Nahrungspflanzen aus Angola – neue Perspektiven für die Landwirtschaft

Angola, ein Land im Südwesten Afrikas, leidet noch heute unter den Folgen des Unabhängigkeitskrieges von Portugal und dem sich anschließenden Bürgerkrieg. Erst seit 2002 herrscht wieder Frieden im Land. Nach 40 Jahren Krieg sind die Folgen für Industrie, Landwirtschaft, Bildung und das Gesundheitssystem noch immer deutlich erkennbar. Insbesondere die ländliche Bevölkerung kämpft weiterhin mit einer hohen Kindersterblichkeitsrate und Fehlernährungen, welche unter anderem auf einen Vitamin-, Mineral- und Proteinmangel hinweisen.

Unbekannte Pflanzenwelt

Im Rahmen einer langjährigen Kooperation zwischen der ortsansässigen Universidade Kimpa Vita im Norden des Landes in Uíge und der Professur für Botanik an der TU Dresden soll ein Promotionsvorhaben lokal wachsende Pflanzen in Angola hinsichtlich ihrer ernährungsphysiologischen Relevanz untersuchen. Die verschiedenen Arten sollen dabei auch mit Hilfe von Anbauversuchen im angrenzenden botanischen Garten in Uíge kultiviert werden.

Die untersuchten Pflanzen sind den meisten hier unbekannt, da sie sich weder im Spezialitätenladen noch im Internet finden lassen. So beispielsweise das blutrote Fruchtfleisch einer im Wald kletternden Liane (Clitandra cymulosa). In der Lokalsprache Kikongo der ortsansässigen Ethnie der Bantu wird die Frucht Menga menga genannt, was mit „Blut-Blut“ übersetzt werden kann.

Eine andere untersuchte Frucht ist die der Pflanze Mfungu, ihr wissenschaftlicher Name lautet Anisophyllea quangensis. Die Pflanze wächst primär unterirdisch, um sich vor Feuer und Hitze bzw. im Süden des Landes vor Frost zu schützen. Ihre essbaren Früchte wachsen daher nur an kurzen Trieben oberirdisch, während der Großteil der Pflanze unter der Erde zu finden ist. Ihr Geschmack erinnert an den von Pflaumen und wird von einigen Bewohner:innen der Region zur Herstellung von Wein verwendet. Die Art hat ein enges Verbreitungsgebiet, so lässt sie sich in Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Zambia und Kamerun finden. Die Erforschung und der Schutz dieser Art sind daher von besonderem Interesse.

Essbare Früchte von Anisophyllea quangensis
Daten sammeln in Angola

Bei den über 43 untersuchten Pflanzenproben handelt es sich jedoch nicht nur um Früchte, denn auch Blätter, Samen oder Wurzeln werden als Nahrung genutzt. Zusammen mit einem Team der angolanischen und deutschen Universität wurden verschiedene Feldreisen zur Datenaufnahme durchgeführt. Dabei beginnt jede Reise mit formellen Treffen mit den administrativen und traditionellen Autoritäten, um Arbeits- und Sammelerlaubnisse zu erhalten.

Wenn alles gut läuft, kann es dann auch mit der Arbeit im Feld losgehen. Lokale Führer:innen, meist Jäger:innen oder traditionelle Heiler:innen aus dem jeweiligen Dorf, leiten das Team an die verschiedenen Stellen in der Umgebung, wo Nahrungspflanzen zu finden sind. Der Fokus liegt dabei auf heimischen Pflanzen, die nicht wie Maniok, Erdnuss oder Mango eingeführt und kultiviert werden. Um die Pflanzen in Deutschland identifizieren zu können, wird dabei nicht nur der essbare Teil der jeweiligen Pflanze gesammelt, sondern auch ein Herbarbeleg angefertigt. Dazu werden die Blätter gepresst, getrocknet und anhand von Bestimmungsliteratur bestimmt, denn Menga menga, Mapodia, Maspemba oder Mfungu sind leider keine anerkannten Namen in der Wissenschaft. Moderne Methoden wie die DNA-Sequenzierung helfen bei der Bestimmung nur sehr selten, da es meist für keine der untersuchten Arten Referenzwerte gibt.

Arbeitsweise in einem Dorf in Cuanze Norte, Anfertigen eines Herbarbeleges
Auswertung an der TU Dresden

Die gefriergetrockneten, essbaren Pflanzenproben werden nachfolgend an verschiedenen Instituten der TU Dresden hinsichtlich ihres Vitamingehaltes, ihrer Mineralien und ihrer Standorteigenschaften untersucht. Etablierte Methoden müssen dabei an die verschiedenen Eigenschaften der Pflanzenproben angepasst werden, damit man eine kontinuierliche und gleichbleibende Aufarbeitung aller Proben gewährleisten kann. Dies gestaltet sich teils schwierig, da das Zerkleinern und Homogenisieren eines trockenen Blattes andere Ansprüche hat als das eines zähen, klebrigen Fruchtfleisches. Über 20 verschiedene Elemente wurden in den Pflanzenproben bestimmt, so beispielsweise gesundheitsförderliche wie Calcium, Magnesium, Eisen oder Zink und gesundheitsschädliche wie Arsen, Blei oder Cadmium. Die Corona-Pandemie hat es leider unmöglich gemacht, neues Probenmaterial zu sammeln, weswegen nur ausgewählte Pflanzenarten mit viel Probenmaterial hinsichtlich ihrer Vitamine und Standorteigenschaften untersucht werden konnten.

Angolanische und deutsche Student:innen zusammen beim Datensammeln in Uíge
Zielsetzung des Forschungsvorhabens

Mit Hilfe der Analysen sollen Pflanzen identifiziert werden, die einen hohen ernährungsphysiologischen Wert haben. Symptome von Mangel- und Fehlernährung sollen mit ihrer Hilfe bekämpft werden. Zudem soll die Wertschätzung der heimischen Flora gestärkt werden, um die immer noch weit verbreitete Brandrodung überflüssig zu machen. Lokal wachsende Pflanzen müssen nicht aufwendig auf spezifischen Böden kultiviert werden, sie sind bereits bestens an die lokal vorherrschenden Boden- und Klimabedingungen angepasst. Dieses Potential zu erforschen, zu nutzen und anzuwenden ist Ziel des beschriebenen Projektes. Dazu findet ein intensiver Austausch der Partneruniversitäten statt, indem einerseits angolanische Student:innen die Laborarbeiten in Dresden unterstützen und andererseits Workshops in Angola zur Kommunikation und Präsentation der Ergebnisse geplant sind.

Text: Christin Baumgärtel

Zum Titelfoto: Frucht der kletternden Pflanze Clitandra cymulosa, das rote Fruchtfleisch ist essbar.

Fotos: Falco Baumgärtel, Christin Baumgärtel, Luzírio Francisco Jorge

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