Siniša Lordans „Wahrheit“, Alexandra Slavas „The Knot“, Ostrale Biennale 023

Wenn das Herz aussetzt

Endspurt! Die 14. internationale Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die Ostrale Biennale 023, läuft nur noch bis zum 1. Oktober. Die Kunstschau, die ihren Namen dem ursprünglichen Ausstellungsort im Ostragehege zu verdanken hat und nun zum vierten Mal im Zweijahresrhythmus antritt, ist auch in diesem Jahr wieder in der robotron-Kantine zu sehen – in der Hoffnung, hier nun endlich einen dauerhaften Standort zu finden.

„kammerflimmern“ heißt die diesjährige Kunstschau. Doch was in dieser Welt hat Herzrhythmusstörungen? Das Klima, die Gesellschaft, unser Gesundheitssystem? Bejahen können wir dies alles, weshalb auch die Kunst diese Themen immer wieder aufgreift. Doch zunächst durchschreiten Besucher:innen der Ostrale erst einmal einen Dunkelraum, um sich von der Welt freimachen zu können und ein My befreiter in die Kunstwelt einzutreten. Ein Reset sozusagen, um sogleich in die Sicht der Künstler:innen einzutauchen.

Die Schönheit des Alltags

Gleich nach dem Eintreten in die „Andersräume“ fällt Philipp Valentas „Herbarium“ auf, wobei seine „Blüten“ den verschiedensten Geldscheinen entnommen sind und er so den Kapitalismus der Natur gegenüberstellt.

„Die Zeit bleibt stehen“ bei der Betrachtung von Shige Fujishiros so benannten Werken. Aus Sicherheitsnadeln, Glasperlen und Co. hat der Künstler eine Lichterkette, eine Hängematte und andere Gegenstände gestaltet, die so eine neue Fragilität erhalten.

Shige Fujishiro „Die Zeit bleibt stehen“
Zeichen der Zeit

Bei Sebastian Hertrichs „Salome“ aus geschnitztem Plexiglas und Computerplatinen wird die Ambivalenz digitaler Technik deutlich. Zwar macht sie große Versprechungen, doch der geforderte Tribut verlangt uns einiges ab.

Sebastian Hertrich „Salome“
Sebastian Hertrich „Salome“

Aus Nägeln, Schnürsenkeln und Schuhen hat Seçkin Aydin mit „Scattered Stories“ die vermutlich bedrückendsten Werke der Ausstellung geschaffen, denn die Materialien stammen aus Diyarbakır/Sur, einer vom Krieg zerstörten kurdischen Stadt, sowie von der türkischen Ägäisküste, wo Überreste von Flüchtenden angeschwemmt wurden. Daraus bildet er menschliche Silhouetten, die Biografien simulieren, die die Menschen, denen diese Schuhe gehört haben, leben hätten können.

Seçkin Aydin „Scattered Stories“
Seçkin Aydin „Scattered Stories“
Im Großen Persönliches entdecken

Alexandra Slavas „The Knot“ bringt ein sehr persönliches Thema sehr prägnant auf den Punkt, denn die menschliche Skulptur wurde in Bauchhöhe geknotet und visualisiert so viele Gefühle und Probleme, die mit einer Essstörung verbunden sind.

Schließlich verdeutlicht Siniša Lordans „Wahrheit“, dass – um ebenjene zu erkennen oder auch nur den Hauch von ihr zu erfassen – Zeit und Geduld nötig ist.

Zum Titelfoto: Siniša Lordan „Wahrheit“ (links) und Alexandra Slava „The Knot“

Text & Fotos: Nadine Faust

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert