Ein neues Museum für Dresden

Mit dem Träumen ist das so eine Sache. Die einen erinnern sich quasi nie an die unterbewusste Gedankenwelt, die uns nachts im Schlaf heimsucht. Andere verarbeiten fast täglich Arztbesuche, Ängste oder auch innige Wünsche, wachen schweißgebadet auf oder mit einem inneren Schmunzeln. Man sagt sogar, man könne Träume steuern, indem man seine Gedanken manifestiert. Manchmal sind Träume aber so surreal, dass sie einen tagelang beschäftigen.

Träumerische Sneak Peek beim Filmfest

Die Surrealist:innen glaubten, dass Träume Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbinden, wie Kurator Przemysław Strożek bei der Vorstellung des Films „Dreams that Money Can Buy“ beim 36. Filmfest Dresden erklärte. Deswegen haben die Surrealist:innen in ihrem 1924 in Paris gegründeten Büro für surrealistische Forschungen auch Träume gesammelt. Menschen wurden aufgefordert, ihre Träume einzuschicken, um sie zu erforschen. Es entstand ein Modell für ein „Archiv der Träume“, wie nun auch die Eröffnungsausstellung des Archivs der Avantgarden (AdA) heißt. Und damit eine Blaupause für das AdA selbst.

Die zentrale Frage: Können Träume historische Quellen sein? Liest man sich an den Medienstationen im kernsanierten und umgebauten Blockhaus – ab 1732 als Neustädter Wache erreichtet – oder auch in der begleitenden Publikation einige der archivierten Träume durch, kann man dies durchaus bejahen. Sie sind ein Zeugnis ihrer Zeit, etwa von Kriegserfahrungen, dem Kunst- und Literaturbetrieb, Familienbanden. Man meint, die vibrierende Stimmung der Goldenen Zwanziger, die Entwicklungen in Gesellschaft, Kunst und Kultur, gleichzeitig aber auch die Nachwehen des Ersten und Vorwehen des Zweiten Weltkrieges herauslesen zu können. Natürlich mit der Folie und dem überheblichen Wissen von 100 Jahren Abstand.

Ein Cocktail aus Architektur und Ausstellung

Diese 100 Jahre Abstand zur Gründung des Büros für surrealistische Forschungen sind ein weiterer Grund für das Archiv der Avantgarden, mit einer Ausstellung zu ebenjener Kunstrichtung zu starten. Und sie ist – schon aufgrund des beengten Platzes im Blockhaus – eher eine assoziative Collage und durch das Wesen des AdA begrenzte Auswahl des Schaffens der Surrealist:innen. Stehen im Archiv mit dem Beinamen des deutsch-italienischen Galeristen und Verlegers Egidio Marzona, der seine etwa 1,5 Millionen Stücke umfassende Sammlung Ende 2016 den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden schenkte, doch u. a. Postkarten, Zeitschriften, Bücher oder andere Schriftstücke im Zentrum, ergänzt durch Kunstwerke, Designgegenstände oder auch filmische Werke.

Der assoziative Charakter der Ausstellung lässt aber viel Platz für eigene Träume und Gedanken. Zudem ist es eine wunderbare Gelegenheit, immer wieder den Blick durch den Raum schweifen zu lassen, der durch den Umbau durch das deutsch-spanische Architekturbüro Nieto Sobejano Arquitectos mindestens ebenso spannend ist wie die gezeigten Objekte. Im Innern komplett entkernt, schwebt das eigentliche Archiv nun als Kubus zwischen den historischen Fassaden – direkt über den Besucher:innen der Ausstellung. Eine Wendeltreppe führt zur Forschungsplattform. Der Schalsichtbeton bildet einen wunderbaren Kontrast zur altehrwürdigen Außenhaut – geradezu sinnbildlich für eine Stadt, die nach außen für ihren barocken Glanz bekannt ist, seit jeher aber ein Ort der Innovation war und es noch heute ist.

Wissenschaft als Schwerpunkt

Ebenjene Innovation oder auch Wissenschaft wird auf der soeben genannten Forschungsplattform ermöglicht, die allen Menschen frei zugänglich ist und nicht nur einen freien Blick in unzählige Bücher zulässt, sondern nach Anmeldung und Begründung in den beiden gläsernen Vorlageräumen auch prüfende Blicke auf die mitunter fragilen Originale ermöglicht. Das AdA ist als internationales Forschungszentrum gedacht, in dem Museum, Sammlung und Wissenschaft vereint sein sollen. Passend dazu ist der Besuch für Schüler:innen und Studierende zu jeder Zeit kostenfrei.

Die Ausstellung „Archiv der Träume. Ein surrealistischer Impuls“ ist bis zum 1. September zu sehen. Halbjährlich sollen neue Ausstellungen folgen. Das Programm vor Ort wird durch ein Onlineangebot ergänzt, in dem u. a. diverse Interviews zur Sammlung als „Oral History“ zur Verfügung stehen. Das umfassende Begleitbuch ist für 43 Euro in deutscher und englischer Sprache zu haben.

Text: Nadine Faust

Fotos: Amac Garbe

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