große Begeisterung. Wir haben die erste Hürde in der aktuellen Runde der Exzellenzstrategie genommen – und das mit ziemlichem Sicherheitsabstand. Zwei Cluster sind ja das Mindeste, um sich für den Titel der Exzellenzuniversität bewerben zu können. Mit sechs zum Vollantrag aufgeforderten Skizzen sind wir die zweiterfolgreichste Universität in Deutschland.
Sie waren also nicht enttäuscht, dass es zwei Cluster nicht geschafft haben?
Müller-Steinhagen: Ich sage Ihnen ehrlich: Wir hatten mit maximal vier erfolgreichen Skizzen gerechnet – sechs hat niemand für möglich gehalten. Natürlich waren aber alle acht Anträge gut. Die restlichen beiden stammen aus den Bereichen Architektur und Bauingenieurwesen sowie Radioonkologie und wir werden nun schauen, wie wir mit diesen Projektideen weiter verfahren.
In der Schublade landet also nichts?
Müller-Steinhagen: Mit Sicherheit nicht. Zum Beispiel existiert ja schon eine Zusammenarbeit im Bereich Strahlenbehandlung für Tumore mit der Uni Heidelberg. Da werden wir auf jeden Fall weitermachen.
Herr Hösler, teilen Sie diese Euphorie?
Hösler: Insgesamt schon. Man muss zwar auch die sächsische Perspektive in den Blick nehmen – Leipzig hat eine Skizze bewilligt bekommen, Chemnitz und Freiberg keine. Aber für die TU Dresden freue ich mich, weil bisher auch die Studierenden von der Exzellenzinitiative profitiert haben – zum Beispiel durch Investitionen in Gebäude.
Das überrascht mich jetzt fast. Gerade von den Studierendenvertretern wurde und wird die Exzellenzinitiative bzw. -strategie oft kritisiert.
Hösler: Uns geht es naturgemäß primär um die Lehre. Das fördert die Exzellenzinitiative bzw. -strategie ja in dem Sinne nicht. Außerdem ist sie ein sehr exklusives Instrument, da vor allem die Unis profitieren. In Dresden zum Beispiel haben ja die HTW oder auch die HfBK nichts von der Exzellenzinitiative bzw. -strategie gehabt. Wobei es jetzt natürlich auch die Verbundanträge von Unis und Fachhochschulen gibt.
Müller-Steinhagen: Es gab vor wenigen Monaten den Wettbewerb „Innovative Hochschule“, der sich ausschließlich an die Fachhochschulen für angewandte Wissenschaften gerichtet hat. Da waren die vier Dresdner Fachhochschulen mit ihrem Verbundantrag erfolgreich.
Herr Hösler hat es gerade schon gesagt: Von der Exzellenzinitiative bzw. -strategie profitieren nicht alle. Ein Ziel ist die sogenannte „vertikale Differenzierung“. Wird diese Schaffung von international sichtbaren „Leuchttürmen“ auf Kosten kleinerer Unis zurecht kritisiert?
Müller-Steinhagen: Der größte Teil der Gelder aus der Exzellenzinitiative bzw. -strategie geht in die Forschung zur Finanzierung der Exzellenzcluster. Das hat nichts mit der Grundfinanzierung der Universitäten insgesamt zu tun, weshalb ich hier nicht von einer vertikalen Differenzierung sprechen würde. Die Fördermittel in Höhe von derzeit zwölf Millionen Euro jährlich, die die Exzellenzuniversitäten zur Weiterentwicklung ihrer Strategie bekommen, machen nur einen kleinen Teil des Gesamthaushalts der erfolgreichen Universitäten aus. Natürlich ist das dennoch ein Vorteil gegenüber anderen Universitäten – aber dann könnten Sie genauso gut kritisieren, dass die Unis in Bayern oder NRW doppelt so viel Geld pro Studierendem bekommen wie jene in Sachsen. Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Wenn wir die Exzellenzmittel gleichmäßig auf alle deutschen Unis verteilen würden, bekäme jede Universität eine Million Euro. Das würde im Gesamthaushalt versickern, ohne große Veränderungen zu bewirken.
Herr Hösler, interessiert diese Argumentation den Studierenden an einer kleinen Uni, die nicht von der Exzellenzuniversität profitiert?
