Wahlspezial: BAföG für alle

Robert Malorny fühlt sich nah an der Lebenswirklichkeit junger Menschen dran. Der 38-Jährige ist bei der kommenden Bundestagswahl der Direktkandidat der FDP für den Wahlkreis 159 Dresden I. Er will, dass man Behördengänge mit dem Smartphone erledigen kann, und fordert BAföG für alle Studierenden. Im Interview erzählt der Ingenieur, warum die Ehe für alle die einzige Errungenschaft dieser Legislaturperiode ist und wie die FDP es wieder in den Bundestag schaffen will.

Warum wollen Sie in den Bundestag?

Mir ist aufgefallen, dass es Leute gibt, die schon ihr ganzes Leben lang Politik machen. Sie sind in einer Art Blase aus Parlament und Politik gefangen und ihre Lebenswelt unterscheidet sich deutlich von derer der Menschen, die nicht in dieser Politikblase sind. Das muss dringend geändert werden. Wir brauchen eine gesunde Mischung aus Politikprofis und Menschen, die Politik als Ehrenamt verstehen.

Zu letzterer Gruppe zählen Sie sich selbst?

Ja, ich habe Politik bisher immer ehrenamtlich gemacht, nie ein Mandat ausgeübt und war nie in einer Partei angestellt.

Sie sind erst 2014 in die FDP eingetreten. Wie kommt es, dass Sie schon drei Jahre später Direktkandidat für die Bundestagswahl sind?

Ich habe die FDP schon länger unterstützt und fühlte mich dem liberalen Gedankengut sehr nahe. Anfang 2014 bin ich schließlich in die FDP eingetreten, nachdem sie 2013 nicht in den Bundestag gewählt wurde. In dem Moment war es für mich wichtig, Farbe zu bekennen. Wenn ich etwas mache, dann will ich es richtig machen. Also habe ich mich viel engagiert und dann hat mich die Partei als Direktkandidaten aufgestellt.

Wie würden Sie die Lage von jungen Menschen verbessern, wenn Sie in den Bundestag gewählt werden?

Wir haben da verschiedene Ansatzpunkte. Natürlich wollen wir, dass sich junge Menschen wieder für Politik interessieren, und ihnen Gehör schenken. Sie sind ja unsere Zukunft.

Ich denke, jungen Leuten ist das allgemeine Thema Freiheit sehr wichtig. Das klingt etwas abstrakt. Es geht uns dabei um die Freiheit, seinen Lebensweg so zu gestalten, wie man das gern möchte. Nehmen wir das Thema Zeit: Da sollten junge Menschen mehr Freiräume haben. Wir wollen eine Staatsmodernisierung und damit einhergehend die Digitalisierung angehen. Momentan verbringen besonders junge Menschen sehr viel Zeit mit Behördengängen: Wohnung anmelden, Führerschein beantragen, Auto anmelden und so weiter. Man verbringt viele Stunden auf Ämtern und Behörden. Das wollen wir ändern. Da wollen wir die Digitalisierung vorantreiben, sodass man einen Behördengang auch von zu Hause oder unterwegs mit dem Smartphone machen kann.

Wir wollen mehr Geld in Bildung stecken. Der Bund sollte in der Lage sein, Schulen mitzufinanzieren. Wenn wir in die Regierung kommen, wollen wir auf jeden Fall einen großen Betrag in die Schulen stecken – dort vor allem in den Bereich der digitalen Bildung. Heute wird einfach erwartet, dass junge Menschen mit dem Rechner umgehen können.

Ein weiterer Punkt ist elternunabhängiges BAföG. Denn wenn Studierende kein BAföG bekommen, sind sie wiederum von ihren Eltern abhängig. Wir sagen: Wer BAföG in Anspruch nehmen möchte, um etwas unabhängiger zu sein, der soll es auch bekommen.

Wovon machen Sie dann abhängig, wie viel BAföG Studierende bekommen, wenn nicht vom Einkommen der Eltern?

