Am Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung der TU Dresden, welches zur Fachrichtung der Geowissenschaften zählt, gibt es seit 2019 eine neu geschaffene Juniorprofessur. Die Professur für Umweltfernerkundung mit dem jungen Team um den Juniorprofessor Matthias Forkel untersucht mit Hilfe von Satellitendaten Ökosysteme und deren Veränderungen. Verschiedene, frei zugängliche Satellitendaten sind die Grundlage der vielfältigen Analysen der Arbeitsgruppe. So werden unter anderem das Auftreten von großflächigen Feuern und Ökosystemveränderungen erforscht. Wichtige Rückschlüsse auf den Kohlenstoff- und Wasserkreislauf können ebenfalls daraus gezogen werden.
Mikrowellen-Strahlung, die nicht nur zum Erwärmen nützlich ist
Alle Objekte auf der Erde senden und reflektieren Strahlung in verschiedenem Maß. Diese Informationen zu gewinnen, zu berechnen, auszuwerten und schließlich zu interpretieren, ist Aufgabe der Fernerkundung. Im Zuge ihrer Doktorarbeit untersucht Luisa Schmidt das Potential einer solchen Strahlung, das der Mikrowellen.
Die Doktorandin untersucht verschiedene globale Datensätze mit Informationen, die auf Grundlage von Mikrowellen berechnet wurden. Sie sucht nach Methoden zur besseren Vergleichbarkeit und möchte so eine leichtere und anwendungsorientiertere Interpretation der Daten ermöglichen. „Aktuell existieren unüberschaubar viele, verschiedenartige Datensätze. Eine Nutzung dieser Daten ist für die Anwender aus dem Umweltschutz oder der Klimaforschung aktuell nur schwer möglich, obwohl der Informationsgehalt sehr wertvoll für spezifische Aussagen über den Zustand von Ökosystemen ist“, erklärt sie.
Grundlage ihrer Arbeit sind Datensätze von passiven Mikrowellen. Passiv, da jedes Element der Erde von sich aus Strahlung emittiert. Mikrowelle, da die Strahlung anhand ihrer großen Wellenlänge von bis zu einem Meter in diesem Bereich einzuordnen ist. Die fortlaufend emittierte Strahlung aus unserer Umgebung wird dabei von verschiedenen Sensoren aufgenommen, gespeichert und in Form von Datensätzen zur freien Verfügung gestellt.
Die National Aeronautics and Space Administration (NASA) oder die European Space Agency (ESA) sind die bekanntesten Betreiber solcher Satelliten. Auf den jeweiligen Websites der Satelliten lassen sich die Rohdaten verschiedener Wellenlängen herunterladen. Die bekannteste Form der Nutzung ist die der UV-Strahlung, mit deren Hilfe optische Satellitenbilder bei zum Beispiel Google Maps erstellt werden. „Mikrowellendaten werden seit über 30 Jahren aufgezeichnet und Signale dieser Wellenlängen sind robust gegenüber atmosphärischen Veränderungen wie Wolken. Das Signal ist zudem unabhängig vom Tag-Nacht-Rhythmus und der Helligkeit“, erläutert die Doktorandin die Vorteile der genutzten Mikrowellen gegenüber der UV-Strahlung.
Ein Durcheinander aus Parametern, Algorithmen und Datensätzen
Im Laufe der Zeit und mit zunehmender Erforschung der Mikrowellen hat sich ergeben, dass verschiedene Wellenlängen der Strahlung verschiedene Aussagen über Parameter der Vegetation liefern. Der große Bereich der Mikrowellen mit Wellenlängen von einem Millimeter bis einem Meter wird daher zur besseren Abgrenzung in verschiedene Gruppen, sogenannte Bänder, unterteilt.
Mikrowellendaten wurden ursprünglich genutzt, um die Bodenfeuchte zu bestimmen. Die Sensoren der Satelliten zeichnen mit Hilfe der Mikrowellen die Oberflächentemperatur auf und verschiedene Algorithmen berechnen daraus wiederum die spezifische Bodentemperatur und Bodenfeuchte. Diese ist wichtig, um globale Vegetationsmodelle und -veränderungen zu erforschen. Auf Grundlage dieser Modelle lassen sich zudem Rückschlüsse auf den Kohlenstoffkreislauf ziehen. Es bietet sich so eine Möglichkeit, den Klimawandel und seine Folgen zu untersuchen. Zur Berechnung der spezifischen Bodenfeuchte an einem Ort ist es zudem wichtig, die jeweilige Vegetation mit einzubeziehen. So wurde der Begriff der Vegetativen Optischen Dichte, kurz VOD, eingeführt, um den Einfluss verschiedener Vegetationsformen auf die Absorption von Mikrowellen abzubilden. Folgende Abbildung zeigt schematisch die Abschwächung von Mikrowellen durch verschiedene Vegetationsformen.