Hösler: Die Exzellenzinitiative bzw. -strategie ändert ja nichts an der Grundfinanzierung. Herr Müller-Steinhagen hat ja den Vergleich mit anderen Ländern schon angesprochen: Wir müssten die Löcher in der Grundfinanzierung stärker artikulieren. Klar sind mit dem letzten sächsischen Doppelhaushalt die Ausgaben im Wissenschaftsbereich gestiegen, aber nicht genug. Seit 1990 wird immer wieder gekürzt. Bei aller Freude über die Exzellenzstrategie sollte man die eigentlichen Probleme nicht außen vor lassen.
Der Präsident der Uni Hamburg, Prof. Dieter Lenzen, sagt: „Ohne Wettbewerbe wie die Exzellenzinitiative könnten deutsche Unis gar nicht mehr auf hohem Niveau lehren und forschen.“ Würden Sie das unterschreiben, Herr Müller-Steinhagen?
Müller-Steinhagen: Wie gesagt: Grundfinanzierung und Exzellenzinitiative sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Die 500 Millionen Euro aus der Exzellenzinitiative machen nur einen Prozent der deutschen Hochschulfinanzierung aus. Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Grundfinanzierung durch die Länder ist vor allem für Lehre, Verwaltung, Infrastruktur, Qualifikationsstellen usw. gedacht. Gelder für die Forschung können darüber hinaus von vielfältigen Organisationen für konkrete Projekte im Wettbewerb eingeworben werden. Das ist aber an jeder Uni der Welt so. Im Hinblick auf einen sparsamen Einsatz von Ressourcen können Sie nicht erwarten, dass die TUD jährlich einfach so 250 Millionen Euro Forschungsförderung erhält, die sie irgendwie ausgibt.
Nun gibt es die Kritik, dass weniger prestigeträchtige und drittmittelstarke Fächer oder Forschungsansätze benachteiligt werden. Tatsächlich stammt der überwiegende Teil der Cluster, die zum Vollantrag zugelassen wurden, aus den Bereichen Natur- und Lebenswissenschaften.
Müller-Steinhagen: In der letzten Runde der Exzellenzinitiative waren die Geisteswissenschaften bei den Clustern prozentual gleich vertreten. Auch bei den Clusterskizzen für diese Runde war das der Fall. Nur bei den erfolgreichen Skizzen hat es sich jetzt etwas verschoben, da haben die Naturwissenschaften tatsächlich dazugewonnen. Dabei wurden die einzelnen Skizzen und Anträge von der jeweiligen Fachcommunity bewertet – ob die Geisteswissenschaftler kritischer waren oder die Skizzen schlechter, das kann ich nicht beurteilen.
Hösler: Ich denke aber, das hat auch mit dem Zeitgeist zu tun. Auch bei den Geistes- und Sozialwissenschaften soll Forschung immer irgendwie messbar und quantifizierbar sein. Qualitative Forschungsansätze oder jene der Kritischen Theorie haben es bei der Exzellenzstrategie schwer. Schließlich haben die schon vom zeitlichen Rahmen her ganz andere Voraussetzungen. Und die Mittel aus der Exzellenzstrategie sind ja befristet.
Müller-Steinhagen: Sieben Jahre sind doch recht lange! Normalerweise bekommt man Förderung über Monate oder vielleicht mal drei Jahre bewilligt, wenn es gut läuft.
Wie ist Ihrem Eindruck nach die Stimmung gegenüber der Exzellenzstrategie bei den Mitgliedern der TU Dresden?
Müller-Steinhagen: Vor sechs Jahren haben wir zu diesem Thema zum ersten Mal eine universitätsweite Umfrage gemacht, unter Mitarbeitern wie Studierenden der TUD. 80 Prozent zeigten sich schon damals der Exzellenzinitiative gegenüber positiv aufgeschlossen. In einer neuen Umfrage in diesem Sommer haben die Teilnehmer uns ebenfalls eine breite Unterstützung für den Ansatz „Synergetische Universität“ zurückgemeldet.
Hösler: Ich denke, für Studierende spielt die Exzellenzinitiative bzw. -strategie keine allzu große Rolle. Es ist womöglich bei der Bewerbung ein Kriterium, das Studieninteressierte gern an eine Exzellenzuniversität wollen. Aber während des Studiums ist das dann eher egal. Wenn man nicht gerade in den Gremien der studentischen Selbstverwaltung sitzt, kommt man ja mit dem Programm kaum in Kontakt. Sie können, denke ich, nicht viel damit anfangen. Wenn man ihnen das darlegen würde, würden die meisten die Exzellenzinitiative bzw. -strategie wohl für eine schöne Sache halten.
