Filmtipp des Monats I: The Report

„The Report“ folgt der Entstehung des Untersuchungsberichts zu den CIA-Foltermethoden nach 9/11.

Man kann der Politik in den USA ganz sicher jede Menge Vorwürfe machen, erst recht, wenn man ihr Agieren außerhalb der eigenen Landesgrenzen betrachtet. Putschversuche gegen fremde Regierungen, Kriege für Öl, gescheiterte Geheimdienstoperationen, Internierungslager, Folter oder Drohnenangriffe – so manche Entscheidung oder ihre Umsetzung sind moralisch äußerst fragwürdig. Doch allein, dass man von all diesen Verfehlungen weiß, zeigt doch auch, dass das gut austarierte politische System aus „Checks and Balances“ zwischen den verschiedenen Instanzen in Legislative, Exekutive und Judikative einigermaßen funktioniert: Verfehlungen kommen ans Licht, und wenn sie auch nicht immer strafrechtlich verfolgt werden, so kann man doch zumindest hoffen, dass sie zumindest in Zukunft etwas unwahrscheinlicher werden. Die Aufarbeitung obliegt zumeist Medien und Kunst – und Hollywood mischt hier kräftig mit: Spielfilme wie der in diesem Jahr vielfach oscarnominierte „Vice – der zweite Mann“ oder in der jüngeren und älteren Vergangenheit Kassenschlager wie „Nixon“, „Bowling for Columbine“, „JFK – Tatort Dallas“ oder „Die Unbestechlichen“ holen Staatsaffären und politische Diskussionen auf die Kinoleinwand und tragen so das Potenzial in sich, Verwerfungen im System auch für ein Publikum, das über die gut informierten Leser der Leitmedien hinausgeht, aufzubereiten.

In eine ähnliche Richtung geht „The Report“, der am 7. November seinen Kinostart in Deutschland erlebt. Drehbuchautor, Regisseur und Produzent Scott Z. Burns darf mit Werken wie „Das Bourne Ultimatum“, „Side Effects“ oder „Eine unbequeme Wahrheit“ als Spezialist für auch mal schwierige politische und geheimdienstliche Themen gelten. „The Report“ beschäftigt sich mit der Entstehung des Feinstein-Reports, dem Untersuchungsbericht des US-Senats zum Internierungs- und Verhörprogramm der CIA nach den Terroranschlägen des 11. September 2001: Dem Geheimdienst war von politischer Ebene große Freiheit eingeräumt worden, was den Umgang mit Terrorverdächtigen betraf, um an die Hintermänner der vergangenen Anschläge zu kommen und künftige zu vermeiden. Der Geheimdienst griff auf Methoden zurück, die nicht nur den Boden der Moral, sondern auch der Gesetze und internationaler Vereinbarungen über den Umgang mit Gefangenen verließ: Ob Schlafentzug, permanente Beschallung, physische Gewalt, Erniedrigungen oder Folter mittels Waterboarding – alles lief unter dem Motto: „Erlaubt ist, was Erfolge bringt.“

Doch der Senat und namentlich Dianne Feinstein, Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, sah das anders: Sie leitete Untersuchungen ein, die ihr Mitarbeiter Daniel J. Jones leitete. Diesem Dan, von Adam Driver dargestellt, folgt nun „The Report“ über mehrere Jahre. Dan ist ein Aktenfresser, fünf Millionen interne CIA-Dokumente werden er und sein Team nach mehr als fünf Jahren Arbeit gesichtet, die Be- und Misshandlung von an die 120 gefangenen Terrorverdächtigen untersucht haben. Er hinterfragt nicht nur die verwendeten Methoden, sondern auch das ausführende Personal – ein Psychologenteam, das niemals zuvor irgendwelche Verhöre durchgeführt hatte. Vor allem aber untersucht er, ob das Folterprogramm durch irgendeine Art von Erfolg legitimiert sein könnte – und stellt fest, dass alle erdenklichen Hinweise und Ansätze nicht aus den unmenschlichen Maßnahmen rührten, sondern auf herkömmliche Weise ermittelt wurden. Diese Inhalte des Abschlussreports sind die eine Seite des Films, die in zahlreichen Rückblenden vorgeführt werden, teils mit expliziten Bebilderungen der Foltermaßnahmen.

Die andere Seite schildert den Kampf darum, dass die gefundene Wahrheit auch das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Anfangs von einer breiten Mehrheit im Senatsausschuss getragen, schmilzt das Untersuchungsteam immer mehr zusammen, bis Dan irgendwann fast als Einzelkämpfer dasteht. Doch nicht nur im Senat verliert er Rückendeckung – auch die Regierung versagt Unterstützung: Der Demokrat Obama will sich als überparteilicher Präsident präsentieren, da sind Angriffe auf die republikanische Vorgängerregierung schlecht fürs Image. Als die CIA ihm mit Osama bin Laden den Kopf des 9/11-Hauptverantwortlichen liefert, scheinen auch Angriffe auf den Geheimdienst unangebracht. Dans Verhältnis zur Vorgesetzten Feinstein wird immer schwieriger. „Sie sollten sich überlegen, für wen sie arbeiten: für mich oder den Report“, erklärt sie ihm. Immer wieder steht die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse infrage – sollte Dan vielleicht zum Edward Snowden werden und den Bericht der Presse zuspielen?

Vor allem aus dieser politischen Handlungsebene bezieht „The Report“ seine Spannung (auch wenn man wegen der Realität der Ereignisse das Ergebnis vorab kennt) und kann seiner Klassifizierung als Thriller in Ansätzen gerecht werden. Denn actionreiche Thrillerelemente wie wilde Verfolgungsjagden oder High-Noon-Situationen sollte man lieber nicht erwarten. Stattdessen ist „The Report“ ein beinahe statischer Film: Die Bilder sind mit einem Sepia-Filter überzogen, die Räume eng und lang und neonbeleuchtet, die Dialoge detailverliebt, das politische System verwoben bis zur Unsichtbarkeit einzelner Verantwortlichkeiten. Dan ist ein fleißiger Arbeiter mit moralischem Anspruch (sicher oscarnominierungsreif in der Anlage der Figur ebenso wie in Drivers Darstellung) – und beinahe ebensolche Voraussetzungen braucht es wohl, um dem Film zu folgen: die Bereitschaft, sich für zwei Stunden hineinziehen zu lassen in die Welt von „Checks and Balances“. Denn wer hier nicht konzentriert bleibt, ist bei diesem fast dokumentarisch anmutenden Film raus.

Text: Volker Tzschucke

Foto: Atsushi Nishijima

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