Bildung für Afrika? Das kostet! Wer wie Ezekiel „Ezé“ Wendtoin Nikiema aus Ouagadougou in Burkina Faso kommt und bei uns studieren will, um später in seinem Land etwas zu bewegen, muss zunächst 8.000 Euro auftreiben, vom Papierkram mal abgesehen. Ezé hat es irgendwie geschafft. In Dresden singt er unter anderem deutsche Schlager, spielt bei der BANDA INTERNATIONALE, macht seinen Master in Germanistik und will danach zu Hause eine Schule gründen.
Wie hat es Dich nach Dresden verschlagen?
Ich war 2013 das erste Mal hier. Ich hatte eine Tour in Frankreich mit einem anderen Musiker aus Burkina Faso, das war mein erstes Mal in Europa. Der Verein Afropa (aus Dresden – Anm. d. Red.) hatte uns eine Einladung geschickt, damit wir ein Schengen-Visum bekommen. Nach den Auftritten in Frankreich sind wir deshalb weiter nach Dresden gefahren, wo wir dann bei der BRN gespielt haben. Danach bin ich 2014 zurückgekommen, weil mir Leute aus dem Umfeld von Afropa vorgeschlagen hatten, mich zu unterstützen. Da habe ich gesagt: Ich werde dieses Angebot nutzen und versuchen, hier weiter zu studieren.
Nachdem Du schon zu Hause in Burkina Faso Germanistik studiert hast, machst Du nun seit 2016 Deinen Master in Dresden. Eigentlich wolltest Du doch schon eher anfangen. Was war das Problem?
Man muss alle möglichen Bedingungen erfüllen. Die Zulassung an der Uni hatte ich gekriegt, aber kein Visum in Burkina Faso. In Ouagadougou meinten sie bei der deutschen Botschaft, das dauert mindestens drei Monate, wenn es überhaupt klappt. Ich hatte damals ein gültiges Künstlervisum und habe denen gesagt, dass ich erst mal mit dem Studium anfangen würde, und sie könnten mir das Visum dann schicken, wenn es fertig ist. Die meinten: „Okay.“ Dann bin ich also im Herbst 2015 eingereist und hier hat mir dann die Ausländerbehörde gesagt, dass das so überhaupt nicht geht und dass ich zurückfliegen muss, um ein Visum zu kriegen. Im Frühjahr 2016 hatte ich dann endlich das Visum. Da war es natürlich zu spät und ich musste noch bis Oktober 2016 warten, bis ich das Studium anfangen konnte.
Was sind eigentlich die Voraussetzungen für so ein Visum? Wenn man einen Studienplatz hier hat, bekommt man dann automatisch das Visum?
Überhaupt nicht. (lacht) Wenn man die Zulassung hat, fängt der Stress erst richtig an. Das ist die Hölle. Man muss zum Beispiel, neben dem Papierkram, ein Konto mit mindestens 8.000 Euro Guthaben nachweisen, von dem man leben kann.
Wenn man selbst oder die Familie das Geld nicht auftreiben kann, dann hat man also Pech gehabt?
Dann kannst du das vergessen.
Deutsch konntest Du ja schon vorher. Wie bist Du darauf gekommen, in Ouagadougou ausgerechnet diese Sprache zu lernen?
Ich hatte in der Schulzeit einen Kumpel, aber wir waren an verschiedenen Schulen. Der hat an seiner damals schon vor der mittleren Reife Deutsch gelernt. Das hat mich beeindruckt und ich habe von ihm schon ein paar Wörter gelernt. Nach der mittleren Reife konnte ich dann auch Deutsch wählen. Bei Veranstaltungen in der Schule habe ich immer mindestens ein Lied auf Deutsch gesungen und nach einem Jahr mit einer Kommilitonin einen Deutschklub gegründet. Nach der Schule habe ich mit der Sprache weitergemacht und mir gedacht, irgendwas wird sich da schon ergeben. Auf Jura oder so was hatte ich keine Lust. Die Studienbedingungen dort waren auch wirklich schlecht und der Studiengang total überfüllt. Ich wollte andere Kulturen kennenlernen und Menschen treffen und mit ihnen diskutieren, das war mir super wichtig. Und natürlich ist man bei uns als Junge heiß drauf, mal nach Europa zu kommen.
Aber Jura ist doch was Reelles und man verdient viel Geld!
Genau, man sieht das Ende – aber nicht den Weg. Das mit dem Geld stimmt, aber stimmt auch nicht. Deutsch ist schon eine Basis, damit kann man immerhin Deutschlehrer werden in den Schulen vor Ort. Aber viele wollen natürlich trotzdem nicht Lehrer sein, weil es nicht viel Geld gibt. Doch man kann sich damit schon Möglichkeiten schaffen – zum Beispiel Privatstunden geben oder Übersetzungen machen, ich habe in Ouaga auch Deutsche als Dolmetscher begleitet.
