Theaterstück des Monats: Katzen am Strand

Mit „Katzen am Strand“ zeigt die bühne – das Theater der TU Dresden die letzte große Produktion vor der Sommerpause. Und ihr künstlerischer Leiter Max Schumacher seine dritte Inszenierung. Kern ist die Suche eines Mannes nach einer verschwundenen Katze.

Sinn und Wirklichkeit

Sie werde jetzt einen Menschen, dann einen Hund und schließlich einen Polizisten spielen, erklärt eine Darstellende zu Beginn. Und fragt, wie das verbunden ist. Der Mensch, führt sie aus, suche immer nach einem Zusammenhang, nach Mustern. Aber nur, weil Dinge gemeinsam erscheinen, müssen sie nicht miteinander verknüpft sein. Dass das Stück noch vor der Handlung auf das Spiel mit den Meta-Ebenen verweist, das ist nicht neu. Allerdings stimmt der Gedanke gut auf das Werk ein, denn während der eineinhalb Stunden wissen Zuschauende nicht immer, was „real“ ist.

Ein Mann, eine Schublade

Zu Beginn der Haupthandlung treffen wir Nakata. Der Mann kann infolge einer Krankheit in der Kindheit weder lesen noch schreiben, bezeichnet sich selbst als „dumm“ und bekommt finanzielle Unterstützung. Aber er hat die Fähigkeit, mit Katzen zu reden. Daher bessert er seinen Lebensunterhalt auf, indem er verschwundene Katzen findet.

Theo Ludwig, der bereits zweimal an der bühne inszenierte und bisher in eher kleinen Rollen zu sehen war, spielt die Figur ruhig, aber nicht klischeehaft. Und erschafft den ersten emotionalen Moment des Stücks: Er lässt die Figur fragen, was passieren würde, wenn sie nicht dumm wäre. Wenn das Bild, das sein Umfeld von ihm hat, aufgebrochen wäre. Was für viele Menschen erfreulich wäre, löst in ihm Ängste aus: Was würde seine Mutter denken? Würde er dann seine Unterstützung verlieren?

Die Figur kämpft mit sich und sieht hinter der rettenden Tür bereits die nächste Wand. Ein interessanter Blick auf die Leistungsgesellschaft, die für Fortschritt kämpft und gleichzeitig an ihren Schubladen festhält.

Monotonie am Meer

Auf seiner Heldenreise trifft der Protagonist verschiedene Katzen und philosophiert mit ihnen über sein Leben und das Katzen-Dasein: mit dem gutmütigen Otsuka, der selbstbewussten Mimi und anderen. Diese Passagen ziehen sich, allein der erste Dialog dauert ca. 20 Minuten. Wirklich Fahrt nimmt die Inszenierung erst im letzten Drittel auf. Dann tritt der Antagonist zu Tage und die verschiedenen Ebenen vermischen sich. Bis auch Zuschauende nicht wissen, welche Figur sich in welcher Realität befindet.

Ein singender Strand

Herzstück des Werkes ist ein Chor in Form eines lebendigen Strandes. Auch hier das Spiel mit den Ebenen. Denn es ist nur ein großes Tuch, das auf einem Rahmen aufgespannt ist und im Bühnenraum ausgebreitet werden kann. Darauf ein grob gemalter Strand mit Meer. Aber besonders im Kontrast zum schwarzen Bühnenraum und der spärlichen Nutzung von Requisiten wirkt das behaglich und schön.

Dazu der Chor, dessen Köpfe durch das Tuch blicken und der das Geschehen auf der Bühne und manchmal aus dem Off untermalt. Mal dominant, mal nur Hintergrundrauschen, gliedert er das Stück und verschafft der tragischen Handlung Pausen der Freude. Gesungen wird in Spanisch, Italienisch und viel Japanisch, die Übergänge sind fließend. Genauso die musikalischen Stile: Klingen anfangs Bossa-Nova-Rhythmen durch den Raum, fühlt man sich später an japanischen City Pop der 80er Jahre erinnert.

Nach einer dramatischen Szene scheint es, als würde man in einer regnerischen Nacht durch ein Anime laufen. Außerdem erinnern die körperlosen Köpfe an die Masken des traditionellen japanischen Theaters. Damit wirken sie wie Geister oder Zuschauer:innen.

Ein Mauzen im Rauschen

Bezüglich der titelgebenden Tiere spricht das Stück mehrere Aspekte an: Die gespielten Katzen tragen menschliche Kleidung, ihre Gesichter weisen aber Katzennasen und -konturen auf. Choreografiert von Tuan Ly, bewegen sich die Darsteller:innen geschmeidig durch den Raum. Sie wirken als personifizierte Typen innerhalb der Welt. Außerdem wird der Bezug zum Menschen erwähnt und über Tierwohl aufgeklärt. Die Triggerwarnungen sind hier ein Hinweis. Doch auch die Tragik solcher Szenen wird mit den passenden Requisiten aufgebrochen.

Die Spielenden

Das Ensemble leistet hier durchgängig gute Arbeit. Ob Theo Ludwig oder Matthias Held als Nakata, Valeria Bobke als Mimi und Henrik Hoose als Otsuka oder Vera Kapfhammer in der Rolle des Antagonisten: Jede Figur hat ihre Stärken und wird passend dazu verkörpert. „Katzen am Strand“ besticht durch leise Töne, entsprechend ruhig ist das Spiel. Keine Figur übertönt die anderen, alles wirkt wie aus einem Guss und harmonisch abgestimmt.

Schlussbetrachtungen

Der Titel des Werkes erinnert an „Kafka am Strand“, den 2002 erschienenen Roman des japanischen Autors Haruki Murakami. Beiden gemein ist neben dem Thema vor allem die Atmosphäre: mythisch, nicht immer greifbar, philosophisch und durchdacht. Rätsel können gelöst werden, müssen aber nicht.

„Katzen am Strand“ ist kein Stück, das schreit. Obwohl manchmal geschrien wird. Statt einiger großer werden viele kleine Konflikte transportiert und zu einem Ganzen verwoben. Ein Werk, das gut sehbar, aber wegen des Chors noch schöner hörbar ist.

Das Stück läuft vom 4. bis 6. August, jeweils 20.15 Uhr, im Weber-Bau der TU Dresden.

Text: Vivian Herzog

Foto: Maximilian Helm

Transparenzhinweis: Die Autorin ist aktives Mitglied des Vereins DIE BÜHNE e. V.

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