Vertraute Ferne

Endlose Savannen und karge Landschaften erfüllen in Namibia die Sehnsucht nach Abgeschiedenheit. Neben Sanddünen und Zebraherden finden sich auch deutsche Spuren.

Eine endlos gerade Straße, außerorts, 100 PS unter der Motorhaube. Trotzdem schleicht der SUV nur mit gut 50 Kilometern pro Stunde durch die kaum bewachsene Landschaft, die links und rechts von sanften Hügeln gesäumt wird. Im Rückspiegel ist von denen nichts zu sehen. Stattdessen zieht das Auto eine meterlange Staubwolke hinter sich her. Es wird doch nicht …? Doch. Es ist ein Reifen geplatzt. Kein Wunder bei der Schotterpiste, die in Namibias Straßennetz die Regeln sind. Kurz nach dem Zwischenfall stoppt ein klappernder Transporter unter der sengenden Sonne. „Do you need help?“, fragt der Fahrer. Noch ehe die Antwort ertönt, legt er Hand an und wechselt den Reifen.

Zurückgelassene geplatzte Räder am Fahrbahnrand gehören zum Straßenbild Namibias dazu. Ein Glück, dass so viele Einheimische hilfsbereit und Fremden gegenüber offen sind. Vor allem die Deutschen sind beliebt, zählen sie doch zur größten europäischen Reisegruppe in einem Land, das neben etwas Berg- und Landwirtschaft vor allem vom Tourismus lebt. Dabei verbindet Namibia auch ein düsteres Kapitel mit Deutschland, als es bis zum Ersten Weltkrieg Kolonie war und manche Gräueltat erlitt. Noch heute streiten die Nachkommen des Herero-Stammes vor Gericht für eine Wiedergutmachung.

Doch stammt aus der Zeit auch ein Großteil der Infrastruktur. Sie führt noch heute durch das Land, das fast 2,5-mal so groß ist wie Deutschland, aber nicht mal 2,5 Millionen Einwohner hat. Vor allem wird das koloniale Erbe in den Städten wie Swakopmund sichtbar: Wer durch die Straßen des Ortes an der Atlantikküste flaniert (die zum Beispiel die Namen Bismarcks und Kaiser Wilhelms tragen), der wähnt sich in einem typisch deutschen Seebad. Nur dass sich hinter den gründerzeitlich anmutenden Fassaden der noblen Villen keine Nadelhölzer erheben, sondern Palmen und Sanddünen.  Im wohl bekanntesten Gasthaus der Stadt, Kucki’s Pub, geht es auf der Speisekarte deftig-deutsch zu: „Eisbein served with Sauerkraut“ wird hier genauso geboten wie die „Curried Bratwürst“.

Doch sind es wohl weniger die deutschen Spuren, die Urlauber nach Namibia locken, sondern vor allem beeindruckende Landschaften und die vielfältige Tierwelt. Das Sossusvlei, ein Teil der rot schimmernden Namibwüste, schmückt sich mit den höchsten Sanddünen der Welt. Auf „Big Daddy“, wohl bekanntester und einer der höchsten Sandberge, trauen sich zwar nur die wenigsten. Doch zumindest eine der unzähligen Dünen zu erklimmen ist bei den meisten Touristen Pflichtprogramm. Zur Grundausstattung gehört, neben Wasserflasche und Kopfbedeckung, vor allem bei Jüngeren ein kleines Brett: Beim Dünensurfen rauschen sie die Sandhänge hinunter. Doch auf den schnellen Kick folgt das langwierige Saubermachen, wenn der feine Wüstensand bis an die entlegensten Stellen des Körpers gelangt ist.

Während die Wüste nur hartgesottene Tierarten bewohnen, wird die ganze Vielfalt Namibias im nördlich gelegenen Etosha-Nationalpark sichtbar. Wer hier mit dem Auto unterwegs ist, streift riesige Herden von Zebras, Gnus und Antilopen. Etwas Glück braucht es, um Raubkatzen wie Löwen, Geparden oder Leoparden zu sehen. Gute Chancen hat man an den Wasserlöchern, wo sich in der Dämmerung auch gern mal ein Rhinozeros erfrischt. An den Eingängen des Parks werden Faltblätter verteilt, in denen man die gesehenen Tiere abhaken kann. Doch ein paar Tage reichen kaum, um die Liste voll zu bekommen. So bleibt für jeden Urlauber ein Ansporn, nach Namibia zurückzukehren.

Reiseservice:

Hinkommen: Air Namibia fliegt bis zu sechsmal in der Woche ab Frankfurt/Main über Nacht direkt in die Hauptstadt Windhoek. Ebenfalls von dort hebt die Condor zweimal pro Woche ab. Die deutsche Airline fliegt zusätzlich auch ab München nach Windhoek. Ein Ticket ist ab rund 300 Euro zu haben, ein Flug dauert zehn Stunden. Für einen Aufenthalt bis zu 90 Tagen ist kein Visum nötig.

Rumkommen: An einem Mietwagen führt kaum ein Weg vorbei. Doch Sparsamkeit rächt sich: Für die Schotter- und Sandpisten sind Kleinwagen kaum geeignet. Ein geländetaugliches Fahrzeug, besser Allrad, ist Pflicht, Automatikschaltung empfehlenswert. Achtung: Linksverkehr!

Unterkommen: Namibia achtet auf einen verträglichen Tourismus. Gigantische Bettenburgen oder riesige Campingplätze sucht man vergebens. Stattdessen verteilen sich viele kleinere Camps und Gästefarmen quer über das Land – mit geringen Kapazitäten. Man sollte vorher reservieren, denn die nächste Unterkunft könnte Hunderte Kilometer weit weg sein.

Reisezeit: Am Besten eignen sich die Herbstmonate, wenn in Namibia Frühling herrscht. Dann ist es trocken und sonnig, aber noch nicht brutal heiß wie etwa im Januar. Zudem beginnt dann die Regenzeit, die bis in den Mai reichen kann. Die ausgetrockneten Flussbette schwellen an, was die Straßenverhältnisse unberechenbar macht.

Autofahren: Weil das Tankstellennetz dünn ist und Sprit-Engpässe hin und wieder vorkommen, kann es fatal sein, allzu großzügig Tankstellen auszulassen. Ebenfalls sollte man mal gesehen haben, wie ein Reifen gewechselt wird. Dass einer platzt, ist auf den Schotterpisten sehr wahrscheinlich. Wichtig ist außerdem, genug Wasser im Gepäck zu haben – gerade für den Fall, dass ein Reifen platt ist.

Sicherheit:  Im Gegensatz zu Nachbarländern wie Südafrika ist die Kriminalität in Namibia verhältnismäßig gering. Dennoch sollten in Städten wie Windhoek oder Swakopmund Alleingänge im Dunkeln vermieden werden. Auch gesundheitliche Risiken bestehen, wenn auch in geringem Maße: Im Norden des Landes droht etwa eine erhöhte Malaria-Gefahr.­­­­­­­­­­­­­­

Text: Tobias Hoeflich

Fotos: Tobias Hoeflich (4)/Tom Waurig (1)

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