Kunst und Kultur zu Zeiten von Corona

Die Corona-Pandemie ist für viele Menschen zur echten Belastungsprobe geworden. Während in den Medien vermehrt auf die schwächelnde Handelswirtschaft und die Probleme der Tourismusbranche aufmerksam gemacht wird, sind einige andere Branchen medial eher unterrepräsentiert. Einer dieser „vergessenen“ Wirtschaftszweige ist die Kultur- und Kreativwirtschaft, zu welcher unter anderem Branchen wie der Architekturmarkt, die Bildende Kunst oder auch der Designmarkt gehören.

Genauso vielfältig wie die einzelnen Zweige der Kunst und Kultur sind auch die Erlebnisse, Probleme und Lösungsansätze der Kreativen. Verschiedene Organisationen und Künstlerverbände wie der Künstlerbund Dresden e. V. oder KREATIVES SACHSEN stehen hierbei Künstler:innen aus ganz Sachsen mit Rat und Tat zur Seite.

Antje Friedrich, Geschäftsführerin des Künstlerbundes Dresden, und Claudia Muntschick, die als regionale Ansprechpartnerin für KREATIVES SACHSEN in Ostsachsen im vergangenen Jahr Künstler:innen zu möglichen Schritten im Zuge der Corona-Pandemie beraten und unterstützt hat, geben uns Einblicke in die Auswirkungen der Pandemie auf die Kunst und Kultur Dresdens.

Claudia Muntschick, Kreatives Sachsen

Das kreative Schaffen. Was für die meisten ein Hobby ist, bildet für Künstler:innen ihre Lebensgrundlage. Als Soloselbständige oder Angestellte in kleineren Unternehmen arbeiten auch sie täglich hart, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Obwohl alle Künstler:innen von der Pandemie betroffen sind, betonen sowohl Friedrich als auch Muntschick, dass die Lage der Künstler:innen unterschiedlich zu bewerten sei. Wie in jeder anderen Branche gäbe es auch in der Kunst- und Kulturbranche Gewinner:innen und Verlierer:innen der Corona-Pandemie. Während die Software- oder Filmbranche teilweise von der Pandemie und den Schließungen profitieren könne, würden besonders die Künstler:innen große Einbußen erleiden, deren Interaktion mit dem Publikum essenziell für ihr Arbeiten ist. Für sie sei die letzte Zeit vor allem von Existenzängsten geprägt, sagt Friedrich.

Bislang wäre grob geschätzt nur knapp ein Prozent der Dresdner Künstler:innen durch eine Galerie vertreten, die den Kreativen etwas höhere Chancen auf Einnahmen verschafft. Insbesondere die Künstler:innen, die nicht durch eine solche Galerie vertreten werden, hätten sich aufgrund ihrer geringeren Rücklagen und fehlenden Möglichkeiten früher und intensiver mit den Umständen auseinandersetzen müssen. Kein Wunder also, dass sowohl Muntschick als auch Friedrich befürchten, dass vor allem die Freiberufler:innen im Kunst- und Veranstaltungsbereich die Folgen der Pandemie noch lange zu spüren bekommen werden.

Die Lösungsansätze der Kreativen

Dabei gehen die Kreativen selbst ganz unterschiedlich mit der Situation um, beobachtet Friedrich. Während einigen von ihnen das ein- bis zweimonatige Förderprogramm „Denkzeit-Stipendium“ des Freistaates Sachsen zugesprochen wurde, innerhalb dessen sie sich mit künstlerischen bzw. kulturellen Mitteln theoretisch und praktisch mit den Herausforderungen der gegenwärtigen Krise auseinandersetzen sollen, geben wenige an, die ausstellungsfreie Zeit für neue künstlerische Ansätze oder Projekte zu nutzen.

Jedoch sind diese wohl nur die Ausnahme. Obwohl es im Moment noch keine Zahlen gibt, die das Ausmaß der Pandemie auf die Kunst und Kultur beziffern könnten, befürchtet die Geschäftsführerin des Künstlerbundes Dresden e. V., dass die meisten Künstler:innen so sehr mit der Sicherung ihrer Existenz und/oder der Kinderbetreuung beschäftigt gewesen wären, dass das künstlerische Arbeiten vieler auf der Strecke geblieben sei. Zudem betont Friedrich, dass sich aufgrund der fehlenden Rücklagen, der suboptimalen Konstruktion der staatlichen Hilfsprogramme und der bürokratischen Hürden bei der Antragstellung viele Künstler:innen gezwungen sahen, in berufsfremde Bereiche zu wechseln. Inwieweit diese nach der Pandemie zurück in ihre kreativen Jobs finden, sei ungewiss.