Dein Studium geht jetzt noch ein halbes Jahr?
Ja, ein Semester habe ich noch. Ich war in diesem Semester im Ausland, damit ich anschließend meine Masterarbeit darüber schreiben kann. In meiner Arbeit will ich Musik und Deutsch als Fremdsprache verbinden. Wie kann man mit den Medien heute, mit Musik, Videos, Liedern und Texten das Fremdsprachenlernen unterstützen – darum geht es. Gerade in Burkina Faso muss man den Fremdsprachenunterricht erneuern, es braucht da eine Art Revolution, damit die Schüler mehr Spaß beim Lernen haben. Damit sie ohne Druck lernen.
Was willst Du nach dem Studium machen?
Ich werde unbedingt mein nächstes Album herausbringen, das ist alles ein bisschen liegen geblieben. Ich werde also erst mal meine musikalischen Sachen vorantreiben. Und dann gibt es zwei Optionen. Ich überlege, meine Promotion zu machen. Wenn das nicht klappt, werde ich mich weiter der Musik widmen und an meinem Schulprojekt in Burkina arbeiten, damit es auf die Beine kommt. Die Idee ist, dass Kinder dort lesen und schreiben lernen und dazu einen Handwerksberuf. Ich möchte, dass auch die Kunst einen wichtigen Platz in diesem Zentrum bekommt. Ich habe vor Ort schon einen Verein* gegründet und wir wollen dieses ziemlich große Projekt Realität werden lassen.
Aber Ihr braucht sicher jemanden, der das bezahlt …
Unbedingt! Immerhin haben wir schon das Grundstück für die Schule kaufen können und einen Brunnen angelegt. Nun müssen wir sehen, wie wir an weitere Gelder kommen.
Noch mal zurück zur Musik: Du hast bei der BRN ein Programm mit deutschen Schlagern zum Besten gegeben. Warum gerade diese nicht ganz unumstrittene Musikrichtung?
Ich habe viel durch deutsche Lieder gelernt, ich wusste nicht, dass man die Schlager nennt. (lacht) Ich habe zu Hause viel Rap-Musik gehört, Stücke von SIDO, BUSHIDO und so weiter, dadurch konnte ich dann schon ziemlich böse Wörter auf Deutsch. Als ich Ende 2015 hergekommen bin, wurde ich immer von Freunden auf verschiedene Lieder aufmerksam gemacht – und irgendwann hat man mir gesagt: Das ist Schlager! Aber ich habe Spaß dran und versuche, sie auf meine Art wiederzugeben. Dann habe ich auch angefangen, selbst Texte zu schreiben. Bei meinem neuen Album wird es wirklich ganz bunt: Lieder in meiner Muttersprache Mòoré, auf Französisch und Deutsch.
Beeinflusst Dich dabei auch die Arbeit mit der BANDA INTERNATIONALE?
Die BANDA INTERNATIONALE ist ein schönes Abenteuer, bei dem wir unsere jeweilige Heimat auf unsere Art teilen. Es ist schon interessant, mit etwas zu arbeiten, mit dem man sonst nicht unbedingt in Kontakt ist. Bei meinem ersten Album habe ich zum Beispiel keine Blasinstrumente benutzt, aber ich denke mittlerweile, dass das auch funktionieren kann.
Du hast vor einiger Zeit im Internet einen Liebesbrief an Dresden veröffentlicht. Die Liebe wird nicht immer erwidert. Wie äußert sich das?
Es gibt ständig böse Sprüche und man wird immer daran erinnert, welche Hautfarbe man hat und dass man nicht dazugehört. Das ist das Alltagsgefühl. Aber ich will mich davon nicht blockieren lassen. Da mit Wut zu reagieren bringt überhaupt nichts, du bist dann immer der Verlierer. Ich versuche, solchen Sachen mit Liebe zu begegnen. Ich versuche auch, mit meiner Musik diese Dinge zu verarbeiten … und ich lebe immer noch. (lacht ausgiebig)
* Das Schulprojekt „Fondation Warc-en-ciel“ soll innerhalb der nächsten zehn Jahre mit Hilfe des Vereins APECA (Association pour la Promotion de l’Éducation, de la Culture et de l’Artisanat) in Ouagadougou entstehen. Atticus e. V. ist der Kooperationspartnerverein in Dresden und nimmt Spenden für das Schulprojekt entgegen. In der Schule sollen benachteiligte Kinder nicht nur lesen und schreiben kernen, sondern auch mit Kultur und Kunsthandwerk in Berührung kommen. Außerdem soll es dort ein Ausbildungszentrum für Dolmetscher und Übersetzer geben.
Text: André Hennig
Foto: Amac Garbe
5 Gedanken zu “Schlager für Ouagadougou”