Campuskolumne

Dresden. Graues Wetter. Gebärdensprachkurs. Neun Menschen versuchen, ihren Namen mit der Hand zu buchstabieren. Der Blick geht aufs Merkblatt statt zum Gegenüber. Wird die Hand zur Faust geballt oder werden Daumen und Zeigefinger doch weggestreckt? Zeigt die Handinnenfläche zu mir oder zu meinem Gesprächpartner? Und wie war die Bewegung noch mal? Wir gebärden wahrscheinlich alles Mögliche, nur nicht unseren Namen. Aber wie ist das eigentlich, wenn man nichts hört? Wenn Musik dumpfe Vibrationen des Bodens sind? Wenn man auf der Straße nicht unkompliziert nach dem Weg fragen kann? Oder wenn die Eltern hören können, ihr Kind aber nicht?

Ein paar Fragen werden an diesem Tag beantwortet, deutlich mehr tun sich aber auf. Denn Gehörlose bilden eine eigene Gemeinschaft mit einer eigenen Sprache. Und die hat eine eigene Grammatik, die weit entfernt ist von der deutschen Schriftsprache. Die Schriftsprache ist deswegen für Gehörlose wie eine Fremdsprache, die sie zusätzlich zur Gebärdensprache lernen müssen. Dialekte und regionale Eigenheiten gibt es in der Gebärdensprache ebenfalls. In Sachsen zum Beispiel ist der Einsatz des Mundes zur unterstützenden Artikulation besonders stark ausgeprägt. In Leipzig wurde 1778 auch die erste staatliche Gehörlosenschule der Welt gegründet.

Heute nur fünf Stunden, um einen kleinen Einblick in diese Welt zu bekommen, die noch immer am Rande unserer Gesellschaft steht, obwohl die Menschen unsere Nachbar*innen, Kolleg*innen, Freund*innen, Familienmitglieder sind. Menschen, die nur ins Kino gehen können, wenn es Untertitel gibt. Die aber 36 Gebärden für das Wort „gelb“ haben – in Deutschland zumindest.

Text: Nadine Faust

Foto: Amac Garbe

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