Kunst und Kultur als Motor der Wirtschaft

Obwohl sich die Rahmenbedingungen aufgrund der Pandemie grundlegend geändert hätten, bleibt Muntschick optimistisch. Schließlich sei die Kultur- und Kreativwirtschaft dafür bekannt, Lösungen für ungewöhnliche Probleme zu entwickeln. „Es wird sicher ein schwerer Weg, aber ich sehe schon jetzt sehr interessante Lösungsansätze für den Umgang mit den Herausforderungen der Zeit nach Corona“, sagt Muntschick.

Dass diese Zeit nicht einfach wird, da sind sich Friedrich und Muntschick einig. Die Pandemie hätte aus Muntschicks Sicht nicht nur bleibende Spuren in der Gesellschaft hinterlassen, sondern auch viele grundsätzliche Themen aufgeworfen. Für sie und Friedrich steht es außer Frage, dass Kunst und Kultur bereits heute viel für unsere Gesellschaft leisten und durchaus im Stande wären, noch weitaus mehr zu ermöglichen. Kunst ist nicht nur in der Lage, Gefühle, Ideen und Erlebnisse zu vermitteln oder einfach nur hübsch auszusehen. Muntschick betont, dass Kunst und Kultur die wirtschaftliche Entwicklung einer Region maßgeblich beeinflussen.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass es entscheidend für eine Stadt oder Region sei, dass sie in ihre kreativen Menschen vor Ort investiere oder zumindest deren Entfaltung ermöglicht. Dies zahle sich langfristig aus, da es für junge Menschen immer wichtiger werde, ob die Stadt, in der sie erwägen in Zukunft zu leben und zu arbeiten, ihnen auch kulturelle Angebote wie Clubs, Galerien und Festivals bieten kann. Ein solches Erfolgsbeispiel sei Berlin, verrät Muntschick. Unsere schillernde Hauptstadt habe maßgeblich von ihrer Clubkultur und dem daraus resultierenden internationalen Partytourismus profitiert. Während Berlin vor zwei Jahrzehnten noch als „arm, aber sexy“ galt, ist es heute Anlaufstelle für viele Investor:innen und Start-ups. Deshalb sieht Muntschick die Kulturförderung auch als Wirtschaftsförderung.

Fehlende Wertschätzung für Kunst und Kultur

Obwohl Kunst und Kultur die Lebensqualität grundlegend verbessern können, berichten sowohl Friedrich als auch Muntschick, dass die Kulturförderung eher als „freiwillige Aufgabe“ und „Zusatzinvestition“ gesehen werde, die man sich als Stadt oder Region „leisten können muss“. Die Menge an Arbeit, Recherche, Vorüberlegungen und Gedanken, die hinter einer künstlerischen Arbeit stecke, würden laut Friedrich oftmals übersehen und kaum wertgeschätzt werden. Es fehle nicht selten das Verständnis und Interesse, um die Leistung der Kunst für unsere Gesellschaft zu erkennen.

Sie wünsche sich, „dass zwischen Kunst, Kultur, Wirtschaft, Bildung, Industrie und Wissenschaft in Zukunft besser zusammengearbeitet wird“, macht Claudia Muntschick klar. Sie hätte die Erfahrung gemacht, dass es nur von Vorteil sein kann, wenn sich Expert:innen verschiedenster Disziplinen gleichberechtigt um eine Lösung für ein Problem bemühen.

Subventionen und Förderungen

Auf die Frage, ob es zu einem Umdenken in Bezug auf Kunst und Kultur kommen muss, sind sowohl Friedrichs als auch Muntschicks Antwort zwar hoffnungsvoll, aber vor allem realistisch. Obwohl „ein Umdenken im Hinblick auf das, was Kunst und Kultur uns, respektive der Gesellschaft geben können, schön wäre, lässt es sich nicht verordnen“, erklärt die Geschäftsführerin des Künstlerbundes Dresden.

Jedoch gibt sie auch zu bedenken, dass zunächst alle Mittel und Instrumente helfen könnten, die es leichter oder schlichtweg günstiger machen würden, Menschen an Kunst und Kultur teilhaben zu lassen. Dabei seien viele Möglichkeiten noch offen. Neben den subventionierten Konzert- und Theaterplätzen könne man die Teilhabe an Kunst und Kultur unter anderem etwa wie in Großbritannien durch die Einführung eines kostenlosen Eintritts in Museen und Sammlungen fördern und langfristig ermöglichen.

