Man weiß nie, wann man im Leben das letzte Mal durch eine bestimmte Tür geht. Es gibt Türen, die fallen ganz plötzlich hinter einem zu, erfasst von einer kräftigen Böe. Vielleicht hört man gerade noch ein lautes Quietschen, ein kräftiges Ächzen, ein letztes Aufbegehren, bevor sie krachend ins Schloss fallen. In diesem Moment weicht die vorherige Anspannung der vollkommenen Stille.
Manches Mal aber schließen sich Türen auch fast unbemerkt. Ein schleichender Prozess, den man nicht wahrnimmt, weil man – die Tür im Rücken – auf andere Dinge fokussiert ist. Die Tür vielleicht auch zeitweise vergisst, weil sie aus dem Sichtfeld gerät, oder gar glaubt, sie würde sich nie verschließen, und sich deswegen in trügerischer Sicherheit wägt. Immer wieder setzt man einen Fuß über ihre Schwelle, wirft einen Blick auf das Dahinter, das eine Mal flüchtig, das andere Mal auch ein wenig länger. Doch irgendwann ist sie plötzlich verschlossen. Auch eine Tür verändert sich im Laufe der Zeit – Wetterumschwünge, Jahreszeiten, das fortschreitende Alter machen sich irgendwann bemerkbar. Was als ein leichtes Haken beim Herunterdrücken der Klinke beginnt, wächst sich zu etwas Größerem aus. Ärger mischt sich dann zuweilen unter Enttäuschung, Traurigkeit, Verzweiflung. Und irgendwann erkennt man, dass das eigentliche Problem gar nicht die Tür ist.
(Durch-)Gehen oder stehen bleiben?
Das eigentliche Problem ist die Vielzahl an Türen. Man muss sich entscheiden, denn man kann im Leben nicht durch jede Tür gehen. An vielen wird man nur vorbeigehen. Vielleicht erhascht man auch einen Blick dahinter, wenn sie einen Spalt breit offenstehen, aber letztlich muss man doch eine Wahl treffen. Dabei kann man nie durch zwei Türen gleichzeitig gehen. Und nie kann man sich sicher sein, was einen erwartet. Das Äußere kann täuschen, vielleicht ist es am Ende die kleinste Tür, die einen wie Alice ins Wunderland führt.
Letztendlich braucht es Mut, Türen zu öffnen. Angst vor der falschen Entscheidung führt zu Stillstand. Und wartet man zu lang, kann es passieren, dass man keine Wahl mehr hat. Während man noch darüber nachdenkt, durch eine Tür zu gehen, kann sie sich schon verschließen. Doch was dann bleibt, ist der Gedanke, dass sich irgendwo eine andere Tür öffnen wird. Und auch eine verschlossene Tür muss es nicht auf ewig bleiben. Vielleicht merkt man irgendwann, dass einfach nur die Kraft fehlte, sie zu öffnen, oder dass sie zeitweise blockiert war.
Text: Marie-Luise Unteutsch
Foto: Amac Garbe