Isolation Island

Du stehst an Deck. Der eisige Arktiswind bläst Dir ins Gesicht. Du kneifst die Augen zu und hältst Deinen Arm schützend davor. Weiße Flocken, so groß wie eine Faust, regnen auf das Schiff hinab. Es kratzt und sticht unangenehm auf der Haut. Das Schiffshorn schickt seine Warnung voraus. Vor Dir treiben weiße Giganten. Bedrohlich und zugleich wunderschön türmen sich die Riesen auf, ihre eisblaue Haut glüht geheimnisvoll. Dein Blick verliert sich, bis Du vergessen hast, wo und wer Du bist.

Solche Assoziationen löst der leicht klimpernde Sound des unveröffentlichten Songs mit dem Arbeitstitel „C-117“ der Dresdner Postrockband ISOLATE beim ersten Anhören aus. Campusrauschen wurde dafür exklusiv eine Demo-Aufnahme bereitgestellt. Denn die Band um den 24-jährigen Johan Keilig (Gitarre), den 21-jährigen Paul Riemer (Bass, Synthesizer) und den 23-jährigen Niklas Ciecior (Drums) hat, man kann es hinsichtlich ihres zweijährigen Bestehens fast nicht glauben, noch kein Album, geschweige eine EP veröffentlicht. Einzig allein der Track „bonsai“ wurde Ende vergangenen Jahres auf Bandcamp in die Welt hinaus entlassen, aber gefolgt von der Botschaft, dass der Song ihnen zwar am Herzen liege, aber mit ihrem jetzigen Sound so gut wie nichts mehr gemein hat. Ein ungetrübter Eindruck ist momentan also nur bei einem der Livekonzerte möglich, wie dem Supportslot beim Record Release der deutschen Postrocker GRIMÉNY am 18. Januar (20.30 Uhr) in der Dresdner Groovestation.

Dass ISOLATE bisher keine studioreifen Tracks veröffentlicht hat, darf aber keinesfalls als ein Zeichen fehlender Einstellung gedeutet werden. „Wir haben recht hohe Ansprüche an unsere Musik und investieren deshalb sehr viel Zeit“, klärt Riemer auf. „So kommt es dann auch, dass die sechs Songs, die wir momentan live spielen, seit ungefähr einem Jahr im Grunde dieselben sind, aber bei jedem Auftritt anders klingen, weil wir sie dann wieder umwerfen.“ Mittlerweile ist das studentische Trio aber nach eigenen Aussagen auf einem guten Weg, eine gewisse Konstanz zu finden und damit auch mit dem eigenen Schaffen zufrieden zu sein. Diese schwelende Unzufriedenheit wurde ebenfalls durch neue Einflüsse wie die mathrocklastigen Songs der Isländer AGENT FRESCO oder der Sound anderer Bands wie DORENA, TOTORRO oder ENEMIES befeuert.

Die Demo „C-117“ zeigt aber auch, dass ISOLATE anders können: nämlich minimalistisch, atmosphärisch und geheimnisvoll. So wie das blaue Glühen der Eisklippen in der Arktis. Zudem unterstreicht der Song die heimliche Schwäche der Dresdner, große Islandfans zu sein. Der Name ISOLATE stammt deshalb folgerichtig aus dem Film „Heima“ der isländischen Lokalhelden SIGUR RÓS, in welchem Sänger Jonsí von einer „isolated community“ spricht. Wer sich die Musik der Jungs nach Hause holen will, muss aber wohl noch etwas warten. Im Juni soll zumindest der erste Song mitsamt Musikvideo, welches von Javier Sobremazas produziert werden wird, erscheinen. Wer darauf nicht warten kann, der sollte sich schleunigst Karten für das Konzert besorgen.

Javier Sobremazas war bereits an der Produktion mehrerer Musikvideos von Dresdner Bands beteiligt, darunter ANY DANCE, CEDRIC und THE LAZY BOYS. Darüber hinaus drehte Sobremazas bei weiteren internationalen Produktionen wie dem neusten Musikvideo der Schweizer Band GANES oder eine Reportage über das Flüchtlingsauffanglager in Idomeni.

Text: Julius Meyer

Foto: Amac Garbe

 

 

 

 

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