Wer glaubt, die Dresdner würden sich nur über das Klima, die Maskenpflicht oder architektonisch zweifelhafte Gebäude aufregen, der irrt.
Denn vor zwei Wochen ging ein Ruck durch das Tal der Ruhelosen. Keiner wagte es auszusprechen, doch mancher vermutete schon den Untergang der sommerlichen Kultur. Zwei Monate ohne Klavierkonzerte, Vormittags-Yoga und Kino mit einem Sandsteingebäude im Hintergrund. Keine bunte Licht-Installation. Kein Hetzen und Abendessen, damit man rechtzeitig in der Warteschlange steht, um noch reinzukommen. Keine bunt angestrahlten Flügel oder Indiekünstler:innen. Sprich: Der Sommer ist versaut.
Der Stein des Anstoßes: der Palais Sommer. Oder besser: die Nutzung der Grünfläche zwischen dem Japanischen Palais und dem Elberadweg. Seit 2009 wurde diese von Jörg Polenz und seinen Mitstreitern bespielt. Doch nun hat der Freistaat Sachsen bzw. das Sächsische Immobilien- und Baumanagement die Fläche neu ausgeschrieben und, gemäß den Ausschreibungsvorgaben, nach Höchstgebot entschieden. Und gewonnen hat – Überraschung! – Thomas Jurisch. Der Slampoet und Veranstalter versucht sich nun auf der ganz großen Bühne. Er hat das Höchstgebot abgegeben und den Zuschlag bekommen. Nun stellt er sich der Herausforderung, eine Veranstaltung zu ersetzen, die jeden Sommer aufs Neue Besucher anlockt und Spendenaufrufe verschickt. Und dem lauen Lüftchen, das ihm entgegenweht.
Eilig wurde die Presse informiert, von Jurisch, aber vor allem vom Team des Palais Sommers. Mittlerweile gibt es eine Petition, die gegenwärtig rund 11.250 Menschen unterschrieben haben und die fordert, die Entscheidung „zu überdenken, neu zu bewerten und zu korrigieren“. Das Paradoxe ist, dass die Bedingungen klar ersichtlich waren – aber jetzt, nachdem die Wahl nicht wunschgemäß ausgefallen ist, solle die Entscheidung überdacht werden. Und bitte der Richtige gewinnen. Mittlerweile hat sich auch Thomas Löser von den Grünen eingeschaltet und eine Kleine Anfrage an den Sächsischen Landtag gestellt, in der nicht nur das Höchstgebot hinterfragt wird, sondern auch, warum die Entscheidung erst jetzt gefällt wird. Denn der Sommer ist nah und die Organisation braucht Zeit.
Was mich daran ärgert ist, dass hier ein sehr einseitiges Bild gezeichnet wird. Immer wieder wird der Eindruck erweckt, mit dem Palais Sommer würde die Kultur auf der Fläche wegfallen, sie würde nicht mehr allen Dresdnern kostenlos zur Verfügung stehen. Obwohl verständlich ist, dass zwei Wochen nach der Bekanntgabe noch nicht klar sein kann, wie genau das neue Kleinkunstevent aussieht und ob es kostenlos bleibt. Ich habe das Gefühl, dass aus Frust über die Veränderung die Meinung der Dresdner aufgewiegelt wird. Obwohl Abwarten und Apfelschorle trinken wohl besser wäre.
Ich habe die Diskussion verfolgt und merke: Die Meinungen gehen hier weit auseinander. Manche sind bestürzt und plädieren für den Erhalt. Für andere sind die Regeln, nach denen entschieden wurde, klar kommuniziert – wer verliert, verliert eben. Wieder andere hinterfragen die Persönlichkeiten von Thomas Jurisch und Jörg Polenz, was ich nicht gut finde. Ich spüre, dass die meisten traurig sind, dass eine Veranstaltung, auf der sie viel Spaß hatten, in der Form wegfällt. Dazu Kommentare zur Kommerzialisierung des Palais Sommers. Andere freuen sich über den frischen Wind. Letztlich ist es eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten. Aber vielleicht auch das Bedürfnis, etwas tun zu wollen. Wenn die Zeiten so unsicher sind, dann hält man sich an der Kultur fest. Und das ist ja ein Sinn von „Kunst“.
Klar ist aber auch: Es gibt in Dresden viele Veranstaltungen, die wahrscheinlich weiterlaufen. Dazu gehören die Filmnächte oder die Kultur am Pavillon, die gerade das Crowdfounding für die aktuelle Saison gestartet hat. Einige Kleinkunst- und Lesebühnen. Dazu kommen Events, die eher spontan organisiert werden wie öffentliche Chorproben, Straßenmusik oder Tanztrainings an der Elbe. Mit dem Palais Sommer verliert Dresden eine wichtige Veranstaltung, aber die Kultur ist deswegen nicht tot.
Anstatt zu bedauern, dass sich etwas ändert, sollten wir also hingucken, was da ist. Sollten die Künstler und Veranstalter unterstützen und uns freuen. Und dann zur Wiese hinter dem Japanischen Palais gehen und gucken, wie der neue Kleinkunstsommer funktioniert.
Text: Vivian Herzog
Foto: Amac Garbe
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