Wohnungslos in Dresden

Die Wohnpreise steigen stetig. Im Schnitt um mehr als 60 Prozent in den vergangenen 20 Jahren. Durch die Inflation von ca. 7,9 Prozent verschärfen sich die Preise dramatisch. Wo Wohnraum unbezahlbar wird, müssen immer mehr Menschen auf der Straße leben. Doch wie viele Menschen sind in Dresden betroffen? Welche Angebote gibt es für sie und was tut die Stadt gegen Wohnungslosigkeit?

Stand September 2021 waren in Dresden ca. 312 Menschen offiziell wohnungslos gemeldet. Darunter 14 Kinder, 62 Frauen und 236 Männer. Doch die Dunkelziffer ist deutlich höher, denn das Rathaus weiß nur von denjenigen, die sich beim Sozialamt melden. Gerd Grabowski, der Sprecher der Nachtcafés in Dresden, schätzt die Zahl der Wohnungslosen auf ca. 1.000 Personen (Stand Januar 2022). „Die Zahl der Wohnungslosen steigt stetig. In Dresden gibt es jeden Tag mindestens zwei Wohnungsklagen gegen Mieter*innen und wer in Deutschland erst einmal eine Wohnung verloren hat, hat es wahnsinnig schwer, wieder eine neue zu finden.“ Auch laut Angaben der Heilsarmee ist die Anzahl ausgegebener Essen an Bedürftige in den vergangenen zehn Jahren von 750 auf 2.500 pro Monat geschnellt.

Die Stadt hat diverse Hilfsangebote. Darunter fallen Übergangsunterkünfte sowie kostenloses Trinkwasser, Essen, Tagestreffs, Beratung und Kleidung. Seit 2020 gibt es zusätzlich das Pilotprojekt Housing First.

Housing First

Ziel des Pilotprojektes ist es, wohnungslosen Personen eine eigene Wohnung mit Mietvertrag anzubieten. Hinzu kommt ein individuell angepasstes Betreuungsangebot. Das Projekt wurde im Oktober 2020 gestartet. Dabei wurde fünf Wohnungslosen eigener Wohnraum vermittelt. Die Wohnungen wurden ohne jegliche Bedingungen zur Verfügung gestellt und nach den Bedürfnissen der Personen ausgesucht.

Für die erste Testphase wurden langjährige, alleinstehende Wohnungslose aufgenommen, die durch verschiedene Hürden keine Chance auf dem ersten Wohnungsmarkt gehabt hätten. „Das waren allesamt Menschen, die den großen Wunsch nach einer eigenen Wohnung hatten“, erklärt die Sozialarbeiterin Anne Thomas. Nach der Vermittlung der Wohnungen wurden die ehemals Wohnungslosen nach ihren individuellen Bedürfnissen begleitet und beraten. „Wir schauen am Anfang ganz individuell, was die Klient*innen brauchen. Das sind zum einen formelle Sachen wie Stromrechnungen usw., aber auch das Einbeziehen eines sozialen Umfeldes oder die Anbindung an soziale Träger. Das sind von unserer Seite aber auch immer nur Angebote. Es steht im Vordergrund, was die Klient*innen wollen.“

Eine große Herausforderung von Housing First ist es, Wohnungen auf dem privaten Wohnungsmarkt zu bekommen. Eine zweite Herausforderung sei ein angemessener Personalstand, erklärt Katrin Hänsch vom Sozialamt Dresden. Thomas ergänzt: „Für die ehemals Wohnungslosen stellt das Finanzielle oft eine Herausforderung dar. Aber auch die Veränderung zum Allein-Wohnen kann eine große Umstellung sein, da die Personen zuvor in Unterkünften mit vielen anderen gelebt haben.“

Die beiden ziehen jedoch eine positive erste Bilanz des Pilotprojektes und berichten, dass auch die Rückmeldung der Personen, denen eine neue Wohnung vermittelt wurde, überwiegend positiv war.

Nachtcafés

Neben den Angeboten der Stadt gibt es die Nachtcafés in Dresden. Diese sind ehrenamtlich organisiert und spendenfinanziert. In der Kältesession zwischen dem 1. November und dem 31. März öffnen jedes Jahr in rund sieben Kirchen in Dresden Nachtcafés, die jeweils die Woche untereinander aufteilen. Sie bieten einen warmen Rückzugsort und eine Ruhemöglichkeit. Außerdem wird warmes Essen, Frühstück und eine allgemeinmedizinische Versorgung angeboten und es gibt die Option zu duschen und Wäsche zu waschen.

Die Nachtcafés waren die Idee einer Seminargruppe an der Evangelischen Hochschule Dresden, die in ihrem Seminar Wohnungslosigkeit in Dresden untersuchte und von den Zuständen betroffen war. Aus dem Wunsch heraus, etwas zu verändern, schrieben sie das Manifest „Kein Ort nirgends“ an die Kirchen in Dresden. Daraus entwickelte sich vor 26 Jahren das erste Nachtcafé. „Auch heute arbeiten in den Nachcafés noch viele Studierende aus verschiedenen Gemeinden mit“, erzählt Gerd Grabowski.

Die Nachtcafés sind ein einzigartiges Projekt in Deutschland. Nirgendwo sonst sind Kirchenräume für Wohnungslose geöffnet. „Das ganze Projekt basiert auf der Begeisterung vieler sich für Menschen, die in Not sind, einzusetzen – unabhängig von ihrer Religion oder Herkunft“, sagt Grabowksi. „Barmherzigkeit bedeutet nicht Mitleid. Sondern jemand benötigt etwas und man gibt es ihm.“

Text: Naomi Asal

Zum Foto: Gerd Grabowski ist der Sprecher der Nachtcafés in Dresden.

Foto: Amac Garbe

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