Eine Ausstellungsreihe der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) bringt junge Kunst ins Hechtviertel und sendet damit einen Appell für mehr künstlerische Freiräume in Dresden aus. Im temporären BIAS-Kunstraum läuft noch bis zum 11. Mai die achte Ausstellung der zehnteiligen Reihe „Kunstknallen“.
Ein großes Metallregal dominiert den kleinen Ausstellungsraum auf der Rudolf-Leonhardt-Straße im Herzen des Dresdner Hechtviertels. In diesem finden sich Verpackungskartons verschiedener Konsumgüter, ein künstlicher Kamin, eine Mikrowelle, Bücher und eine künstliche Topfpflanze. Nichts scheint zueinander zu gehören und doch ergibt alles zusammen eine seltsam anmutende Einheit.
Eine Glassteinwand mit Geldscheinen, ein weiteres Regal und verschiedene Objekte tummeln sich auf dem Meer der kommerziellen Möglichkeiten (dem knallblau ausgelegten Boden des Ausstellungsraums). Hinzukommt auch eine olfaktorische Note und die auditive Einspielung der Eröffnungsperformance – eine alle Sinne an- und umgreifende Installation.
Geschaffen wurde diese nicht ganz leicht zugängliche Gemeinschaftsarbeit von dem Künstler:innentandem Tom Schellmann und Lucie Freynhagen. Unter dem Titel „Subservices“ hinterfragen sie mit ihrem offensichtlich kruden und doch sehr persönlichen Mix aus Objekten die karrieristischen Dimensionen des Künstler:innenlebens. „Lebensrealität trifft inhaltlichen Diskurs, künstlerische Arbeitspraxis stiftet Glaubensgemeinschaft“, erklären sie im ansonsten nicht minder kruden Ausstellungstext.
Studis vs. Alumni
Wer jetzt meint, diese untrennbar ineinandergreifende Doppelposition sei Ergebnis lang erprobter Zusammenarbeit, der irrt. Gemäß dem Konzept der Ausstellungsreihe haben sich der kurz vor dem Abschluss stehende HfBK-Theaterplastikstudent Tom Schellmann und die etablierte, diplomierte Künstlerin Lucie Freynhagen erst für das Ausstellungsprojekt zusammengefunden.
In einer Ausschreibung hatte der Career Service der HfBK Dresden, der seit gut einem Jahr von der Kuratorin und Kunstwissenschaftlerin Denise Ackermann geleitet wird, Studierende aller Fachrichtungen dazu aufgerufen, Bewerbungen einzureichen, die ein gemeinschaftliches Ausstellungsprojekt mit bereits diplomierten Künstler:innen vorsehen. Jenes gängige Konzept, etablierte Kunstschaffende mit Kunststudierenden zusammenzubringen, verbindet sich bei dem „Kunstknallen“-Projekt zusätzlich mit einem räumlichen Kooperationsgedanken. Da Denise Ackermann das zehnteilige Ausstellungsprojekt bewusst „raus aus dem Schutzraum Kunsthochschule“ bringen wollte, war es eine glückliche Fügung, dass just in die Projektplanung der Anruf der Künstlerin Lisa Maria Baier hineinplatzte, die seit einiger Zeit auf der Rudolf-Leonhard-Straße im Dresdner Hechtviertel den BIAS-Kunstraum betreibt, diesen aber in Bälde abgeben möchte und nach einer möglichen Nachfolge suchte.
Für rund 40 Bewerber:innentandems schien dies eine interessante Chance zu sein, außerhalb der sicheren Hochschulmauern zufälligen Passant:innen und konkreten Besucher:innen ihre künstlerischen Positionen vorzustellen – strukturell betreut, aber doch weniger geschützt als im Hochschulkontext. Elf Künstler:innenduos wurden schließlich von einer Jury ausgewählt, um mit zehn jeweils zehntägigen Ausstellungsslots und einer Performance den Raum zu bespielen. Dabei waren und sind bei den Alumni unter anderem so etablierte Künstler:innen wie Stefan Lenke, die aktuell ausstellende Lucie Freynhagen oder Marie Athenstaedt, die wiederum jeweils – als gewinnbringendes Add-on des Ausstellungskonzepts für Studierende wie auch für externe Interessierte – im Rahmen ihres Ausstellungsblocks in einem Artist Talk von ihren spezifischen Erfahrungen berichten.
Die Räume fehlen
Dass die Nachfrage und auch das Interesse an dem Ausstellungsprojekt groß sind, wundert Denise Ackermann genauso wenig wie alle anderen Beobachter:innen der zeitgenössischen Dresdner Kunstszene. Gab es in den 2000er Jahren noch reichlich Freiräume und Möglichkeiten für unkonventionelle Ausstellungsprojekte, so ist dies seither stetig zurückgegangen. Das liegt natürlich vor allem an den stetig steigenden Immobilienpreisen, verbunden mit der damit einhergehenden Sanierung vieler Altbestände. Doch hinzukommt auch das trotz einiger Bemühungen immer noch schwache Engagement seitens der Stadt, ein nachhaltiges Konzept für bezahlbare Atelier- und Ausstellungsräume zu schaffen, das die Alumni ihrer hervorragenden Kunsthochschule auch in der Stadt halten würde.
Einen Lichtblick gibt es im vorliegenden Fall aber doch: Für den BIAS-Kunstraum hat sich im Zuge des „Kunstknallen“-Projekts eine Gruppe von Studierenden gefunden, die den Kunstraum übernehmen und den Stadtteil somit weiter um frische Kunstpositionen bereichern will.
Als nächstes verwandeln übrigens ab dem 16. Mai Alen Bichler und Franzi Goralski den Ausstellungsraum in ein sinnliches Lab. In ihrer Ausstellung „Was ist der Sinn von Träumen & Ambitionen?“ treffen Tiefgründiges und Lustvolles aufeinander. Vom 30. Mai bis zum 8. Juni folgen Stefanie Hollerbach und Marie Athenstaedt. Geöffnet Mittwoch bis Sonntag, 16 bis 19 Uhr. Nächster Artist Talk mit Lucie Freynhagen zum Thema „Strategien der Künstler:innenwirklichkeit“ am 11. Mai (19 Uhr).
Text & Fotos: Susanne Magister