Ende März erschien im S. Fischer Verlag der Roman „Stromlinien“ von Rebekka Frank. Mit diesem Buch gelingt der Autorin eine spannende, düstere Familiengeschichte über Generationen hinweg.
Am Anfang steht ein Tag, auf den die Zwillinge Enna und Jale ihr Leben lang gewartet haben. Der 16. August 2023 sollte der Neubeginn sein. Der Tag, an dem Alea, die Mutter der Zwillinge, aus der Haft entlassen werden sollte. Stattdessen verschwindet Jale in der Nacht, Alea ebenso. Enna bleibt allein zurück und sucht in den Elbmarschen nach ihrer Schwester.
Auf der Suche nach Antworten
Was folgt, ist ein Mix aus Gegenwartserzählung und Rückblenden, in denen sich Stück für Stück ein Familiengeheimnis entfaltet. Enna, impulsiv und unerschrocken, will nicht einfach abwarten, was die Polizei herausfindet. Sie sucht auf eigene Faust nach Jale – gemeinsam mit ihrem Schulfreund Luca – und stolpert dabei in etwas viel Größeres, als sie je erwartet hätte.
Parallel taucht die Geschichte immer wieder in die Vergangenheit ein: in die 1980er, als sich Alea und Henri begegnen, weil ihre Väter zusammen bei einem Schiffsunfall verunglückt sind, und in die 1920er, wo die Wurzeln des Schweigens und der Scham vielleicht schon beginnen.
Schuld oder Schutz?
Diese Rückblicke bauen ein Netz aus Liebe, Verdrängung und Entscheidungen, die über Jahrzehnte nachwirken. Mit jedem Kapitel kommt man der Wahrheit näher und wen auch immer man erst verdächtigt hat, der scheint doch unschuldige Beweggründe gehabt zu haben.
Der Roman hat viele leise Momente: Ennas Zusammenspiel mit ihrer Großmutter Ehmi, das tastende Annähern an ihren Schulfreund Luca und die Naturbeschreibungen der Elbmarschen. Die Sprache ist klar und erzeugt eine tolle Atmosphäre, sodass man sich im Buch verliert, eintaucht und nicht mit dem Lesen aufhören möchte.
Text: Alexandra Caspar
Foto: Amac Garbe