Campuskolumne

Wäre ich heute ein paar Jahre jünger, dann würde ich mich an Freitagen den SchülerInnen bei Fridays For Future anschließen. Die junge Schwedin Greta Thunberg nahm ihren Mut zusammen und verfolgt mit Worten und Taten genau das, was sie bewegt. Sie spricht öffentlich in Medien und auf der Straße über das Klima, dessen Schutz und Wandel. Damit möchte sie ein Bewusstsein schaffen. Ich glaube, das hat sie erreicht – weltweit. Während ich mir ihr Buch „Szenen aus dem Herzen“ im Regal einer Buchhandlung mit großen Augen anschaute, fiel mir ein weiteres mit fetter, roter Schrift auf, welches im Regal der Bestseller vor mir stand. Mit dem Titel „Deutschland verdummt“ ist das Buch von Michael Winterhoff ein echter Hingucker. Meine Neugierde brachte mich dazu hineinzulesen. Schnell wurde mir klar, welche Meinung der Kinder- und Jugendpsychiater vertritt. Unser Bildungssystem sei Mangelware und die SchülerInnen bräuchten dem Buch nach mehr Dressur, Autoritäten und Frontalunterricht. In meinem Kopf stellte ich mir einen Lehrer mit Stirnfalten und Stock in der Hand vor. Angst sowie Fragezeichen wurden in mir ausgelöst. Ich bezweifle stark, dass es jungen Menschen vor allem in der Schule guttun würde, wenn pädagogische Maßnahmen aus der Vergangenheit aufgefrischt werden. Winterhoff ist der Überzeugung, dass sie zu viel Entscheidungsfreiheit haben und, wie der Titel des Buches es sagt: Sie verdummen und bräuchten mehr Gehorsamkeit.

Ich frage mich, ob diese Art und Weise nicht vielmehr einschüchternd wäre. SchülerInnen, die bei Fridays For Future mitwirken, verdienen Respekt und Gehör. So schlau, offen und mutig war ich in dem Alter auf jeden Fall nicht und aus diesem Grund würde ich nicht sagen, dass dieses Land hinsichtlich der jüngeren und kommenden Generationen verdummt. Allgemein, alle Kinder und Jugendlichen in eine Schublade zu stecken erweckt Pessimismus. Zudem vergleicht der Autor 18-Jährige auf sozialer und emotionaler Ebene mit Kleinkindern, unter anderem wegen der Benutzung von Computern. Auch hier hakt mein Kopf ein, abgesehen von dem übertriebenen Vergleich, da zum Beispiel Computerspiele das logische Denken, die Kreativität und auch das Verständnis der englischen Sprache schulen können. Erneut frage ich mich, ob Herr Winterhoff differenzieren kann oder gar keine Hoffnung in den Kindern sieht.

Greta Thunberg bringt trotz des negativen Anlasses des Klimawandels Hoffnung. Sie stützt sich auf die Wissenschaft und vertraut auf die jungen Menschen, die sich engagieren und mit Demonstrationen zeigen möchten, dass es wichtig ist, umweltfreundlich auf die Zukunft zu blicken. Es geht um Nachhaltigkeit und den direkten Ausdruck dessen, was auf dem Planeten Erde passiert und passieren wird. Viel weniger geht es um einen erhobenen Zeigefinger, der ohne Lösungsvorschlag und ohne Empathie respektlos auf Übeltäter zeigt und auf ihnen herumtrampelt.

Meinungen gehen bei dem Thema Jugend und Zukunft auseinander, aber ich finde es wichtig, sich auch jene anzuhören, die nicht der eigenen gleichen. Damit kann man sich selbst weiterbilden, weiterentwickeln und den eigenen Standpunkt ausbauen.

Ich würde Greta zum Beispiel gern fragen, ob wir tatsächlich verdummen.

Text: Anne Pollenleben

Foto: Amac Garbe

Ein Gedanke zu “Campuskolumne

  1. Herr Winterhoff ist scheinbar der Meinung der “Ewig Gestrigen”, die Jugend kann man dann so stark lenken, das ein Widerspruch kaum noch entsteht!
    Die jungen Menschen haben in der Vergangenheit vorallem die positive Entwicklung geprägt. Denkt offen, quer, entschlossen und formuliert eure Gedanken. Setzt euch mit allen auseinander, auch mit einem Herrn Winterhoff .

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