Campuskolumne

Diese Kolumne kann nur ein Thema haben. Auch, wenn das auf allen Kanälen hoch- und runtergeschrieben wird. Auch, wenn man damit einer perfiden Logik nur noch mehr Öffentlichkeit gibt. Aber wenn Menschenleben zum Spielball der Politik werden, dann muss man das kritisieren, nein, anprangern. Man muss den Umgang mit dem Rettungsschiff „Lifeline“ anprangern.

Sechs lange Tage musste die „Lifeline“ der Dresdner Organisation Mission „Lifeline“ im internationalen Gewässer vor Malta ausharren. Mit  233 Menschen an Bord. Malta, Spanien, Italien – sie alle verweigerten dem Rettungsschiff, in ihren Ländern anzulegen. Die See wurde rauer, die Menschen krank. Fast schon zynisch war es da, dass das Schiff zwischenzeitlich in maltesischen Gewässern Windschutz suchen durfte, nicht aber ankern. Schließlich haben sich neben Malta sieben weitere Länder – Deutschland ist nicht dabei – bereit erklärt, Geflüchtete der „Lifeline“ aufzunehmen. Sie durfte heute Nachmittag in Malta anlegen. Sprichwörtlich: eine Rettung in letzter Minute.

Schon Mitte Juni hatten sich ähnliche Szenen abgespielt: Gut eine Woche musste die „Aquarius“ von SOS Mediterranée im internationalen Gewässer ausharren, weil der italienische Innenminister Matteo Salivini Europa zu einer Festung machen will. Schließlich hatte Spanien ein Erbarmen. Die beiden Rettungsschiffe sind die traurige Manifestation einer verrohten politischen Kultur, für die Ethik und Moral Fremdworte sind. Das Leben der 233 Menschen interessiert einen Matteo Salvini nicht. Mehr noch: Er sieht sie als willkommenes Instrument seiner Politik, Härte zu demonstrieren, die eigenen Wähler zu befriedigen. Ihre Not ist ihm eine Freude. Doch nicht nur Salvini macht sich die Finger schmutzig. Es machen sich auch spanische, maltesische und französische Politiker die Finger schmutzig, die ihre Häfen schließen – und das mit rechtlichen Bedenken begründen. Oder Horst Seehofer, der fordert, es dürfe kein „Shuttle“ zwischen Libyen und Südeuropa geben. Was für ein grauenhafter Euphemismus. Damit begibt er sich auf das Niveau der AfD, die als Schuldige an der Misere die Geflüchteten selbst ausmacht. Das ist Victim blaming.

Wer fordert, Menschen das Leben zu retten, der fordert nicht automatisch eine bedingungslos liberale Migrationspolitik, der spricht nicht Rückweisungen und Grenzen jegliche Legitimität ab. Ja, Einwanderung muss reguliert werden. Das heißt auch, unangenehme Fragen zu stellen: Ist der Wunsch nach einem besseren Leben ein genauso würdiger Aufnahmegrund wie der Wunsch, überhaupt zu leben? Kann die „Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort“ mehr als eine Phrase sein? Ist ein schlechter europäischer Kompromiss besser als keiner? Doch diese Fragen beantwortet man nicht mit kaltherziger Symbolpolitik. Denn Politik macht man nicht mit Menschenleben. Sondern für sie.

Text: Luise Martha Anter

Foto: Amac Garbe

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