Literaturtipp des Monats: Die Alleinseglerin

Ein Boot, das für Freiheit und Loslassen steht. Eine alleinerziehende Frau, die für ihren Ehrgeiz von Männern belächelt wird. „Die Alleinseglerin“ ist nicht nur eine DDR-Geschichte, es ist ein Buch über die Emanzipation der Frau. Christine Wolters Roman erschien erstmals 1982 und wurde 40 Jahre später in der HarperCollins Verlagsgruppe neu herausgegeben.

Vom Befreien zum Festhalten

Dort in Mailand, wo sie gerade ist, regnet es im Februar. Die Erinnerungen an Ost-Berlin kommen immer wieder in Almuts Kopf hoch — Gedanken an den Drachen, das Boot ihres Vaters. Almuts Fokus entfernt sich vom Literaturstudium und bleibt am Drachen hängen. Sie denkt viel an damals. Ihre Eltern trennten sich früh und ihr Vater war meist am See beim Drachen. Sie war 20 Jahre alt, als er ihr das Boot zum ersten Mal näher zeigte. Statt die Freiheit zu spüren, steht Almut nach dem Kauf des Drachen vor einer Herausforderung.

Almut hätte niemals gedacht, dass sie ihr Herz an etwas verschenken wird, das alt und brüchig ist. Ihr Vater sollte Recht behalten, aber das Boot kostet sie jedes Mal 100 Mark für die Instandhaltung. Als alleinerziehende Mutter ohne Geld hat sie nun ein viel größeres Sorgenkind und wird von den Männern am See belächelt und nicht ernst genommen. Die meisten raten ihr, das Boot zu verkaufen. Doch keiner geht bei ihrem Preis für den Drachen mit. Almut beginnt sich zu fragen, wo all die schönen Momente bleiben. Die Stunden, in denen man die Sonne auf der Haut spürt, beim Segeln die Natur genießt und nach einem Tag auf See mit Freunden am Ufer sitzt und schwätzt. Stattdessen wird ihr das eigene Leben fremd. „Ich mußte den Drachen erhalten, um mich davon zu befreien.“

Es ist schon fast absurd, dass sie sich über sein Boot dem Vater annähert, er das aber nicht miterlebt. Sie weiß nun, wie viel Arbeit so ein Boot bedeutet. Aber keiner am See interessiert sich für die Vergangenheit. Es zählen neue Werte: Plastik ist das neue Holz und ein Segel hat aus Nylon zu sein. Doch manches bleibt unter den Werftmännern wie auch an der Universität Almut gegenüber gleich: „Vorsicht vor der modischen Emanzen-Attitüde!“

 Über das Gefangensein im eigenen Leben

 „Die Alleinseglerin“ ist ein stilles Buch und ein schöner Begleiter, wenn man in ein anderes Leben eintauchen möchte. Beim Lesen begleitet man die Protagonistin, lernt kaum eine andere Person näher kennen. Man spürt Almuts Angst, ohne helfen zu können. Viele offene Fragen bleiben ungelöst, doch das tut dem Buch keinen Abbruch. Vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund könnte man Almut Heimweh unterstellen, dass sie die DDR vermisst und das legale Auswandern nach Italien bereut. Aber was gab es in Brandenburg für sie zu holen? Nichts außer Ärger und vererbte Altlasten.

Was bleibt, ist eine Geschichte über die Sehnsucht und das Gefangensein im eigenen Leben.

Text: Alexandra Caspar

Foto: Amac Garbe

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