Von Noten zu Fotos

Ada Greifenhahn ist ein vielseitiger Mensch: Sie studiert im dritten Jahr an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden Saxophon Jazz/Rock/Pop, engagiert sich im dortigen Studierendenrat und spielt im Bundesjazzorchester sowie den Landesorchestern Sachsen und Brandenburg. Außerdem ist sie seit kurzem Mutter und fotografiert.

Mit „Femmage“ hat sie in diesem Jahr ihre zweite Ausstellung mit Schwarzweiß-Fotos erstellt. Darin kombiniert sie die Bilder mit persönlichen Texten von 36 Flinta* und einer nicht-binären Person. Das Überthema sind Frauen in der Jazzszene. Die Ausstellung hat bereits im Frauenzentrum Courage in Magdeburg und im Ladencafé AHA Station gemacht. Derzeit ist sie im FrauenBildungsHaus Dresden e. V. (Oskarstraße 1) zu sehen und läuft dort bis zum 8. Dezember.

Von Wurzeln zu ersten Trieben

Ada Greifenhahn stammt aus einer musikalischen Familie: Ihr Vater ist Christoph Müller alias Paul Hoorn, der u. a. in der Band DAS BLAUE EINHORN und dem Projekt PARADIESISCH MUSIZIEREN mitgewirkt hat. Ihre Schwester spielt ebenfalls Saxophon, ihr Bruder hat Klavier gespielt.

In der Schulbigband des St.-Benno-Gymnasiums begann sie mit Altsaxophon, wechselte dann zum Tenorsaxophon. Schließlich endete sie beim Baritonsaxophon und blieb dabei. Das Baritonsaxophon kann sowohl als Rhythmusgruppen- als auch als Solo-Instrument eingesetzt werden. Es kommt klanglich so tief, dass man damit Basslines spielen kann, aber auch so hoch, dass man Melodien erklingen lassen kann. „Ich stehe also entweder ganz links oder ganz rechts in der Bigband“, formuliert Ada Greifenhahn.

Danach zog es sie in die Ferne, nach Berlin-Neukölln zur Studienvorbereitung. Dann beschleunigte sich ihr Leben. Sie erzählt: „Ich habe mich sehr kurzfristig fürs Musikstudium beworben. Und wurde dann genommen. Das war gar nicht der Plan. Ich hatte mich eigentlich nur beworben, um zu gucken, wie so ein Bewerbungsverfahren läuft.“ Für das Studium zog sie schließlich wieder in ihre Heimatstadt.

Der Weg zur Fotografie

Die Leidenschaft für das Bildliche entstand 2015. Damals bekam sie eine Spiegelreflexkamera zum Geburtstag und fotografierte spontan auf dem Stadtfest Menschen. Dabei stellte sie fest, dass sie lieber Menschen ablichtet als Landschaften. Denn: „Ich finde es total interessant zu versuchen, Gefühle mit der Kamera einzufangen“, reflektiert sie.

2019 entstand dann die Idee zur ersten Ausstellung „Bodies“, die u. a. 2022 im Johannstädter Kulturtreff zu sehen war. „Ich habe Leute aus meiner Schule gefragt, wie es denen mit ihrem Körper geht, weil das zu dem Zeitpunkt total das Thema für mich war. Und weil ich dachte, dass man Leute viel besser erreichen kann, wenn man Fotografie und Texte miteinander verbindet. Weil man dadurch ein Gesicht zu einer Person und zu einem persönlichen Text hat. So ist dieses Format entstanden.“

„Bodies“ fokussierte sich auf Körper, daher sind manche Personen nicht eindeutig zu erkennen. Im Gegensatz dazu steht „Femmage“, bei der Ada Greifenhahn mit Porträtfotos arbeitet.

Der Weg zu „Femmage“

Den Anstoß zur aktuellen Ausstellung gab das Musikstudium. Ada Greifenhahn erklärt: „Wir hatten im Studium ein Jazzgeschichts-Seminar zu Geschlecht und Identität im Jazz von Marius Moritz. Das war mega interessant, was Frauen in der Musik gemacht haben. Und wie sich das geändert hat im Vergleich zur Jazzstudie 2016. Damals kam gerade die Jazzstudie 2022 raus, für die viele Musiker:innen aus der Jazzszene interviewt wurden. Dadurch entstand die Idee, ein Album aufzunehmen nur mit Flinta*-Personen.“ Die Studien erfassen Arbeits- und Lebensbedingungen in Deutschland lebender Jazzmusiker:innen. Für die Ausgabe 2022 wurden 1.000 Künstler:innen online befragt und ergänzend Einzel- und Gruppeninterviews durchgeführt.

Für Ada Greifenhahn war die Studie der Anlass, das Thema für sich zu erforschen. Über ihr Netzwerk und einen Aufruf auf Instagram fand sie Personen aus der Musikszene und begann, Stücke speziell für sie zu schreiben. Daraus entstand das Album zur Ausstellung. Den Stücken folgten Gespräche und denen wiederum Bild und schließlich Text.

