Alles teurer

Das Studentenwerk Dresden erhöht die Preise in den Mensen und den Semesterbeitrag. Die Gründe dafür sind vielfältig – böser Wille gehört nicht dazu.

Einen Vorteil hat die Sache ja: Wir dürfen jammern. So richtig. „Ach“, dürfen wir seufzen, „das Leben ist nicht fair. Immer wird alles teurer!“ Denn das Studentenwerk Dresden zieht die Preise an: Seit dem 1. Januar sind sie in den Mensen um 1,5 Prozent gestiegen, in den Cafeterias gar um vier Prozent. Zudem erhöht sich der Semesterbeitrag zum Sommersemester 2018 um 5,40 auf dann 82,90 Euro. Fünf Euro des Anstiegs entfallen auf die Hochschulgastronomie, der Rest auf andere Angebote des Studentenwerkes wie die Psychosoziale Beratungsstelle. Stellt sich die Frage: Warum?

Eines ist sicher: Die Lage ist komplex. Um sie zu erklären, braucht Martin Richter, Chef des Studentenwerkes, fast zwei Stunden und zwei dicke Ordner voller Grafiken, Tabellen und Berichte. Neben ihm sitzt Christian Soyk, Referent fürs Studentenwerk beim Studentenrat der TU Dresden (StuRa). Die beiden wollen zeigen: StuRa und Studentenwerk stehen auf der gleichen Seite. Nämlich auf der der Studierenden.

„Insgesamt sprechen wir von drei Effekten“, beginnt Richter. Erstens: Das Studentenwerk hat mehr Ausgaben, weil die Preise für Wareneinsatz und Herstellung, dazu zählen Personalkosten, gestiegen sind. Lebensmittel und Leute werden teurer. „Deshalb mussten wir unsere Preiskalkulation für die Essenspreise ändern“, erklärt Richter. Bis 2017 ergab sich der studentische Preis aus dem Wareneinsatz und 94 Prozent der Herstellungskosten, jetzt sind es 97 Prozent. Für Bedienstete kommt ein Aufschlag von 1,75 dazu, für Gäste 3,10 Euro.

Zweitens: Die Zahl der Studierenden im Einzugsbereich ist gesunken. Insgesamt fallen die Einnahmen von circa 4.000 Beitragszahlern weg – aber die Kosten bleiben fast gleich. „Wir müssen immer ausreichend Kapazität in den Mensen haben“, sagt Richter. Das heißt: Es muss immer genug Personal da sein, um den Ansturm zu den Stoßzeiten bewältigen zu können. Und der ist immer noch riesig, trotz der gesunkenen Studierendenzahlen: Die Alte Mensa auf dem Hauptcampus zum Beispiel ist für 3.500 Leute am Tag gedacht, doch tatsächlich kommen 6.000. Außerdem kann das Studentenwerk unwirtschaftliche Standorte wie die Cafeteria an der Außenstelle der Dresdner Hochschule für Technik und Wirtschaft in Pillnitz nicht einfach schließen, weil dann die Versorgung nicht mehr gesichert wäre. Um die Kostenlücke auszugleichen, hebt das Studentenwerk deshalb die Semesterbeiträge an: Das macht 2,35 der insgesamt fünf Euro aus.

Steigende Personal- und Warenkosten führen zu steigenden Essenspreisen, weniger Studierende zu steigenden Semesterbeiträgen: „So weit ist das alles nachvollziehbar“, sagt Richter. Soyk vom StuRa stimmt ihm nickend zu.

Der Knackpunkt ist Effekt Nummer drei: die Infrastrukturvorhaltekosten. Dazu zählen der Bauunterhalt und die Instandhaltung der Mensen und Geräte – kurzum: alles, was die Mensen „sicher, warm und hell“ macht, wie Richter sagt. Anders als in den meisten anderen Bundesländern müssen die sächsischen Studentenwerke für diese Kosten selbst aufkommen. Die Mensen werden also nicht durch den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement betrieben – anders als die Gebäude der TU Dresden. Bei denen zahlt der Freistaat Instandhaltung und Co. Das Studentenwerk erhält zur Bewältigung dieser Kosten zwar vom Land Zuschüsse – aber nicht genug. „Bis 2014 sind diese Zuschüsse stetig gesunken“, sagt Studentenwerks-Chef Richter. Er zeigt auf eine Grafik, darauf ein grüner und ein blauer Graph. Der grüne steigt – das sind die Kosten. Der blaue fällt – das sind die Zuschüsse. Jahrelang hat sich diese Schere immer weiter geöffnet.