Das müsste man lokal differenzieren. Natürlich sind die Lebenshaltungskosten in München anders als in Dresden. Man könnte sich da zum Beispiel am Mietspiegel orientieren. Denn die Miete ist ja das, was den großen Unterschied macht im studentischen Budget.

Ein Problem junger Leute ist, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Die Mietpreisbremse soll dem entgegenwirken. Nun will die FDP laut Wahlprogramm die Mietpreisbremse abschaffen. Das könnte ja eher negative Folgen für junge Menschen haben …

Das klingt vielleicht im ersten Moment so, ist aber nicht der Fall. Es gibt Städte, die haben die Mietpreisbremse angewendet. Der Effekt war gleich null. Es gibt bei der Mietpreisbremse so viele Ausnahmereglungen und Bedingungen, dass sie auf einen Großteil der Dresdner Wohnungen gar nicht zutrifft. Das wahre Problem sind die sehr hohen Baustandards und Energievorschriften, die größtenteils nichts bringen. Ich denke, wenn man gewisse Baustandards senkt und Genehmigungsverfahren schneller gestaltet, dann würde mehr Wohnraum entstehen und die Mieten würden sinken.

Jetzt haben wir über verschiedene Probleme gesprochen. Was ist Ihrer Meinung nach der größte Missstand, der junge Leute plagt?

Schwierig einzuschätzen. Jeder setzt ja in seinem Leben andere Prioritäten. Ein Thema, was die Menschen nervt, ist das Thema Behörden und Ämter. Da sind sich alle einig, dass es stressig ist. Deswegen denke ich, Staatsmodernisierung und Entbürokratisierung ist ein großes Thema.

Ein zweites großes Thema ist die innere Sicherheit und der Rechtsstaat. Hier müssen wir einen effizienten Rechtsstaat schaffen, der kein Polizeistaat ist und die Bürgerrechte respektiert.

Was konkret wollen Sie dahingehend verändern?

Wir wollen nicht in Kameras und Staatstrojaner investieren, sondern in Menschen, also vor allem Polizisten. Auch die Kommunikation der Sicherheitsbehörden muss sich ändern. Durch den Föderalismus wird zu kleinteilig gedacht. Zum Beispiel hätte der Anschlag am Berliner Breitscheidplatz verhindert werden können. Aber da zwischen den Sicherheitsbehörden nicht kommuniziert wurde, konnte der Täter problemlos durchs Land reisen. Darum müssen wir Strukturen und Kommunikationswege schaffen, die effizient sind.

Was ist Ihr Fazit, wenn Sie auf die vergangenen vier Jahre der Bundespolitik zurückblicken?

In Berlin ist da recht wenig passiert. Zählen wir mal zusammen, was wir bekommen haben: mehr Überwachung der Bürger, ein sehr umstrittenes Netzwerkdurchsetzungsgesetz – schon der Name klingt gruselig und der Inhalt ist noch gruseliger. Vielleicht mag die Intention dahinter eine gute sein, aber das Gesetz besagt, dass die Betreiber sozialer Netzwerke entscheiden, was eine Straftat ist und was nicht. Das ist absoluter Irrsinn! So etwas dürfen nicht Facebook und YouTube entscheiden, sondern Gerichte.

Ich finde es sehr gut, dass die Ehe für alle gekommen ist. Das ist das einzig Positive der letzten vier Jahre. Die Sache war ja längst überfällig und wurde nur noch aus Prinzip von der CDU aufgehalten.

Auch das Thema Flüchtlinge und Migration ist aufgekommen. Dabei hat die aktuelle Bundesregierung total versagt.

Warum?

Erstens hat sie überrascht getan. Die Anzahl der Asylanträge in Deutschland ist seit 2009 exponentiell gestiegen. Mit dem Arabischen Frühling war auch klar, dass es mehr Migration geben wird. Dann hat die Regierung einen Flüchtlingsdeal mit der Türkei geschlossen, der absolut sinnlos ist. Außerdem verlässt man sich da auf einen Partner, der nicht gerade dafür bekannt ist, Menschenrechte zu achten.