„Anders als bei meiner vorherigen Ausstellung ‚Bodies‘ war hier zuerst das Bild da und dann der Text. Ich habe die Leute gefragt: Wie geht es dir? Wir haben zuerst geredet, bis zu zwei Stunden, manchmal länger. Daraus resultierend haben wir ein Foto gemacht. Die Leute durften selbst die Fotos aussuchen. Ich habe nur begleitet. Die Leute haben die Ausstellung im Grunde selber gemacht.“

Facetten des Frauseins in Wort und Bild

Ergänzend dazu bat sie die Künstler:innen um Texte zu ihren Erfahrungen in der Musikszene, wie sie sich fühlen und was sich verändert hat. Sie stellte dabei nur den Rahmen und hat an den Texten nur die Rechtschreibung korrigiert. Auch das Gendern überließ sie den Teilnehmer:innen.

Herausgekommen sind Werke, die die Rolle der Frau im Jazz philosophisch hinterfragen, manchmal ergänzt durch Anekdoten. Die Sängerin Anne Großhäuser berichtet zum Beispiel, dass männliche Kollegen die Anzahl ihrer Toilettenpausen kommentiert hätten. Natalie Klink und andere erzählen, dass immer erwartet wird, dass die Frau singt. Dass man nicht damit rechnet, dass sie ein Instrument beherrscht. Oft klingt in den Texten an, dass Flinta* das Gefühl haben, mehr leisten zu müssen. Außerdem hadern sie mit der Sonderrolle „Frau“ und möchten diese Schublade gern auflösen.

Die Folgen der Ausstellung

Die Arbeit am Projekt war für Ada Greifenhahn aufreibend. Die Erfahrungen der Flinta* zu hören war so intensiv, dass sie nur zwei Fotos am Tag machen konnte. Gleichzeitig half ihr das Projekt, sich selbst zu hinterfragen; herauszuarbeiten, warum Frauen im Jazz wichtig sind und was verändert werden muss.

Doch die Rückmeldung der Künstler:innen und des Publikums war überwiegend positiv. Viele fühlten sich verstanden und drückten ihre Dankbarkeit aus. Auch wenn die Masse an oft negativen Erfahrungen in den Texten nicht für jede:n Betrachter:in einfach war. „Es gibt auch Menschen, die sich die Ausstellung mehrmals angeguckt haben, weil sie nach zwei Bildern so getriggert waren, dass sie gehen und noch mal wiederkommen mussten. Es tut mir mega leid, was das für Reaktionen auslöst, aber ich kann es verstehen und finde es richtig gut, dass sie den Mut haben wiederzukommen“, berichtet Ada Greifenhahn.

Nur eine negative Anmerkung gab es. Ada Greifenhahn erzählt: „Das war ein fremder alter Mann, der meinte, es sei total sinnlos, hier so ein Thema aufzumachen. Es gäbe doch wichtigere Themen zu besprechen. Ihm habe ich versucht zu erklären, warum es mir wichtig ist, darüber zu reden.“

Bauliche Hürden und mütterliche Sorgen

Ein wichtiger Aspekt sind Vorbilder. Frauen im Jazz, die Präsenz zeigen und Musiker:innen ermutigen, den Beruf zu ergreifen. Das beginnt schon beim Thema Bildung. Ada Greifenhahn wünscht sich mehr Professor:innen an der Hochschule und mehr Bewusstsein für das Thema. Sie beschreibt das so: „Es braucht jemanden, der einen frisch wahrnimmt und weiß, warum es für eine Flinta*-Person schwierig sein kann an einer Musikhochschule.“

Seit diesem Jahr hat das Thema eine weitere Ebene bekommen. Ada Greifenhahn ist Mutter geworden und merkte, dass es noch an der Infrastruktur für Eltern fehlt. Sie erklärt: „Musikerin zu sein, das bedeutet: Mein Tag fängt 16 Uhr an. Da machen die Kitas zu. Das müsste geändert werden.“

Auch die Hochschule stellte sie vor Herausforderungen. Denn der gut ausgestattete Mutter-Kind-Raum ist im fünften Stock des denkmalgeschützten Nebengebäudes Grüne Straße gelegen, nur erreichbar über Treppen, ohne Fahrstuhl. Ada Greifenhahn berichtet: „Ich komme dort nicht mit dem Kinderwagen hin, in der Schwangerschaft konnte ich dort nicht hin.“ Ein ähnliches Problem entsteht, weil der Verwaltungstrakt im selben Gebäude ebenfalls über Treppenstufen erklommen werden muss.

Auch bei der Verfügbarkeit des Unterrichts sieht Ada Greifenhahn Verbesserungsbedarf. Sie erläutert: „Ich wünsche mir eine größere Sensibilisierung dafür, dass es Einschränkungen gibt und dass man nicht hochschwanger zur Hochschule laufen kann, wenn Bahnstreik ist. Dass sie dann eine Zoom-Veranstaltung hybrid machen müssen.“

Veränderungen brauchen Zeit

Umso mehr engagiert sie sich an der Hochschule und auch dem Bundesjazzorchester, damit sich die Bedingungen für Mütter verbessern. Auch wenn es nicht immer einfach ist. Sie fasst zusammen: „Es ist super anstrengend, den Trampelpfad als erstes zu gehen. Aber wenn ich ihn gehe, weiß ich, dass für andere schon mal ein Trampelpfad ungefähr sichtbar ist. Und dann gehen dort viele Leute durch und irgendwann wird es einfacher.“

Text: Vivian Herzog

Fotos: Amac Garbe

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