Straßen- statt Budenkunst

Kulturschaffende in Dresden, Deutschland und der Welt haben ein Problem. Nicht nur Corona. Auch das Wetter spielt bei ihren Freiluft-Aufführungen, die sie im Rahmen von Hygienekonzepten planen, mitunter nicht mit. Während sich die Natur hierzulande über den Regen vermutlich freut, blicken Veranstalter:innen mit bangem Blick gen Himmel und hoffen, dass sich das kühle Nass wenigstens erst in der Nacht auf den Boden ergießt.

„Wir waren zufrieden, das Wetter müsste man mal zu einem ernsten Auswertungsgespräch einladen, aber es konnten fast alle Vorstellungen stattfinden“, resümiert Presse- und Öffentlichkeitsarbeitschefin Dana Bondartschuk dementsprechend auch über den diesjährigen Schaubudensommer. 2020 komplett gecancelt, wurde das Programm anno 2021 auf drei Tage Anfang August reduziert und vom angestammten Scheune-Hof auf die Hauptstraße verlagert. Keine vom Schweiß der Besucher:innen geschwängerten Buden und Zelte, kein Rindenmulch unter den Füßen, keine Rechnerei, welche Ticketversion jetzt die bessere sei. Denn: Wenn das Festival auf der Straße stattfindet, dann ist es schwierig, festen Eintritt zu nehmen. So finanzieren die Veranstalter:innen die drei bunten Tage mit Hutgeld und einer Spendenaktion, die übrigens noch bis Mitte September auf Betterplace läuft.

Ab 3. August tummeln sich Menschen auf der Hauptstraße, denen man das Schaubudenfieber nicht immer ansieht. Sie lassen sich aber vielleicht mitreißen von diesem Festival, das manchmal der zum Sprichwort gewordenen Schachtel Pralinen gleicht, bei der man nicht weiß, was als nächstes kommt. Forrest Gump lässt grüßen! Kenner:innen der Materie versuchen natürlich, der Überraschungskiste mittels Studieren des Programm-Faltblattes zu entkommen, was – wie jedes Jahr – nur bedingt gelingt. Nicht nur, dass man erst mal die Namen der einzelnen Aufführungsorte entlang der Straße kapieren muss – Goldener Reiter gleich Goldener Hengst, das ist am ehesten klar. Es bleibt auch trotz aller lautmalerischen Ankündigungen immer eine Unbekannte: Springt der Funke zwischen den Künstler:innen und dem gerade anwesenden Publikum über?

Finn Jagd Andersen

Über springt er etwa bei der Compagnie Corpus aus Kanada. Wie viele andere von Budgetkürzungen betroffen, probt ihre Fliegerstaffel auf dem Boden direkt hinter dem Goldenen Reiter – und zeigt damit, wie wenig es eigentlich braucht: den eigenen Körper – und den einer Freiwilligen. Ein bisschen Sprachmix, Körperkomik und jemand, der aus der Reihe tanzt – oder pinkelt. Dazu Floss Dance und militärische Strenge. Das funktioniert auf der Hauptstraße und lockt schon mal so viele Besucher:innen an, dass Abstand und Maske in Vergessenheit geraten.

Corpus mit der Performance „A Flock of Flyers“

Für keine großen Versammlungen sorgt hingegen Cie. Dynamogène aus Frankreich. Denn ist ihr „Monsieur Culbuto“ gerade angekommen und hat Freundschaft mit Passant:innen geschlossen, so eilt schon ein Lieferbote herbei, bockt ihn auf und karrt ihn weg. Nicht, dass er den Menschen, die ihm Hallo sagen, noch zu nahe kommt oder er gar Bekanntschaft mit dem Pflaster macht.

Cie. Dynamogène mit „Monsieur Culbuto“

Politisch wird es schließlich mit dem britischen Just Us Dance Theatre, denn die vier Performer:innen verbinden Tanz mit einem Plädoyer für Diversität und Gemeinschaft sowie gegen Rassismus. Dagegen wirken die Wassertänze im Wasserspiel am Jorge-Gomondai-Platz fast schon verspielt.

Just Us Dance Theatre
Wassertänze

Er bietet Abwechslung, der Schaubudensommer, auch mit seiner neuer Location. Und was an Intimität und Eingeschworenheit fehlt auf der Hauptstraße, das machen die frische Luft und das neue Publikum wieder wett. Manchmal ist es eben schon unterhaltsam, wenn sich vorbeilaufende Menschen fragend am Kopf kratzen.

Andy Snatch
Besucher:innen
Musiker:innen
Chris Lynam
Sara Ski

Festivaldirektor Helmut Raeder
Tim Schreiber
Cie. Freaks & Fremde
HRB+C
HRB+C
JuWie Dance Company
Kunst der Lüge
Recommandeur
Theater Irrwisch

Text: Nadine Faust

Fotos: Amac Garbe

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