Weniger Bass, mehr Kunst!

Zum siebenten Mal laden die diesjährigen Dresdner Kunsttage vom 21. bis 23. April in den sonst eher für Technofans interessanten Sektor Evolution.

Schuster, bleib bei Deinen Leisten? Gerade nicht! Getreu dem Beuys’schen Motto „Jeder Mensch ist ein Künstler“ haben die Macher der Dresdner Kunsttage drei Tage vollgepackt mit Kunst aller Sparten – von Kunstausstellung und Performance über Theater bis zum audiovisuellen musikalischen Gesamtkonzept – und dabei explizit auch Autodidakten mit im Boot.

Die Clublocation Sektor Evolution in dem alten Industriebacksteinbau, der seit 2009 die Herzen der technoaffinen Feiermeute höherschlagen lässt, wurde extra für die Kunsttage „gecleant“ und ausstellungstauglich vorbereitet. Die Sektorinhaber sitzen von Beginn an mit im sechsköpfigen Orga-Komitee der Kunsttage und beteiligen sich an der Konzeption des Rundumschlag-Kunstprojekts.

Kern des Events ist eine Kunstausstellung mit Positionen von gut 30 Künstlern auf 300 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Kurator Sebastian Behner Bestier hat es den beteiligten Künstlern dabei nicht ganz leicht gemacht. Alle Werke sollten sich in irgendeiner Form mit dem Thema „Modell Gesellschaft“ auseinandersetzen. Die Künstler suchte er sich aus seinen vorhandenen Kontakten zusammen. Bekannte Dresdner Größen wie der Galerist und Künstler Holger John oder der Illustrator Robert Richter sind dabei ebenso im Boot wie frische HfBK-Studierende oder Autodidakten. Viele schufen extra für die Ausstellung eine thematisch stimmige Arbeit.

Erklärtes Ziel des 32-jährigen Kurators und selbst autodidaktischen Künstlers war es dabei, ein integratives Modell der Gesellschaft abzubilden. Deshalb gesellte er zu den Werken der bildenden Künstler vier Positionen von jugendlichen Laien. Die Idee dazu kam Sebastian Behner Bestier, weil er drei Tage die Woche als Kunsttherapeut und Betreuer in dem integrativen Wohnprojekt Panta-Rhei e. V. tätig ist, wo Jugendliche aus prekären Lebensverhältnissen zusammen wohnen und ihr Leben selbstständig zu meistern lernen. Daher weiß er, dass die Jugendlichen viel zum Thema Gesellschaft zu sagen haben. Fragen wie „Was ist ihre Rolle in der Gesellschaft?“, „Was haben sie schon erlebt und was brachte sie an den Rand der Gesellschaft?“ wurden intensiv diskutiert. Ein Jugendlicher setzte sich daraufhin künstlerisch mit seiner Erfahrung im Jugendvollzug auseinander, malte ein Gefängnis, aus dem er ausbricht. Das Ausbrechen sollte dabei vor allem jenes aus den alten Denk- und Handlungsmustern sein. Wie die Jugendlichen ein Teil unserer Gesellschaft sind, so werden auch ihre Werke mit in die Ausstellung integriert. „Die Grenzen sollen zerfließen,“ erklärt der Kurator.

Neben der Ausstellung sind die drei Kunsttage vor allem abends eventreich gefüllt. Am Eröffnungsabend (21.4., ab 19 Uhr) stimmen die Performance „Modellemente“ (mit den Künstlern Lutz Peschelt, Sensifer und Heinz Lindner) sowie das multimediale Experimentalkonzert „scn9a“, benannt nach einem Fehlfunktionen auslösenden Schmerzempfindungsgen, auf die Kunsttage ein. Am Samstag (22.4., 20.30 Uhr) kommt als eines der Höhepunkte das Theaterstück „Stille, die uns täuscht“ nach einer Novelle von Stephen King zur Aufführung. In dem Electro-Melodram von und mit Utz Pannike und Jörg Schittkowski erzählt ein Mörder-Clown die Geschichte eines Jungen, der sich vom Gift der Nazi-Ideologie anstecken und zerstören lässt. Das Künstler-Kollektiv MACHINE DE BEAUVOIR (Sandra Maria Huimann, Rajko Gohlke und erneut Jörg Schittkowski) bringt dann am späteren Abend elektromodulierte Vertonungen von Dichtern und Textern hervor. Und als großes Finale beginnt um 23 Uhr der Cirque du Masque, eine Kostümparty unter dem Motto Penner und Bonzen. Am Sonntag (23.4., 19 Uhr) wird nach der Finissage (ab 15 Uhr) das Theaterstück „Stille, die uns täuscht“ noch einmal und zum vorerst letzten Mal aufgeführt.

Ob Ausstellung, Konzert oder Kostümparty, bei dem bunten Potpourri an Genres und Events darf sich jeder die passende Essenz herausfiltern – oder gleich das ganze Bouquet einverleiben.

Kunsttage Dresden: vom 21. bis 23. April im Sektor Evolution (An der Eisenbahn 2 – im Industriegelände)

Freitag, 21.4., 19 Uhr: Vernissage, Performance und Musik, Eintritt frei

Samstag, 22.4., ab 19 Uhr: Ausstellung, Theater („Stille, die uns täuscht“), Performance, Band, ab 23 Uhr Kostümparty (Cirque du Masque – Motto: Penner und Bonzen), Eintritt 15 Euro ohne und 9 Euro mit Kostüm: Campusrauschen verlost zwei Freikartenpaare für den Samstag. Schreibt dazu bis spätestens Freitag (21.4., 16 Uhr) eine Mail an leserpost@campusrauschen.de!

Sonntag, 23.4., ab 15 Uhr: Finissage, ab 19 Uhr Theater mit freiwilligem Kulturbeitrag (10 bis 12 Euro)

Text: Susanne Magister

Foto: Amac Garbe

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