2015 aber hat der Freistaat die Zuschüsse stark angehoben, von sachsenweit 5,9 auf 8,9 Millionen Euro. Richter bezeichnet das als „Riesensprung“. „2015 waren unsere Ausgaben für die Infrastrukturvorhaltekosten voll gedeckt.“ Das Problem ist nur: Die Kosten des Studentenwerkes steigen weiter, nicht nur wegen der Inflation. Auch der Sanierungsbedarf wird immer dringlicher. Die Mensa an der Reichenbachstraße ist seit der Erbauung 1960 nicht einmal saniert wurden – nur die Küche vor 20 Jahren. Die Zuschüsse aber sind fix. So ist für 2018 erneut eine Lücke von 640.000 Euro entstanden. Und die muss nun geschlossen werden. „Darauf reagieren wir mit drei Maßnahmen“, sagt Richter. „Die erste ist, Kosten soweit wie möglich zu vermeiden.“ Anders gesagt: Das Studentenwerk fährt auf Verschleiß. Dringend nötige Maßnahmen zur Instandhaltung werden aufgeschoben, alte Geräte nicht ersetzt. Die zweite Maßnahme: Der Semesterbeitrag wird noch einmal angehoben, dieses Mal um 2,65 Euro. Mit den 2,35 Euro aus den sinkenden Studierendenzahlen kommt so die Erhöhung von insgesamt fünf Euro in der Hochschulgastronomie zustande. Drittens steigen noch einmal die Essenspreise für die Bediensteten, so dass sich gemeinsam mit der erhöhten Preiskalkulation der eingangs erwähnte Preisanstieg ergibt. Doch auch nach diesen Maßnahmen bleibt eine Lücke von 180.000 Euro. „Diese Lücke halten wir symbolisch offen“, sagt Martin Richter. „Wir können einfach nicht alles ausgleichen.“ Auch Matthias Lüth, Mitglied des StuRa und Verwaltungsratsvorsitzender des Studentenwerks, bezeichnet es als einen „unhaltbaren Zustand“, dass Studierende für die Infrastruktur der Mensen aufkommen müssen. Die 640.000 Euro müssten vollständig vom Land ausgeglichen werden.

Das Wissenschaftsministerium (SMWK) hat die Kritik im November in den Dresdner Neueste Nachrichten als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet. Schließlich seien die Preiserhöhungen nur moderat, außerdem hätte der StuRa ihnen ja im Verwaltungsrat des Studentenwerkes zugestimmt. Das stimmt zwar. „Aber wir unterlagen Sachzwängen“, sagt Soyk. Die studentischen Mitglieder im Verwaltungsrat könnten das Studentenwerk nicht einfach gegen die Wand fahren lassen. „Die Kosten fallen nun einmal an.“ Das SMWK aber hat noch ein Argument: Die Instandhaltung bewege sich im gesetzlichen Auftrag des Studentenwerkes. Doch das, so Richter, stimme nur zum Teil: „Im Gesetz steht: ‚Betreibt Verpflegungseinrichtungen!‘ Dass wir diese auch in Dach und Fach erhalten müssen, ist keine gesetzliche Aufgabe.“ Das sei nur in separaten Überlassungsverträgen mit dem Freistaat geregelt.

Hier sieht Richter nun Spielraum. Die Zuschüsse müssten nicht nur dynamisiert werden, so dass diese beispielsweise an die Inflation angepasst werden könnten. Vor allem müssten die Mensen des Studentenwerkes genauso behandelt werden wie Kantinen des Freistaates, jene im Landtag etwa. Für diese gilt die sogenannte Kantinenverordnung. Zwar ist auch hier geregelt, dass der Betreiber für Wareneinsatz und die Herstellung aufkommt. Die Infrastrukturvorhaltekosten aber übernimmt der Freistaat. Für Richter ist klar: „Studenten und Bedienstete der Hochschulen sollten nicht anders behandelt werden als andere Landesbedienstete.“

Katharina Strack, Pressesprecherin des SMWK, zeigt sich offen für eine Dynamisierung. „Das SMWK erkennt diese Ansprüche an.“ Es sei vorgesehen, im Doppelhaushalt 2019/2020 die gestiegenen Kosten der Studentenwerke anzumelden. Über eine dauerhafte Dynamisierung könne aber derzeit noch nicht entschieden werden. Das Modell der Kantinenverordnung, so die Pressesprecherin, sei „de facto“ Realität. Schließlich erhielten die sächsischen Studentenwerke doch schon jetzt die Zuschüsse auf Basis der Infrastrukturvorhaltekosten. Das entspräche dem Modell der Kantinenverordnung.

Doch Martin Richter redet nicht von Zuschüssen, sondern von einer dauerhaften Übernahme der Kosten. Er ist aber optimistisch, dass sich etwas ändern wird. Bei Gesprächen mit Politikern habe er viel Verständnis und viel guten Willen gesehen. „In der Politik geht es eben nur in kleinen Schritten vorwärts.“

Text: Luise Martha Anter

Foto: Amac Garbe

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