Seit 2007 ist Enna Miau in Bands aktiv – zuerst rockig mit LIHANABI, später im Bereich Indie mit SAY MEOW. Drei Weihnachtsalben und zwei Kinder(bücher) später kommt sie zurück – mit ihrem Album „Liebesbrief“ und frühlingshaften Liedern über Liebe, das Leben und den Wunsch nach Veränderung.
Als wir uns treffen, regnet es, doch Enna Miau lässt sich davon nicht die Laune verderben. Die gebürtige Freibergerin und Katzenliebhaberin hat nach dem Abitur Musikwissenschaften in Halle/Saale studiert und stellte nach vier Semestern fest, dass das Schreiben über „tote Maestros“ und die wissenschaftliche Arbeit nichts für sie ist. Sie, die schon vorher 50 Konzerte gespielt hat, wollte aktuelle Musik machen, umherreisen. Also ein Sprung ins kalte Wasser – zur Musik und nebenbei einer Ausbildung als Arzthelferin. „Damit die Familie nicht durchdreht“, sagt sie und lacht. Doch der Schritt weg vom Studium hin zur Ausbildung war nicht einfach. „Ich habe ein Semester gegrübelt, ob ich das machen soll. Und dann habe ich mich geschämt, weil ich diesen Blick von oben herab hatte. Aber wenn man eine Vision hat, macht das keinen Unterschied mehr, ob man studiert hat“, erzählt sie. Auf dem Album hat sie das im temporeichen Song „Starte den Versuch“ verarbeitet. Mittlerweile sieht sie sich als hauptberufliche Musikerin, arbeitet aber gleichberechtigt in ihrem Brotjob.
Später initiierte sie zusammen mit ihrem Mann, dem Musik- und Medienproduzenten Ludwig Schmutzler, das Weihnachtsalbum. 2013 privat für Familie und Freunde mit klassischen Weihnachtsliedern aufgenommen, erweiterten sie die CD 2016 in Kooperation mit verschiedenen Künstlern und schrieben neue Songs. Wichtig dabei war: „Die muss auch meine Oma verstehen können.“ Für Enna eine Umstellung. „Mein erstes Lied habe ich mit 15 geschrieben – natürlich auf Englisch, weil im Radio nur englische Musik lief.“ Doch Weihnachtslieder sind auf Deutsch eher besinnlich, nachdenklich. Und Enna wollte einen Kontrapunkt. So entstanden erste deutsche Songs.
Kinder, Jazz und Bossa Nova
Stilistisch treffen sich im „Liebesbrief“ Jazz und Bossa Nova. Rhythmen, bei denen man die Tanzschuhe auspacken und mehr als einen „Matcha-Cha“ trinken (oder tanzen) möchte. „Ich bin ein riesiger Manfred-Krug-Fan, also Richtung Jazz. Und dann kam irgendwie der Bossa Nova“, schwärmt sie. „Außerdem bin ich mittlerweile Mutter, meine Themen haben sich verändert. Beides hat sich die Hand gereicht.“ Der Alltag mit zwei Kindern hat auch das Schreiben verändert. „Plötzlich hatte ich so viel Zeit, während ich stillte oder wartete, dass die Kleinen einschlafen. Und ich habe überlegt, was mich bewegt. So kamen erste Texte und Melodiefetzen angeflogen.“ Zuletzt der titelgebende „Liebesbrief“. „Der musste unbedingt aufs Album!“ Ein besonderes Lied ist für sie auch „Wir (Routine)“, eine Liebeserklärung an den Alltag. „Für Kinder ist es schön, wenn sie wissen, wann etwas passiert. Und das überträgt sich auch auf die Eltern.“
Die Kinder und das Erwachsenwerden haben ihren Blick verändert – auch auf Konzerte. „Wir waren mal auf einem Babykonzert, bei dem die Musiker sehr leise gespielt haben und mit den Instrumenten herumgegangen sind. Die Kinder sind dabei sogar eingeschlafen!“ Wichtig ist ihr bei solchen Veranstaltungen, dass die Musik nicht zu laut ist und/oder Kopfhörer bereitgestellt werden. Und dass es einen geschützten Raum gibt – denn „Kinder bewegen sich, Kinder schreien auch manchmal“. Bisher organisierten sie und ihr Mann selbst ein kleines Festival für Freunde und Familie, doch Enna sucht noch Mitstreiter, mit denen man etwas Größeres auf die Beine stellen kann.
