Es gibt Menschen, die haben vom Grafen von Monte Christo noch nichts gehört, geschweige denn ihn gelesen oder gesehen. Für diese Menschen gibt es jetzt eine Neuverfilmung des Abenteuerromans von Alexandre Dumas.
Für einen der beiden Regisseure, Alexandre de La Patellière, war die Fernsehverfilmung seines Vaters Ende der 1970er-Jahre der Startpunkt für den eigenen Berufswunsch. Nun schließt er zusammen mit seinem Kollegen Matthieu Delaporte den Kreis. Drei Jahre lang haben sie am Drehbuch und der Vorbereitung gearbeitet, um den umfassenden Monte-Christo-Stoff auf drei Stunden Kinomaterial einzudampfen – und haben dabei die eine oder andere Stelle an die aktuelle Zeit angepasst. Mit Erfolg: Seit dem Kinostart in Frankreich haben etwa neun Millionen Menschen die Neuverfilmung gesehen.
Doch braucht es nach etwa 30 Verfilmungen, diversen Adaptionen fürs Theater, Hörspielen & Co. einen weiteren Neuaufguss der Vergeltungsfantasie? Was können wir in dem epochalen Werk noch über Rache und Gerechtigkeit lernen?
Unschuldig eingesperrt
Das Grundgerüst bleibt: Edmont Dantès wird zum Kapitän befördert und will seine Jugendliebe Mercédès heiraten, als er unschuldig der Verschwörung beschuldigt wird. Ohne Gerichtsverfahren wird er im Inselgefängnis Château d’If eingesperrt und kann sich erst nach 14 Jahren wieder befreien. Durch einen Schatz reich geworden, will er Rache nehmen – und schmiedet dafür einen perfiden Plan.
Die Drei-Stunden-Verfilmung ist dabei eine echte Herausforderung, denn trotz der mitunter zähen Länge gibt es Fehlstellen im Handlungsstrang, die sich schwerlich füllen lassen. Und es ist selten eine gute Idee, Lücken mit schwülstiger Musik füllen zu wollen. Am schwersten wiegt aber, dass man keine rechte Identifikationsfigur hat, denn selten kommt man einer Person filmisch wirklich nahe.
Grundfragen neu verhandelt
Dennoch, die Grundfragen bleiben: Wie weit darf man für den Wunsch nach Vergeltung gehen? Wer darf wofür bestraft werden? Und wie?
Vor allem der finanzielle Hintergrund Monte Christos lässt aufhorchen, denn er verschafft ihm quasi unbegrenzte Möglichkeiten. Im festen Glauben, Gutes zu tun, bewirkt er Böses. „Von nun an bin ich es, der belohnt, und ich bin es, der bestraft“, sagt der Graf mit Allmachtsvorstellung. Man mag dabei gar nicht an aktuelle politische Entwicklungen denken. Oder doch? Denn letztlich müssen wir uns alle fragen, was wir tun würden, wenn wir die entsprechenden Möglichkeiten hätten. Und vielleicht auch, wie wir es verhindern könnten.
Dass auch wir dabei Fehler machen könnten und würden, gehört zur Komplexität der menschlichen Natur. Und das macht den Stoff wahrlich zeitlos.
Text: Nadine Faust
Foto: Edmond Dantés (Pierre Niney) als Graf von Monte Christo. © Jérôme Prébois