Es ist ein trübsinniger Donnerstagmorgen. Der November feiert sich selbst, indem er Sturzbäche eklig kalten Wassers vom Himmel regnen lässt. Ich bin müde, nass und auf dem Weg zur Arbeit. Und plötzlich stehe ich am Bischofsweg und nichts geht mehr vorwärts. Die Bahn, die mich nach Norden bringen soll, kommt nicht. Nicht nach fünf Minuten, nicht nach zehn. Ich frage meine Mitfahrenden, ob jemand etwas weiß. Doch keine:r hat die schicke DVB mobil-App unserer Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB), die einem Verspätungen angibt. Eine digitale Anzeigetafel, im Fachjargon Dynamische Fahrgastinformation, kurz DFI, gibt es hier nicht. Auch keine Lautsprecher. Ich fühle mich ein bisschen, als sei ich mitten in Dresden in einem Funkloch gelandet.
Keine Anzeige, keine Informationen
Betrachtet man die nackten Zahlen, sieht alles gut aus: Bis Ende 2018 wollte die DVB einen Ausrüstungsgrad mit Anzeigetafeln von 43 Prozent erreichen. Allerdings werden diese Tafeln meist errichtet, wenn die Haltestelle umgebaut wird – und davon ist die Königsbrücker Straße weit entfernt. Der Abschnitt befindet sich in der Baurechtsphase und wird frühestens 2024 angefangen. Meinem Empfinden nach betreffen die fehlenden Tafeln vor allem Haltestellen zwischen Knotenpunkten.
Eine Frage der Darstellung
Ohnehin ist die Meldung „Verspätung“ wenig hilfreich, wenn ich nicht weiß, an welcher Stelle die Bahn steht und welche Alternativen es gibt. Wenn man Glück hat, erklären einem die Fahrer:innen, wie man weiterkommt. Wenn man Pech hat, steht man einfach. Dass man auf den Tafeln keine Übersichtskarten darstellen kann, ist klar. Aber wenn man das Fahrgäst:innenfernsehen nutzen würde, um nicht nur Werbung, Verhaltensregeln, Kund:innenfotos und ein paar Artikel zu posten, sondern auch Karten einzublenden, wie die Bahn fährt, dann wäre das toll. Vor allem, weil die DVB bei Umleitungen nur die wichtigsten Haltestellen nennt. Ich kenne mich gut in Dresden aus, aber manche Beschreibungen kann ich mir schwer vorstellen.
Fahrscheinautomaten in der Bahn
Ein weiterer Problempunkt sind Fahrkartenautomaten, die es besonders in Randgebieten kaum gibt. Auch hier wollen die Verkehrsbetriebe Abhilfe schaffen, aber als Ortsfremde:r steht man erst mal im Wald. Immerhin werden seit Oktober dieses Jahres die 30 Jahre alten Fahrkartenautomaten in den Bahnen durch neue ersetzt. Das elf Kilogramm schwere Design-Bonbon, das sogar den „Red Dot Design Award“ gewonnen hat, kann einiges. Es kann neben Deutsch in fünf Sprachen kommunizieren: Englisch, Spanisch, Tschechisch, Polnisch und Russisch. Warum man ihm nicht Arabisch beigebracht hat, obwohl das manchen Fahrgäst:innen den Kauf erleichtern würde, weiß ich nicht.
Außerdem kann man an den neuen Automaten mit Google und Apple Pay, Kredit- und EC-Karte bezahlen. Das Zauberwörtchen lautet jedoch „kontaktlos“. Ältere EC-Karten, die die dafür benötigte Near Field Communication (NFC) nicht unterstützen, müssen in Euren Taschen bleiben. Früher konnte man sich aus seinen Hosen- und Rucksacktaschen das Kleingeld zusammensuchen oder Mitfahrende um einen Euro bitten. Und vielleicht gab es ein nettes Lächeln gratis dazu. Heutzutage geht das nicht mehr. Immerhin kann man in unseren Bahnen auch mit der App FAIRTIQ bezahlen. Die App bemerkt das Ein- und Aussteigen und rechnet den Preis in der günstigsten Variante ab. Trotzdem: Als Ortsfremde:r wäre ich oft verunsichert, wenn ich in Dresden mit der Bahn fahren würde.
Positive Aspekte
Aber es ist nicht alles schlecht. Die Kommunikation mit den Kund:innen, vor allem im Internet, finde ich sehr gelungen. Auf der Website finden sich zahlreiche Informationen, manchmal sogar ein bisschen zu detailliert. Wer schon immer wissen wollte, wann er mit der Bahn zur SLUB fahren kann (2027 ist Baubeginn) oder ob das charmante Granitpflaster auf der Pfotenhauerstraße eines Tages von stylischen Schienen durchzogen ist (grobe Planung: 2030), kann sich austoben. Sogar die Ergebnisse der Bürger:innenbeteiligungen, die sowohl DVB als auch die Stadt Dresden vermehrt durchführen, kann man dort nachlesen. PDF-Versionen von Fahrplänen und Flyern zu Baumaßnahmen gibt es ebenfalls.
Auf Social Media weiß die DVB mit einer Mischung aus Informationen und Spielchen zu unterhalten. Das Team antwortet auf Kommentare oft höflich und deeskalierend, was besonders bei Posts zur 3G-Regel notwendig war. Außerdem reagieren die Mitarbeiter:innen auf Nachrichten schnell und kompetent. In der Realität frustriert mich die Bahn oft, aber digital fühle ich mich gut aufgehoben. Außerdem sind meine Bahnen meistens pünktlich und waren auch bei Umleitungen relativ zuverlässig.
Grob überblickt
Anfang November freute sich die DVB, wiederholt beim deutschlandweiten ÖPNV-Kund:innenbarometer auf dem ersten Platz gelandet zu sein, mit einer Zufriedenheit von 2,24. Einer Meinung, der ich zustimmen kann – es gibt Verbesserungsbedarf, aber vieles läuft gut.
Und ich denke, dass man einen Aspekt nicht außer Acht lassen sollte: Alles hat Grenzen. Die Bahnen können nicht unendlich lang sein oder in kurzen Abständen fahren, weil sie sich sonst an Knotenpunkten stauen. Und eine Stadt kann man nicht einfach umbauen. Auch wenn ein Dresdner Autor in einem Roman seine fiktive Stadt in Schichten übereinanderstapelt. Man kann keine Straßen verbreitern, ohne Häuser abzureißen oder Fußwege zu verkleinern. Man kann nur versuchen, einen guten Kompromiss zu finden. Aus Menschen, die von A nach B wollen, und den Gegebenheiten der Stadt.
Daher das Schlusswort: Seid rücksichtsvoll! Passt auf Euch und andere auf und lasst Euren Frust über den ÖPNV weder an anderen Mitfahrenden noch an Haltestellenhäuschen aus! Laut Fluchen ist aber in Ordnung.
Text: Vivian Herzog
Foto: Amac Garbe