Schon wieder gendern?

Als Journalistin überlege ich manchmal, worüber ich noch eine Kolumne schreiben könnte. Gerade, wenn es spontan passiert, weil andere Autor:innen keine Zeit haben. Corona: oh nee! Die Kriege auf der Welt: viel zu wenig Ahnung! Geschlechtergerechte Sprache: schon wieder? Obwohl, vielleicht … Denn seit meiner letzten Kolumne zu diesem Thema habe ich einiges dazugelernt. Zum einen gab es Rückmeldungen auf ebenjenen Text, dass zu viele Sonderzeichen oder anderweitig umständliche Formulierungen für Menschen mit einer sprachlichen Einschränkung oder Sehschwäche besondere Hürden bedeuten. Zum anderen hatte ich aber auch zwei Workshops, die mir noch einmal die Dringlichkeit des Themas verdeutlicht haben – obwohl ich dachte, die schon längst erkannt zu haben.

Klar ist: Wir lernen nicht aus. Und sollten es auch nicht. Lange dachte ich, im Doppelpunkt die ideale Form fürs Gendern gefunden zu haben. Angeblich barrierefreier als andere Zeichen, andere Geschlechter als die binären einschließend. Und jetzt lerne ich: Der Doppelpunkt wird noch zu oft als Satzzeichen verstanden und das nachfolgende -innen wirkt wie ein Anhängsel der maskulinen Wortform. Zumal er eine Aufzählung suggeriere, dann aber doch nur die weibliche Form kommt.

Noch schwieriger ist das Sprechen. Kann ich ein -innen anhängen, geht es vielleicht noch, aber geht es um Wörter wie „man“, „jede:r“ oder möchte ein Mensch ohne Pronomen angesprochen werden, komme ich massiv ins Straucheln – und werde gelb vor Neid, wenn ich Anke Engelke in einer Joko Winterscheidt gestohlenen Fernsehshow derart elegant gendern höre, als hätte sie es mit der Muttermilch aufgenommen.

Natürlich haben wir andere Probleme, aber muss man Klimawandel gegen Gender- und soziale Gerechtigkeit oder gar Kriege aufrechnen? Wenn es Menschen gibt, die sich durch meine Sprache verletzt oder nicht mitgedacht fühlen, versuche ich, das zu verhindern. Es geht mir auch nicht darum, andere Menschen zu belehren. Vielmehr möchte ich sie zum Denken anreden, ohne dass sie gleich ihren gesamten Sprachgebrauch umkrempeln. Vielleicht versuchen sie es irgendwann aber.

Text: Nadine Faust

Foto: Amac Garbe

Ein Gedanke zu “Schon wieder gendern?

  1. Ein fundamental anderer Ansatz des Genderns, der systematisch für Geschlechtergerechtigkeit viel stimmiger und kompatibler mit gewöhnlicher Sprache ist: gleichgestellte Movierung.

    Journalist: geschlechtsneutrale Berufsbezeichnung
    Journalistin: weiblicher Journalist
    Journalistan: männlicher Journalist
    Journaliston: abinärer Journalist

    Super einfach, barrierefrei, minimalinvasiv, alle Geschlechter werden gleich behandelt.

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