Campuskolumne

Wem auch immer es noch nicht aufgefallen sein sollte: In genau 18 Tagen ist Bundestagswahl, also am 24. September. Es ist damit die erste Bundestagswahl seit dem 22. September 2013 und die 19. seit 1949. Dadurch, dass diese Wahl normalerweise nur alle vier Jahre stattfindet (außer es finden vorgezogene Wahlen statt), scheint sie mitunter aus dem Gedächtnis der Wahlberechtigten in und außerhalb von Deutschland zu schwinden. Befand sich die Wahlbeteiligung bis in die 1970er-Jahre hinein noch durchgängig in der Region um die 90-Prozent-Marke, ist sie anschließend radikal gesunken und seit Jahren deutlich unterhalb von 80 Prozent. Bei der letzten Bundestagswahl haben sich nur rund 72 Prozent der Wahlberechtigten an die Wahlurnen begeben. Vielleicht ist die seit Langem ziemlich niedrige Wahlbeteiligung aber gerade dadurch zu erklären, dass die Wahlen eher zu häufig stattfinden und die Menschen überfordert sind, einfach nicht mehr hinterherkommen.

Nach eigener Erfahrung breitet sich jedoch vielmehr eine generelle Resignation darüber aus, was denn durch Bundestagswahlen tatsächlich noch erreicht werden kann. Besonders die intensive Diskussion mit einem meiner besten Freunde neulich hat mir die Augen geöffnet. Auch er zweifelte lautstark daran, dass sich durch die neuen Wahlen Dinge wirklich zum Besseren wandeln beziehungsweise dass sie sich überhaupt wandeln. Zwar wird er seine Stimmen nicht verfallen lassen und trotzdem wählen gehen, aber das jemand, der mir so nahesteht, ernsthaft darüber nachdenkt, ob sich Bundestagswahlen überhaupt lohnen, hat mich nachhaltig alarmiert. Natürlich bin ich selbst nicht so blauäugig zu glauben, dass die Wahlen zum Bundestag alleine die Probleme in unserer Gesellschaft lösen können. Dazu passieren viel zu viele wichtige Dinge auf der staatlichen bzw. regionalen politischen Ebene und zwei Kreuze auf einem Stück Papier alle vier Jahre werden die Welt nicht verändern.

Allerdings ist die parlamentarische Demokratie zu wichtig, um in ihr die Hauptursache zu suchen, weder für eine scheinbar steigende Politikverdrossenheit im Land noch die allgemein geringe Wahlbeteiligung. Im Gegenteil, sie ist nach wie vor ein entscheidender gesellschaftlicher Baustein, gerade in einer stark einzelstaatlich geprägten Republik wie es Deutschland im Moment ist. Selbstverständlich existieren noch direktere demokratische gesellschaftliche Modelle, wie man sie beispielsweise in der Schweiz beobachten kann. Aber die sind auch nicht aus dem Nichts entstanden und würden sich ihrer Natur nach noch viel weniger mit Wahlfaulheit und einer grundlegenden Ablehnungshaltung gegenüber Politik vertragen. Und weniger demokratische Gesellschaftsformen nehmen in Deutschland der Erfahrung nach wirklich hässliche Züge an.

Wer also Zweifel darüber hegt, ob die Politik bzw. das politische System die richtige Richtung eingeschlagen hat, sollte deshalb diese Bundestagswahl als einen Indikator dafür nehmen, ob die eigenen Interessen überhaupt noch durch Parteien vertreten werden bzw. bei der Wahl zur Diskussion stehen. Die beste Unterstützung für derartig grundlegende Fragen zur anstehenden Bundestagswahl ist nach wie vor der Wahl-O-Mat, welcher durch die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zur Verfügung gestellt wird. Hier hat jeder mit Internetanschluss die Möglichkeit, sich durch 38 zentrale Standpunkte zu klicken, welche in den verschiedenen Wahlprogrammen vertreten werden, und die eigene Haltung anschließend mit den Positionen von bis zu acht Parteien vergleichen. Zwar erhält man dadurch keinen gesamtheitlichen Eindruck über alle Fragestellungen und politischen Positionen der Bundestagswahl 2017, aber die Wahrscheinlichkeit, dass eigene Interessen angesprochen werden, ist bei der Fülle der Fragen groß. Darüber hinaus sollten sich unter den sage und schreibe 42 verschiedenen Parteien, welche Abgeordnete zur Wahl stellen, für nahezu alle Weltsichten Interessenvertretungen finden lassen. Bei der Orientierung helfen dann auch die kurzen Einführungstexte, welche die bpb zu jeder Partei zusammengestellt hat.

Nach dieser generellen Sondierung kann sich dann eine gründlichere Recherche anschließen, beispielsweise durch einen Blick in die tatsächlichen Wahlprogramme der Parteien, welche der Wahl-O-Mat einem als den eigenen Interessen entsprechend ausgeworfen hat. Idealerweise sollte man auch die anderen Wahlprogramme nicht außer Acht lassen, gerade auch die, welche eher nicht der eigenen Haltung entsprechen, aber allein aus Zeitgründen ist die hier vorgeschlagene Vorgangsweise ein guter Anfang. Im Bezug auf die Programme der größten Parteien bietet auch der Deutschlandfunk interessante Podcasts, welche einen ersten Eindruck und Überblick über die Interessengebiete vermitteln. Zusätzlich sind auf der Internetseite des Radiosenders noch eine Vielzahl weiterer Beiträge rund um die Bundestagswahl 2017 abrufbar. All diese Angebote sind jedoch nur Beispiele für eine erste Annäherung an das Thema und dienen dann auch nur als unterstützende Plattformen. Die eigentliche Auseinandersetzung mit den zur Debatte stehenden Positionen und Überzeugungen muss anschließend in jedem selbst stattfinden, ebenso wie die Entscheidung zu wählen eine bewusste sein muss. Deshalb auch an dieser Stelle noch einmal der klare Aufruf an alle Wahlberechtigten: Gebt am 24. September Eure Stimme ab, denn es steht viel mehr zur Debatte als nur die Frage, wer denn für die kommenden Jahre Kanzler*In sein wird.

Text: Carl Lehmann

Foto: Amac Garbe

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