Eigentlich sollte dieser Text von Frauenzeitschriften handeln und warum ich mich damit nicht identifizieren kann. Ich wollte schreiben, dass ich die bunten Bilder mag und sie mich immer wieder zum Kauf verführen, obwohl ich feststelle, dass ich das nicht bin. Dass ich meine Weiblichkeit manchmal gern an der Garderobe abgeben und Mensch sein will. Dass es mich nervt, ein einziges Problem zu sein, das ständig dafür kämpfen muss, besser zu werden. Ich bin nicht hübsch genug, ich bin nicht selbstbewusst genug, ich mache im Bett nur Schwierigkeiten und weiß nicht, wie man ein weißes T-Shirt auf 50 verschiedene Arten stylt. Ich wollte schreiben, dass ich keine Problemzone habe, sondern eine bin. Dass ich ein Mensch sein will.
Aber dann kam Corona. Und mit ihm die Unsicherheit. Und das Internet – Experten grübeln, was zuerst da war. Unsere Welt verändert sich jeden Tag, im privaten und beruflichen Bereich. Fakenews kämpfen um die Vorherrschaft, verschiedene Gruppen um ihre Wahrnehmung als besonders wichtig. Plötzlich haben wir Probleme, die vorher nicht da waren. Wie überträgt man wichtige Pressekonferenzen für viele Gruppen barrierefrei? Wie viele Vorräte lege ich an? Und was mache ich, wenn meine sozialen Kontakte überwiegend dadurch entstehen, dass ich rausgehe, mit anderen plaudere?
Besonders deswegen trifft mich der Stillstand der Kulturszene. Früher, also vor zwei Wochen, konnte ich selbst entscheiden, wo ich hingehe. Selbst wenn ich von 20 möglichen Veranstaltungen keine einzige mitgemacht habe, fühlte es sich gut an. Jetzt zu sehen, wie Tag für Tag, Stunde für Stunde meine Lieblingsveranstaltungen abgesagt werden, fühlt sich an, als würde ein Stück meines Herzens herausbrechen. Plötzlich wird mir bewusst, wie viel in dieser Stadt möglich ist. Wie viel da ist, auch wenn man es nicht sieht. Und dass scheinbar vieles von selbst läuft, auch wenn man es nicht mitbekommt.
Haben wir uns zu sehr daran gewöhnt? Ist Kultur zu billig? Jetzt ist es an der Zeit, etwas zurückzugeben. Bücher zu kaufen, Musik zu hören oder einfach Geld zu spenden. Spendenaufrufe waren für mich oft weit weg – Afrika ist nicht so nah wie der Lieblings-Kulturraum. Jetzt fühlt es sich an, als würde ich das Richtige tun. Und ich hoffe, dass wir irgendwann, in ferner Zukunft, eine große Party feiern, dass wir die Kinos stürmen und uns auf Lesungen quetschen, für die wir keine Zeit haben – weil es uns freut, dass sie da sind. Dass wir den Autor umarmen können, wenn er das will. Dass wir Hände halten und romantisch aus der gleichen Limoflasche trinken, während wir zu unserem Lieblings-DJ abgehen.
Natürlich bietet die Krise auch viele Möglichkeiten – wenn man sich nicht persönlich sieht, gibt es Online-Angebote. Von virtuellen Museumsführungen über Podcasts hin zu digitalen Fotoalben und gemeinschaftlichen Essen über Skype. Auch unter einem Aschehaufen wächst eine kleine Pflanze. Das Kreative wächst unterirdisch weiter. Aber wie groß ist der Tropfen – und wie riesig der Stein?
Text: Vivian Herzog
Foto: Amac Garbe