Eine kleine Betrachtung der Zeit

Die Zeit ist ein wunderliches Ding. Ist es nicht seltsam zu sagen, dass wir für etwas Zeit haben, obwohl die Zeit nichts ist, was wir jemals wirklich besitzen? Wie können wir etwas sparen, verschwenden oder gar verschenken, wenn es überhaupt nicht greifbar ist? Warum scheint die Zeit manches Mal wie im Flug zu vergehen, zwischen unseren Fingern zu zerrinnen und ein anderes Mal fast stillzustehen, wenn sie doch immer im gleichen Tempo voranschreitet? Und macht sie das überhaupt – voranschreiten?

Wahrscheinlich ist die Zeit eines der größten Mysterien der Menschheit. Es sind nicht nur die kleinen Fragen, wie etwa nach dem Zeitempfinden, es sind auch die ganz großen nach dem Raum-Zeit-Kontinuum, nach möglichen Zeitreisen, die die Wissenschaft immer wieder beschäftigen. Die auch mich seit einigen Tagen beschäftigen.

Es fing zwischen den Jahren an. Mein Onkel hatte mir den Netflix-Hit „Dark“ empfohlen, der mir im dichten Seriendschungel bisher verborgen geblieben war. Zeitreisen spielen in dieser hochkomplexen Science-Fiction-Serie eine zentrale Rolle. Das allein war es jedoch nicht, was mich dazu anregte, über die Zeit nachzudenken. Vielmehr war es das Zu-Ende-Gehen des Jahres, der bevorstehende Silvesterabend und die von vielen mit ihm verbundene Hoffnung auf etwas Neues, Besseres. Was erwarten die Menschen eigentlich, wenn sie das Ende eines Jahres herbeisehnen? Dass sich plötzlich alles wie von Zauberhand ändert, nur weil wir ein neues Datum schreiben? Dass ein Virus einfach so verschwindet, autoritäre Politiker auf einmal kampflos anderen Platz machen und sich die Klimakrise schon irgendwie von allein regelt?

Wer so etwas erwartet, ist blind. Blind dafür, dass Tage, Wochen und Jahre nur Konstrukte sind, von Menschenhand geschaffen, um unserem Leben eine geregelte Bahn zu geben. Nicht die Zeit allein heilt alle Wunden. Wir selbst müssen unseren Beitrag dazu leisten. Nicht in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart. Denn nach aktuellem Stand sind Zeitreisen nicht möglich. Aber wer weiß … Vielleicht wartet Stephen Hawking im Jahr 2009 doch irgendwann nicht mehr vergeblich auf Gäste bei seiner Party für Zeitreisende. Die Zeit ist ein wunderliches Ding.

Text: Marie-Luise Unteutsch

Foto: Amac Garbe

Ein Gedanke zu “Eine kleine Betrachtung der Zeit

  1. Hallo, es ist mir beim Lesen des Artikels wieder einmal mehr bewusst geworden, dass man zu oft mit der Zeit verschwenderisch umgeht. Aber was ist verschwenderisch? Jeder muss dies für sich selbst entscheiden. Ich denke, wenn das “Gemachte” für einen selbst sinnvoll ist und keinem anderen Schaden zufügt, so ist es “perfekt”!
    Weiter so mit solchen Artikeln!

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