Hoffnung vs. Horror

Ein Besuch des FILMFEST DRESDEN ist so individuell wie die gezeigten Filme vielfältig sind. Mehr als 370 mehr oder weniger kurze Filme in 183 Veranstaltungen konnten vom 16. bis 21. April 2o24 entdeckt werden. Ein persönlicher Rückblick.

Utopie. Ein undurchführbar erscheinender Plan; eine Idee ohne reale Grundlage, sagt der Duden. Eine Idee, die sich das Filmfest Dresden anno 2024 auf die Fahnen geschrieben hat. Eine Idee, die angesichts von Klimawandel und krassen Wetterereignissen, von allgegenwärtigen Kriegen um Ressourcen, von Hass im Netz und auf den Straßen tatsächlich undurchführbar erscheint.

Ein etwas längerer Film, der wie ein Brennglas einige unserer aktuellen Probleme verdeutlicht, lief im „Diskurs Europa 2: Die Insel im weinfarbenen Meer“. „Tardo Agosto“ von Federico Cammarata und Filippo Foscarini nimmt sich mehr als eine Dreiviertelstunde Zeit, die verdorrende Landschaft Siziliens filmisch zu porträtieren. Die Luft flimmert in der Hitze, es wüten Brände, Tiere verenden qualvoll. Erst ein entferntes Grollen verspricht den erlösenden Regen.

Analoge und digitale Streifzüge

„Tardo Agosto“ setzt aber auch einen Kontrapunkt zur schnelllebigen Welt, in der es fast nur noch ums Höher, Schneller, Weiter geht. In der Klickzahlen und Follower:innen mehr zählen als über weite Felder zu streifen. In der das Leben online und virtuell standfindet, in Spielewelten oder ASMR-Videos. Davon fand sich im diesjährigen Programm einiges, sei es u- oder dystopisch – etwa im vom Künstlerkollektiv Total Refusal kuratierten Schwerpunkt 1 oder auch im „Drift Mode“ von Animated 2.

Der düstere Höhepunkt dieser Welten: „ALIEN0089“ von Valeria Hofmann aus Chile/Argentinien. Denn während eine Gamerin ein Video hochlädt, in dem sie die Schikanen durch ihre mutmaßlich männlichen Mitspieler anprangert, dringt jemand in ihr Haus ein. Der Gewinnerfilm des Goldenen Reiter Kurzfilm im Internationalen Wettbewerb ist umso verstörender, weil er realitätsnah ist.

Der Horror im Film und in der Welt

Der Hass in dieser Welt kann wirklich erdrückend sein. Doch es gibt auch Filme, die Hoffnung geben. Bei der Eröffnung des Festivals etwa sorgte „Blusenfax“ von Mariola Brillowska für reichlich Gelächter oder auch „Frite sans maillot“ von Matteo Salanave Piazza. Bei letzterem sind zwar Scham und Lästereien ebenfalls der Ausgangspunkt des Films, doch Hauptfigur Anthony kann sich emanzipieren – und das ist durchaus unterhaltsam. Dass Schadenfreude auch ein Teil des menschlichen Daseins ist, zeigten nicht zuletzt die drei Digestif-Programme, die in drei Nächten im Thalia-Kino zu sehen waren und sich alle im Horrorgenre bedienten. Oder auch die Retrospektive über „Gammler, Träumende, Liebende“, die einen Einblick in die Zukunftsvorstellungen in der DDR offenbarte.

Der ganz reale Horror, der in der Welt vor sich geht, machte schließlich vorm Festival keinen Halt. Verlas Festivalleiterin Anne Gaschütz zu Beginn der Eröffnung noch ein Statement, dass jegliche Diskriminierung, Hass, Krieg und Tod verurteilte und zum Austausch aufforderte, war es zur Preisverleihung eine Videobotschaft einer Filmemacherin, die diesen Appell konterkarierte. Dabei bot das Filmprogramm zwischendrin so viele Möglichkeiten, sich respektvoll mit den Konfliktherden der Welt auseinanderzusetzen. Und das kann durchaus ermutigend sein. Alles wird gut. Arbeiten wir darin, damit das nicht nur eine Floskel ist!

Text: Nadine Faust

Foto: Amac Garbe

Transparenzhinweis: Die Autorin ist selbst für das FILMFEST DRESDEN tätig.

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