Die volle Kunstdröhnung

Während der TU-Campus so langsam in duselige Sommersemesterferienstimmung gleitet, jagt an allen drei Standorten der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) Dresden alljährlich im Juli ein Höhepunkt den nächsten.

Den Auftakt bildet wie immer die Jahresausstellung (bis 23. Juli, täglich 11 bis 18 Uhr). Dafür haben die Studierenden an den beiden HfBK-Standorten für die Bildhauerei (Pfotenhauerstraße 81/83) und Malerei/Grafik (Brühlsche Terrasse 1) die Essenz ihres freien künstlerischen Schaffens des vergangenen Studienjahres zusammengestellt. Dieses Jahr scheint es dabei eine unausgesprochene Abstimmung zu geben, die die Ausstellung durchzieht und bereits im Flyermotiv (eine mit dem Kopf in der Wand steckende menschliche Figur von HfBK-Diplomand David Morgenstern) vorgegriffen wird: Sehr viele Positionen beziehen sich auf den Körper und Körperlichkeit in jedweder Form.

So hat sich auf der Brühlschen Terrasse beispielsweise die Klasse von Prof. Christian Sery zusammengetan und einen Fitnessraum als eine Art Gesamtinstallation mit Einzelpositionen geschaffen. Sie rufen Referenzen in Richtung „der Künstler wird fit gemacht für den Kunstmarkt“ bis hin zum allgemein menschlichen Hamsterrad der Selbstoptimierung auf.

Das Spannende an den Jahresausstellungen ist, dass die HfBKler hier noch experimentieren können. Die Werke müssen noch nicht dem perfektionistischen Anspruch einer Diplomarbeit genügen – und sind damit manches Mal umso anregender. Auch die „Frischlinge“ können so noch ganz ungezwungen die ersten Ergebnisse ihres Studienlebens an die Öffentlichkeit geben. Seit sich vor zwei Jahren die Studienordnung geändert hat, müssen die Künstleranwärter nicht mehr bereits bei der Bewerbung entscheiden, ob sie Malerei/Grafik oder Bildhauerei studieren möchten. Stattdessen besuchen die jährlich etwa 40 bis 50 Studienanfänger zunächst einmal eine Orientierungsstufe – intern nur noch „Orient“ genannt. Im Wechsel arbeiten sie dann in den Bildhauerateliers (auf der „Pfote“) und im Malerei-/Grafikumfeld (auf dem „Brühl“). Bewusst haben sie dabei sehr viel Freiraum und sprechen ausführlich über ihre Wünsche und Erfahrungen mit den verschiedenen Medien und Kunstformen. Nur selten stellt sich dabei heraus, dass jemand von ihnen den „Orient“ doch wieder verlassen muss. Entsprechend vielseitig, vollgestellt und vollgehangen bis zur Raumdecke sind die zwei „Orient“-Räume an den beiden Standorten – gewissermaßen ein eklektizistischer Ausblick auf die kommende Künstlergeneration.

Am vergangenen Eröffnungswochenende wurde zudem auch das große HfBK-Sommerfest bei den Kostüm- und Bühnenbildnern auf der Güntzstraße 34 begangen. Im dortigen Labortheater zeigten sie eine Kostümschau der besonderen Art. „UNI FORM“ hieß das Defilee, bei dem immer neue Kostümwunderwerke zu A-cappella-Jagd- und Volksliedern vom Männerchor (bestehend aus Mitgliedern des Unichores) aus der dunklen Eingangstreppe emporstiegen. Über dem Farb- und Formspektakel stand die Frage: Was macht ein Kleidungsstück zur Uniform? Wodurch wird es uniform? Das bunte Spektrum reicht vom Wassermann und anderen Fabelwesen über das Trachtenpaar bis zur Hochzeitsbekleideten. Von der Burka über das Priestergewand aus pinken Pailletten bis zur Plastikuniform mit Schieflage – kleine Details persiflieren dabei die allseits gängigen gesellschaftlichen Codes.

Die ganze Bandbreite, die die Studiengänge auf der Güntzstraße zu bieten haben, sind auf den Gängen und in den Ateliers zu erleben. Die Studierenden des Aufbaustudiengangs KunstTherapie präsentieren Arbeitsergebnisse ihrer Zusammenarbeit mit dem Diakonissenkrankenhaus („Projekt intensiv“) und mit Flüchtlingen einer Erstaufnahmeeinrichtung.

Die Theatermaler geben Einblicke in ihre Ateliers, in denen riesige Theaterbilder wiederum teils anamorphe (optisch verzerrte) oder traumbildhafte Ausblicke geben. Einige angehende Theaterplastiker dürfen mit ihren Skulpturen die Nischen und Ecken des Treppenhauses bespielen, darunter auch der sagenhafte Riese, den die Diplomandin Ruth Weissenburger für eine „Tapferes Schneiderlein“-Inszenierung schuf und dem ein versteckter und zwei Stäbe haltende Spieler zur lebensechten Bewegung verhelfen.

Als weiterer Beweis, dass umtriebige Studierende bereits im Studium erfolgreich Aufträge abgreifen können, steht auf einem Sockel die historische Plastik des Sexualwissenschaftlers Martin Dannecker mit Mikro und Protesttafel, auf der zu lesen ist: „Brüder & Schwestern, warm oder nicht, Kapitalismus bekämpfen ist unsere Pflicht.“ Der Theaterplastik-Student Leopold Dietrich schuf sie als Auftragsarbeit für das Schwule Museum in Berlin.

Auch die Kostümgestalter des vierten Studienjahres lassen die Besucher in ihre Ateliers hineinschnuppern und erklären, wie es ist, gleichzeitig an einer barocken Robe und einem Science-Fiction-Kostüm für das Projekt „Star Wars Today“ zu arbeiten.

Am 21. Juli (19 Uhr) wird dann auf der Brühlschen Terrasse die Diplomausstellung eröffnet (zu sehen bis 3. September). Bis zum offiziellen sonntäglichen „Abgrillen“ (23. Juli, ab 16 Uhr) an der Pfote sind Jahres- und Diplomausstellung an allen Standorten parallel geöffnet – die volle Kunstdröhnung wider das Sommerloch.

Text: Susanne Magister

Fotos: Amac Garbe

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