Die CDU erkennt bis heute nicht an, dass wir das Thema Einwanderung unbedingt lösen müssen.  Wir sind ein Land, das für viele Menschen reizvoll ist. Das ist schön. Aber wir brauchen Regeln dafür, wie wir mit der Einwanderung umgehen. Dafür will die FDP ein Einwanderungsgesetz. Dafür kämpfen wir seit Jahren, sind aber immer an der CDU gescheitert. Darum werden wir bei diesem Thema in einer Koalition keine Kompromisse eingehen. Denn ein Einwanderungsgesetz muss kommen!

Wie sollte so ein Gesetz Ihrer Meinung nach aussehen?

Wir müssen unterscheiden zwischen Kriegsflüchtlingen, zwischen politisch verfolgten Menschen, die Asyl beantragen, und Menschen, die nach Deutschland kommen, weil sie ein besseres Leben haben wollen. Das Asylrecht ist klar geregelt und unantastbar. Da wollen wir nichts ändern. Die Leute, die freiwillig hierherkommen, brauchen wir. Doch wir müssen dafür sorgen, dass sie entsprechende Qualifikationen haben und in der Lage sind, ihr Leben selbst zu gestalten.

Wollen Sie die Menschen also nach Nützlichkeit auswählen?

Nützlichkeit ist an dieser Stelle ein negatives Wort. Die Menschen, die herkommen, müssen schon in der Lage sein, für ihr Leben selbst zu sorgen. Wenn Menschen freiwillig nach Deutschland kommen, sollten sie nicht durch den Sozialstaat finanziert werden. Ich rede hier nicht von Asylbewerbern, die keine andere Möglichkeit haben.

Die FDP hat es bei der letzten Bundestagswahl nicht ins Parlament geschafft. Warum sollte es dieses Mal anders sein?

Wir haben uns als FDP erneuert und mit Christian Lindner jemanden an der Spitze, der glaubwürdig ist. Inhalte sind für uns wichtiger als Parteifarben und Koalitionen mit bestimmten Parteien. Das sieht man an den Landtagen in Nordrhein-Westfalen, wo wir mit der CDU regieren, Schleswig-Holstein, wo wir mit der CDU und den Grünen eine Koalition gebildet haben, und Rheinland-Pfalz, wo wir mit der SPD und den Grünen in einer Regierung sind.

Außerdem hat die Bundesspitze der FDP an Bodenhaftung gewonnen und ist nicht mehr so abgehoben. Der Kontakt zu den alltäglichen Dingen, die die Menschen beschäftigen, ist wieder da.

Wie schätzen Sie die politische Aktivität und Interessiertheit junger Menschen an Politik ein?

Ich schätze sie sehr hoch ein. Mir scheint es, als seien junge Menschen heute interessierter als in meiner Generation. Das liegt wahrscheinlich auch an den neuen Medien. Heutzutage kann ja jeder auf dem Smartphone Zeitung lesen.

Auch in meinem Ortsverband in Dresden-Altstadt konnten wir allein im vergangenen Jahr zehn Studierende als neue Mitglieder begrüßen. Unser Jugendverband, die Jungliberale Aktion, ist sehr gut. Sie sucht auch zwanglosen Kontakt zu jungen Menschen an Hochschulen und organisiert Diskussionsrunden.

Manchmal bin ich sogar überrascht, wenn ich merke, wie intensiv sich junge Menschen heute mit Politik beschäftigen. Das finde ich gut!

Zuletzt: Welches Politiker-Klischee erfüllen Sie auf ganzer Linie?

(Überlegt eine Weile.) Ich habe immer ein Jackett und ein Hemd im Auto: Falls ein Fototermin oder Ähnliches ansteht und ich dem Event entsprechend gekleidet sein muss.

Interview: Sabrina Winter

Foto: Amac Garbe

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