So sieht man auf der linken Seite der Abbildung einem vegetationsarmen Ort, wie beispielsweise Wüsten. Das Signal der verschiedenen Mikrowellen wird nicht abgeschwächt und die VOD beträgt nahezu 0. An einem vegetationsreichen Standort wie einem Wald (rechte Seite der Abbildung) absorbiert die Vegetation einen Großteil der emittierten Strahlung und die VOD beträgt einen Wert von rund 2,5, wobei zu beachten ist, dass die Werte je nach Wellenlänge variieren.
Da die VOD in Zusammenhang mit verschiedenen Vegetationsparametern wie beispielsweise dem Wassergehalt der Vegetation steht, ist sie experimentell nur schwer zu bestimmen. Die Vielgestaltigkeit der Pflanzen mit gras-, strauch- oder baumförmigen Arten sowie ihre komplexen Vorkommen in zum Beispiel feuchten Regenwäldern macht eine genaue Bestimmung kompliziert. Im Laufe der Zeit haben sich dementsprechend viele verschiedene Berechnungsmodelle zur VOD entwickelt. Aufgrund von verschiedenen Wellenlängen und Sensoren sind die Datensätze äußerst schwer zu vergleichen und Rückschlüsse auf verschiedene Vegetationsparameter nur begrenzt möglich.
Modellieren, Rechnen, Vergleichen
Mit Hilfe der Programmiersprache Python untersucht die Doktorandin verschiedene Modelle zur Analyse der Datensätze. Da die Sensoren täglich Daten der Mikrowellensignale aufnehmen, hat sich Luisa Schmidt für ihre Analyse auf einen Zeitraum von 2015 bis 2017 beschränkt. Ein Vergleich von fünf VOD-Datensätzen, basierend auf verschiedenen Wellenlängen und Sensoren, findet so über einen Zeitraum von 900 Tagen für verschiedene Gebiete statt.
Das Berechnen solcher komplexen Modelle ist daher nicht gerade trivial, weder für den Forschenden noch für die Hardware des Computers. Mit Hilfe des ZIH, dem Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen der TU Dresden, konnte jedoch zumindest die Laufzeit der Modelle auf nunmehr je 20 Stunden reduziert werden.
Zusammenhänge zwischen VOD und Vegetationsparametern zu untersuchen ist dabei noch ein sehr junges Forschungsgebiet, so häufen sich Publikationen über dieses Thema erst seit circa zehn Jahren. Bisher wurden meist lineare Zusammenhänge zwischen der VOD und einem ausgewählten Vegetationsparameter wie beispielsweise dem Blattflächenindex untersucht. Der Ansatz von Luisa Schmidt interpretiert die VOD als eine Kombination aus verschiedenen Vegetationsparametern. Dabei wird beispielsweise die Bedeutung des Vegetationswassergehaltes, der Biomasse und des Blattflächenindexes mit jährlich erscheinenden Landbedeckungskarten, welche Aussagen über die vorherrschende Vegetation wie Wald oder Wiese liefern, in Zusammenhang gebracht und neu interpretiert.
Bedeutung für Feuermanagement, Umweltschutz und Klimawandel
Luisa Schmidt hat in ihrer Arbeit über 60 verschiedene Modelle getestet und untersucht, welche Aussagen sich daraus ableiten lassen. Die folgende Karte zeigt beispielhaft die Verteilung der VOD im globalen Maßstab, unter Nutzung des Ku-Bandes, also anhand von Mikrowellen mit einer Wellenlänge von 1,7 bis 2,5 Zentimetern. Gelb gefärbte Bereiche zeigen dabei vegetationsreiche Gegenden der Erde, die in hohem Maß Mikrowellen absorbieren und daher eine hohe VOD besitzen.
Die Aussagen der jeweiligen Modelle können dabei gezielt zum Umweltmonitoring genutzt werden und so beispielsweise Gegenden identifizieren, die besonders viel trockene Biomasse besitzen und daher einem erhöhten Risiko für Feuer ausgesetzt sind. Daten der Mikrowellen liegen meist in 25 mal 25 Kilometer großen Quadraten vor, was relativ grob aufgelöst ist, aber durch ihre tägliche Verfügbarkeit eine genaue Datengrundlage für globale, ökologische Anwendungen darstellt. „Mit Hilfe von passiven Mikrowellen können Orte, die besonders starken Vegetationsveränderungen unterliegen, erkannt werden und so einen angepassten Umweltschutz ermöglichen“, erklärt Luisa Schmidt Anwendungsbereiche der entwickelten Algorithmen. Folgen und Entwicklungen des Klimawandels lassen sich zudem in ihrem zeitlichen (Daten seit über 30 Jahren verfügbar) und räumlichen Rahmen (Daten global verfügbar) untersuchen.
Text: Christin Baumgärtel
Zum Foto: Luisa Schmidt in ihrem Homeoffice, in dem sie seit Corona vorwiegend arbeitet.
Foto: Amac Garbe
Grafiken: Luisa Schmidt