Auch die Erleichterung der Arbeitsbedingungen für Kreative sei wichtig. „Insgesamt muss es darum gehen, [Künstler:innen] wirtschaftlich sicherer zu stellen, damit sie in Krisensituationen nicht sofort existenziell gefährdet sind“, merkt Friedrich an. Ob dazu das bedingungslose Grundeinkommen beitrage, müsse diskutiert werden. Sicher aber helfe die Aufnahme der Kultur als Staatsziel, welche de facto „die sichere Finanzierung des gesamten Kunst- und Kultursektors“ zur Folge hätte.

Fehleinschätzung seitens der Politik

Obwohl die Pandemie die Künstler:innen Sachsens hart getroffen hat, betonen sowohl Muntschick als auch Friedrich, dass sie von der Politik keinesfalls enttäuscht oder verärgert seien. Besonders Friedrich findet hierzu klare Worte: „Man sollte sich ins Bewusstsein rufen, dass die Pandemie alle, von der Politikerin über den Lehrer bis hin zu Mediziner:innen, vor eine neue, bislang nie da gewesene Situation gestellt hat. Insofern ist immer schwierig zu sagen, was hätte anders laufen sollen.“

Generell hätten sich jedoch sowohl Friedrich als auch Muntschick eine sinnvollere Konstruktion und Verteilung der Hilfsprogramme des Bundes gewünscht. Oftmals seien viele der Programme schlichtweg an der Zielgruppe vorbeigegangen und wären zudem viel zu langsam ausgezahlt worden, erklärt die Geschäftsführerin des Künstlerbundes Dresden e. V. Friedrich weiter: „Gerade erst haben wir erlebt, dass Hilfsgelder, die seitens der
sächsischen Staatsregierung bereits im Dezember 2020 zugesagt wurden, im März 2021 noch nicht ausgezahlt waren. Für einige, für die genau diese Überbrückungshilfe existenziell wichtig war, war das tatsächlich schon zu spät und sie mussten ihren Atelierraum kündigen.“ Eine bessere Kommunikation sei wünschenswert gewesen.

Generell stimmen sowohl Muntschick als auch Friedrich überein, dass es geholfen hätte, wenn die Politik ihr Ohr eher an den „echten“ Menschen und ihrer persönlichen Lage gehabt hätte. Diese hätten laut Muntschick genau sagen können, welche Hilfsmaßnahmen gerade sinnvoll seien und welche nicht.

Erkenntnisse und Einsichten

Tatsächlich war und ist die Bewältigung der Corona-Pandemie für jede:n von uns kein einfaches Unterfangen. Obwohl in den vergangenen Monaten ersichtlich wurde, dass man in einer Krisensituation niemals alles richtig machen kann, sind es dennoch genau diese Krisen, die uns unsere ganz persönlichen Stärken und Schwächen aufzeigen.

Sowohl Muntschick als auch Friedrich berichten von solchen neuen Erkenntnissen und auch Einsichten. Während Friedrich vor allem von der gegenseitigen Solidarität der im Künstlerbund Dresden e. V. organisierten Künstler:innen begeistert ist, ist Muntschick vor allem von der Kreativität bei der Problemlösung und dem Optimismus der Betroffenen beeindruckt. Genau dieser Optimismus sei es auch, den sich Muntschick für die Zukunft wünscht.

Obwohl momentan alles gelegentlich etwas trostlos und langweilig erscheine, solle man nicht verzagen und stattdessen lieber beginnen, Projekte für die Zukunft zu entwickeln. Schließlich sei es relativ sicher, dass es eine Zeit nach Corona geben wird. Und genau zu dieser Zeit kann man sich dann ganz besonders über die neuen Ideen und Projekte freuen und diesen nach Belieben nachgehen.

Für die Geschäftsführerin des Künstlerbundes Dresden e. V. ist es überdies besonders wichtig, auf sich und andere zu achten, und sich vor allem um diejenigen zu kümmern, die den schwächsten Teil einer Gesellschaft darstellen.

Text: Paula Lüdecke (Dieser Artikel entstand ursprünglich im Rahmen der Schülerredaktion des Gymnasiums Bürgerwiese.)

Zum Titelfoto: Antje Friedrich, Geschäftsführerin des Künstlerbundes Dresden

Fotos: Marcel Schröder (Claudia Muntschick)/Amac Garbe (Antje Friedrich, Titelfoto)

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