Wenn die Projektoren (nicht mehr) rattern

Bis 21. Januar 2018 finden in der Motorenhalle die 19. dresdner schmalfilmtage statt. „Subversionen“, ja Rebellionen stehen auf dem Programm.

Es stürmt in und um Dresden, als die 19. dresdner schmalfilmtage am Donnerstagabend eröffnet werden. Die Kinositze und Stühle in der Motorenhalle sind zur Hälfte gefüllt, der eine oder andere hat es nicht hierher geschafft – auch ein Jurymitglied für den Found-Footage-Wettbewerb fehlt. Dabei gibt es hier erste Schätze zu sehen. Der Berliner Andreas Gogol etwa hat sechs Stunden von Berlin nach Dresden gebraucht und präsentiert „Xarussell“ – inklusive alten Zeitlupenaufnahmen von Vögeln, die er in seinen Film integrierte. Neben diese 16-mm-Sequenzen hat er u. a. mechanisch bearbeitetes Super-8-Material montiert und das Ganze mit einem treibenden Sound vertont. Gewonnen haben trotzdem andere: Alexane Perrin aus Frankreich und Gerard Freixes-Ribera aus Spanien, der bei seiner „Identity Parade“ Material aus verschiedenen alten amerikanischen Serien zusammengeschnitten hat.

Der Festivalfreitag beginnt mit einem Workshop. Die Teilnehmer bekommen Schmalfilme des Dresdner Künstlers Via Lewandowsky zur Verfügung gestellt und dürfen diese neu schneiden und vertonen. Hier wird umso deutlicher, was sich schon am Vorabend gezeigt hat: Schmalfilme werden heutzutage nach dem Dreh oft digitalisiert, um damit kostengünstig arbeiten und die Filme in aller Welt zeigen zu können. Die Liebe zur alten Technik beschränkt sich also eher auf die Aufnahmen selbst. Und sie bedeutet auch eine materielle Beschränkung, wie es Filmemacher Simon Rittmeier schon am Donnerstag im Programm Köln-Kuba beschreibt. Denn man nutzt nicht unendlich viel Filmmaterial, wie es heute im digitalen Zeitalter eher üblich ist.

Im Workshop sitzen zwei Studentinnen der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Sie wollen hier gebündelt Skills erlangen, die sie noch nicht haben, etwas über Storytelling lernen, über Schnittprogramme. Und vor allem habe man selten die Möglichkeit, mit Schmalfilm zu arbeiten. Das Material an sich fasziniert auch Tilman Petzold, freischaffender Musiker aus Dresden. Es verkörpere den Charme einer bestimmten Zeit. Die Art und Weise des Drehens begeistert ihn und dass jeder damit Filme machen kann. Tatsächlich wurde der schmale Film ja eher für den Amateurbereich eingeführt, was Profis nicht davon abhält, dem Charme des Materials zu erliegen. Robert Thiele, Kunstvermittler und Kulturmanager aus Dresden, ist dagegen eher wegen des Künstlers da, wegen Via Lewandowsky. Er sei ein Zeuge der (Untergrund-)Kunst in Dresden in den 80ern.

Dem Künstler Via Lewandowsky ist an diesem Samstagabend (19.30 Uhr) auch eine Retrospektive gewidmet. Es folgt ein Film- und Zeitzeugengespräch mit ihm in der Galerie Adlergasse, moderiert von Kuratorin Nadine Bors, die auch den Workshop zusammen mit ihm leitet. Allerdings muss sich das Gespräch mit dem Internationalen Wettbewerb Super 8/16 (21 Uhr) messen, dem Kernstück der Schmalfilmtage, bei dem zehn ausgesuchte Filme aus aller Welt um die Gunst der Jury und des Publikums buhlen. Das funktioniert schon am Vorabend ganz wunderbar.

Für den Livevertonungswettbewerb, der – wie leider viele Programme – mit 45 Minuten Verspätung startet, steht das Publikum am Freitag vor der Motorenhalle Schlange. Fünf Wettbewerbskandidaten vertonen mit Gitarre, Schlagzeug, Trompete, Geige, Saxophon, Loop-Station oder auch der eigenen Stimme Animationsfilme aus dem Dresdner DEFA-Studio für Trickfilme, kleine Lehrfilmchen oder Teile des Klassiker „Berlin – Symphonie einer Großstadt“ von 1927. Mit der lautstarken Livevertonung des letzteren räumen Johannes Gerstengarbe und Lars Oertel schließlich den Publikumspreis ab. Da ist auch das Rattern der hier mal laufenden Projektoren nicht mehr zu hören. Lasse Christian Reinstroem gewinnt mit einer dezenteren, aber pointierten Livebegleitung von „Der Zaubertrick“ den Preis der Jury.

Am Sonntag gehen die Schmalfilmtage dann ins Neustädter Exil. In der Diakonissenhauskirche zeigen die ehrenamtlichen Organisatoren, die in veränderter Besetzung seit 1997 das Festival für den schmalen Film auf die Beine stellen, um 16 Uhr Teile von Fritz Langs Nibelungenverfilmung von 1924 mit Livemusik von der Orgel. Im Thalia folgen später „The Ferrari Dino Girl“ von Jan Němec (18 Uhr) über die Niederschlagung des Prager Frühlings und „The Nothing Factory“ von Pedro Pinho (19.30 Uhr).

Text: Nadine Faust

Foto: Amac Garbe

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