Friedlich sieht es aus auf dem Campus, unschuldig weiß verschneit. Idyllisch. Na ja, nicht ganz: Graue Gestalten schlurfen müde durch die Gegend wie Gespenster. Rucksäcke in den Kniekehlen, Mundwinkel auch: Es ist die Zeit des schlechten Gewissens. Die Zeit des Semesters, in der jeder feststellt, dass die Prüfungen doch nicht mehr so weit weg sind. Dass das Semester bald zu Ende ist, dass die Hausarbeiten bald abgegeben werden müssen. Oder zumindest mal angefangen. Es ist auch die Zeit des Selbsthasses. Dieses Semester wollte man doch endlich einmal rechtzeitig anfangen! Und dann gibt es in jedem Freundeskreis diese zwei Streber, die schon Monate vor der Prüfungszeit angefangen haben zu lernen – jetzt aber am meisten jammern, „wie sehr sie hinterher sind“. Denen man in der SLUB unauffällig aus dem Weg geht, weil in ihrer Anwesenheit das schlechte Gewissen potenziell ansteigt. Die einen trotzdem immer irgendwie zu finden scheinen und dann zum Mittagessen in die Mensa mitschleppen, wo sie panisch über Dinge fachsimpeln, von denen man noch nie etwas gehört hat. Dann ist man nach dem Mittagessen eine Stunde motiviert, bevor man wieder auf Facebook landet. Um dann doch zwei Wochen später panisch in der Prüfung zu sitzen und die eigene Faulheit zu verfluchen. Die 2,7 danach ist nicht schön, aber okay. Immerhin nicht durchgefallen.
Nach der Prüfungsphase sitzt man dann bei Wein und Schokolade mit seinen Freunden da und schwört sich gegenseitig, es das nächste Mal anders zu machen. Eher anzufangen, weniger faul rumzusitzen. Ein bisschen Ehrgeiz zu entwickeln. Vielleicht klappt es ja sogar. Vielleicht.
Text: Alisa Sonntag
Foto: Amac Garbe