An Kinder wenden sich auch die Abenteuer der Biene Millie, die in Zusammenarbeit mit der Illustratorin Anemone Kloos entstanden sind. Das erste Buch „Winterbiene“ erschien 2019, 2020 folgte „Frühlingsbiene“, die Herbstausgabe ist in Planung. Den Anstoß dazu gaben Bücher, die Enna ihren Kinder vorlas. „Sie waren so schlecht gereimt, da dachte ich daran, selbst zu schreiben.“ Im Laufe der Recherche hat sie immer mehr interessante Dinge über Tiere herausgefunden, u. a. dass Bienen mit den Flügeln schlagen, um ihren Stock zu erwärmen. Etwas, dass man mit den Kindern auch gut bei Lesungen in Kindergärten nachmachen kann. Und noch eine wichtige Frage stellt sie: „Warum werden Bienen immer mit Honigtöpfen dargestellt, wenn sie die Pollen in den Taschen an ihren Beinchen sammeln?“
Frauen im Musikgeschäft
Außerdem engagiert sich Enna in der Gruppe „Women S Music“, einer Untergruppierung des Verbandes „Music Women Germany“, die sich für Geschlechtergleichheit und den gerechten Zugang von Frauen zum Musikgeschäft einsetzt. Dabei sind u. a. Judith Beckedorf, die auch das MusiSHEans-Netzwerk und -Festival organisiert. „Anfangs wusste ich nicht, was mich erwartet“, erzählt Enna. „Aber ich habe festgestellt, dass das kein Zickending ist, sondern dass wir alle Menschen sind, die für etwas einstehen.“ Die Gruppe hat sich im April erstmals getroffen, eine offizielle Gründung ist für dieses Jahr geplant.
Und wie steht Enna zu Spendenplattformen wie Patreon oder Startnext, die Künstler verschiedener Formen nutzen? Sie grübelt. „Also, ich mag es nicht, den Bettelarm hinzuhalten. Meine Musik hat eine Qualität und wenn ich ein Album machen will, dann muss ich dafür arbeiten und Leute finden, die das interessiert.“ Für sie ist das eher eine Möglichkeit, Extras zu finanzieren, wie z. B. Kuscheltiere für ihr Kinderbuch. Patreon, bei der die Nutzer monatlich Geld geben, ohne unmittelbar eine „Belohnung“ zu erhalten, sieht sie dagegen als Variante, „den Künstler zu unterstützen, ohne dass er nebenbei noch fünf Brotjobs hat. Auch wenn das etwas von Mäzenatentum hat.“ Beispielsweise unterstützt Enna die Musikerin Judith Holofernes, die derzeit Podcasts macht – weil sie weiß, dass sie irgendwann wieder musiziert. „Das macht mich einfach glücklich“, sagt sie.
Ennas Engagement scheint unerschöpflich – auch in den Bereichen Streaming und Downloads. „Ich nutze Spotify selbst“, erzählt sie. „Künstler verdienen mit Merch und Konzerten.“ Daher gibt es zum „Liebesbrief“ ein Booklet mit Fotos, den Songtexten und Impressionen – wahlweise einzeln, mit CD oder Download oder als Deluxe-Paket mit Einkaufs-Chip und umweltfreundlichem Kuli, denn: „Ich wollte praktische Dinge mitgeben.“ Dadurch können auch Zuhörer, die gern streamen, den Künstler unterstützen und etwas in der Hand haben.
Die Wege der Katzen sind unergründlich. Die von Enna Miau führen zum Release-Konzert auf dem Konzertplatz Weißer Hirsch am 19. Juli (16 Uhr).
Text: Vivian Herzog
Foto: Amac Garbe
Ein Gedanke zu “Summen, singen, schreiben”