Es versprühte wieder richtiges Festivalfeeling, das diesjährige 34. Filmfest Dresden, das nun doch schon wieder sechs Wochen zurückliegt. Ausverkaufte Kinosäle, lange Partynächte, schillernde Gäste bleiben hängen. Aber auch Filme, die sich nicht nur in den Schwerpunktprogrammen der Geschlechtervielfalt und -gerechtigkeit widmeten.
So etwa der Kurzfilm „Nicht die brasilianischen Homosexuellen sind pervers, sondern die Situation, in der sie leben“ von Eduardo Mamede, Leandro Goddinho und Paulo Menezes. Die 12-minütige, brasilianisch-deutsche Koproduktion lief im Internationalen Wettbewerb und konnte letztlich zwei Preise abräumen: den Dresdner Kurzfilmpreis des Verbandes der deutschen Filmkritik sowie den LUCA-Filmpreis für Geschlechtergerechtigkeit. Dabei besticht der Film durch seine Einfachheit, schließlich sei er auch nur mit dem Smartphone gedreht worden und hätte vielleicht zehn Euro Produktionskosten „verschlungen“. Für die LUCA-Jury Grund genug, den Film auszuwählen. Zeigt er doch, „dass queeres Filmemachen seinen Ursprung im Dilettantismus der Subkultur hat“ – zu sehen sind zwei queere People of Color, die nackt in einem Berliner See baden und dabei „über Liebe, Sex, Kolonialismus und Migration sprechen“.
Identitäten entdecken
Man könnte meinen, der Film verweise damit auch auf das zweite Schwerpunktprogramm „Move Your Body, See Your Body, Protect Your Body!“ von Kareem Baholzer, das sich mit der Ballroom Culture und dem Voguing befasste. Beides subkulturelle Strömungen der LGBTQIA*-Szene in der afro- und lateinamerikanischen Kultur in New York ab den 60/70er Jahren, wobei der Community-Gedanke im Vordergrund steht, aber auch seine geschlechtliche Identität zu entdecken und vor allem auszuleben.
Um Geschlechtergerechtigkeit auf andere Weise geht es auch in „First Work, Then Play“ von Brenda Lien, die den mit 20.000 Euro dotierten Sächsischen Filmförderpreis gewinnen konnte. Ihre Hauptfigur kämpft nicht nur mit der nahenden Deadline für ihr neues Album, sondern auch mit dem Druck der Gesellschaft und jenem, den sie sich selbst macht. Perfekt müssen wir sein – oder eben nicht. Lien zeichnet übrigens auch für den diesjährigen Festivaltrailer verantwortlich.
Sonderprogramm Ukraine
Aber auch Krisen, Konflikte und Kriege spiegelten sich im Programm und den Filmen wider. Nicht nur, dass kurzerhand ein Programm mit ukrainischen Filmen ins Festival aufgenommen wurde sowie ein Kinder-Animationsprogramm beim Open Air, sondern auch in den Wettbewerben war die politische Weltlage ablesbar. So bekam Pavel Mozhar den Goldenen Reiter Kurzfilm im Nationalen Wettbewerb für seinen Film „Handbuch“. Die deutsch-belarussische Koproduktion demonstriert wie in einem Handbuch anhand der Schilderung von Opfern Misshandlungen und Foltermethoden des Regimes in Belarus.
Es geht bei den Festivals also nicht nur darum, sich auszutauschen, Filme zu schauen und zu feiern. Sie öffnen vielmehr die Türen in die Welt und zeigen Themen auf, die vor der eigenen Haustür mitunter nur marginal zu finden sind.
Wer während des Festivals verhindert war oder in einem anderen Programm „feststeckte“, kann Teile des Rahmenprogramms übrigens auf dem YouTube-Kanal des Festivals nachschauen.
Text: Nadine Faust
Fotos: Amac Garbe