Vor vielen, vielen Monaten hatten die damals noch in Dresden lebenden Anne-Sophie Hußler und Patrick Pirl eine Idee: Couchsurfing für Zelte, genannt 1Nite Tent. Seit ein paar Wochen steht nun die Website, auf der sich Menschen mit Garten und Menschen mit Zelt finden können.
Der Grundgedanke des Jedermannsrechts ist es, dass es allen Menschen möglich sein soll, die Natur zu erleben und zu genießen. Es erlaubt Zeltenden, eine Nacht am Ort ihres Wunsches verweilen zu können. Allein bewirtschaftete Felder und Rastplätze bilden die Ausnahme, für Naturschutzgebiete kann es ebenfalls Sonderregeln geben. Zudem sollten 150 Meter Abstand zum nächsten Haus gehalten werden. Ein solches Recht gibt es in der Schweiz, in Schottland und Skandinavien, wo sich Pirl und Hußler in die Idee verliebt haben. Wäre das nicht auch in Deutschland denkbar?
„Vermutlich nicht“, meint Anne-Sophie Hußler. „Und wenn, dann nicht ohne einen dicken Einschränkungskatalog, einen Schilderwald vor Ort und eine Menge Papierkram. Das ist eine andere Mentalität. Wir wollten da nicht auf die Politik warten, sondern es lieber selber in die Hand nehmen und uns ein Stück Freiheit über das Miteinander zurückholen.“ Ein Stück Freiheit haben sich die beiden auch für sich selbst zurückgeholt, als sie aus Dresden ins Ländliche gezogen sind: „für mehr Grün, mehr Ruhe, mehr Sterne, für mehr Zeit, sich besser auf das Wesentliche konzentrieren zu können“, beschreibt die 29-Jährige. Hußler arbeitet dort als freiberufliche Illustratorin und Grafikerin im Homeoffice. Patrick Pirl, 31 Jahre alt, hat an der BTU Cottbus und an der TU Dresden BWL studiert und arbeitet jetzt in einem Projekt für Ehrenamtlichen-Koordination.
Dass 1Nite Tent das Baby eines BWL-Studenten und einer Grafikerin ist, sieht man beim Blick auf die Web- und Facebookseite: sehr professionell, sehr stilsicher. Und siehe da: Etwas mehr als ein Monat ist die Seite erst online und schon jetzt haben sich mehr als 30 Menschen angemeldet, die gerne ein Stück Garten für eine Nacht teilen. Die Einladung klingt dann zum Beispiel so: „Mein wild-romantischer Garten mit mehreren kleineren Rasenflächen steht für eher kleinere Zelte zur Verfügung.“ Nach einer kurzen Anmeldung und Absprache über die Bad-Mitbenutzung, die häufig möglich ist, steht also dem Zeltvergnügen für eine Nacht nichts im Wege.
1Nite Tent ist ein rein ehrenamtliches Projekt, daher ist es auch nicht möglich, jeden eingetragenen Ort zu überprüfen, sagt die Erfinderin: „Nach und nach werden wir uns aber einige Plätze ansehen, nicht der Kontrolle wegen, sondern um die Menschen hinter den Pins auf der Karte und ihre grünen Plätze kennenzulernen. Was das Prüfen angeht sind wir auf die Zelter angewiesen. Sobald es Schwierigkeiten gibt, werden wir den Platz einfach löschen.“ Davon ist jedoch nicht auszugehen, die erste 1Nite-Tent-Tour der beiden hat genau das Gegenteil gezeigt: „Es war wunderbar und unbedingt wiederholenswert. Das Zelten stand dabei gar nicht so im Vordergrund, sondern eher die Gastfreundschaft, das herzliche Beisammensein. Das hat uns positiv überrascht“, erzählt Hußler.
Die Facebook-Seite von 1Nite Tent hat mehr als 700 Likes. Wie kommt es, dass die Zahl der angeboten Plätze dann nicht viel höher ist, wollten wir von Anne-Sophie Hußler wissen? „Gerade viele junge Menschen sind für die Idee offen, haben aber meist selbst nicht die räumlichen Kapazitäten, um sich an der Idee in Form eines Platzes zu beteiligen. Wir leben jetzt seit einem Jahr auf dem Land, es ist wunderbar. Ich kann es nur empfehlen und glaube, viele andere kommen auch noch auf den Trichter.“
Text: Marie-Therese Greiner-Adam
Foto: Amac Garbe