Sie haben gerade angesprochen, die Exzellenz ist ein Kriterium bei der Uniwahl – ein gutes Kriterium? Viele halten „Exzellenz“ ja für Etikettenschwindel, wenn es um die Lehre geht.
Hösler: Ich denke, das ist standortabhängig. Generell würde ich die Kritik eher an das Ministerium wenden, da müssen mehr Anreize für gute Lehre gesetzt werden. Es gibt zwar beispielsweise schon das Hochschuldidaktische Zentrum Sachsen, aber diese Angebote werden von den Lehrenden noch zu wenig genutzt.
Müller-Steinhagen: Da möchte ich Sie korrigieren, an der TU Dresden müssen alle neu Berufenen in den ersten drei Jahren Didaktikmodule ablegen. Personalentwicklung, Qualitätsmanagement in Lehre, Forschung und Verwaltung – das alles sind übrigens auch Maßnahmen, die wir im Rahmen des Zukunftskonzeptes ausgebaut haben.
Also profitiert dank des Zukunftskonzeptes am Ende doch die ganze Uni von der Exzellenzinitiative?
Müller-Steinhagen: Man muss klar sagen: Die Exzellenzinitiative bzw. -strategie wurde etabliert, um die Wissenschaft zu stärken und sichtbarer zu machen. Aber natürlich profitiert dann die gesamte Uni. Wir haben beispielsweise ein beschleunigtes Bauprogramm zugesprochen bekommen und wurden von den Stellenkürzungen des Freistaats ausgenommen. Das hat 90 Stellen erhalten, die eigentlich gestrichen werden sollten. Die Exzellenzinitiative ist das Beste, was dem deutschen Hochschulsystem in den letzten 50 Jahren passiert ist. Sie hat enorm positive Entwicklungen angestoßen – und zwar an allen Universitäten, nicht nur an den erfolgreichen.
Teilen Sie diesen Eindruck, Herr Hösler?
Hösler: Nein, das würde ich nicht so sagen. Denn wer exzellente Forschung haben will, der muss auch „exzellente“ Voraussetzungen dafür schaffen und nicht nur jene, die – sicher zurecht – schon oben sind, fördern. Sondern eben auch den Mittelbau oder die größte Mitgliedergruppe, die Studierenden. Da muss man auch die Bundespolitik kritisieren. Beispielsweise wurde jetzt zum ersten Mal seit sechs Jahren das BAföG erhöht, aber auf den BAföG-Bericht warten wir immer noch. Es geht nicht darum, weniger in die Forschung zu investieren – sondern mehr in die Lehre. Generell müsste man sich Gedanken machen über die Zukunft des deutschen Hochschulsystems. Den Zeitgeist von Konkurrenzdenken, Verwertbarkeit und Selbstdarstellung finde ich schwierig.
Apropos Zukunft: Wird die TUD ab dem Sommer 2019 den Titel „Exzellenzuniversität“ tragen?
Müller-Steinhagen: (Zögert kurz) Ja. Ganz gleich welche Kennwerte sie nehmen: Die TUD hat sich in den letzten 25 Jahren sensationell entwickelt, egal ob man die Studierendenzahlen, Publikationen, Drittmittel, Rankings, die gesamten Strukturen und Gebäude an der Uni betrachtet. Und wir haben ein tolles, einzigartiges Profil entwickelt: Einerseits die sehr sichtbaren Forschungsschwerpunkte in Mikro-/Nanoelektronik, Materialwissenschaften und Biomedizin, anderseits sind wir in der Breite stark und interdisziplinär aufgestellt. Ich denke da zum Beispiel an das Zentrum für Integrationsstudien oder die vielen Sonderforschungsbereiche wie den aktuell bewilligten im Bereich der Geisteswissenschaften zur Invektivität.
Um den Kreis zur ersten Frage zu schließen: Ist die Stimmung dann bei Ihnen auch gut, Herr Hösler?
Hösler: Im Endeffekt kommt die Exzellenzstrategie und der Status der Exzellenzuniversität ja auch den Studierenden zu Gute und natürlich freue ich mich für die.
Text: Luise Martha Anter
Foto: Amac Garbe
Hinweis: Einige Antworten des Rektors wurden am 6. November aktualisiert.
2 Gedanken zu “Einig in der Exzellenz?”