Alle Wege führen nach Rom? Gut so! Über eine Stadt, die zum Glück ewig ist.
Rom, schreibt die Autorin Birgit Schönau in ihrer „Gebrauchsanweisung für Rom“, gehöre im Winter den Römern. Nicht den Touristen. Vier Januartage in dieser Stadt lassen die Frage aufkommen: Gibt es eventuell zwei Städte mit diesem Namen? Die Hauptstadt Italiens, dieses Rom, die ewige Stadt — die kann Schönau nicht gemeint haben. Denn hier begegnet man kaum einem Menschen, der nicht mit Fotoapparat, Stadtplan und verwirrtem Blick ausgestattet ist. Hier drängen sich die Massen an jedem Ort — auf der Piazza Venezia, auf dem Forum Romanum, in berstend vollen Bars und ristoranti. Vor dem Colosseum ist die Schlange hunderte Meter lang, zum Trevibrunnen ist in der Mittagszeit schlicht kein Durchkommen. Hier, in Rom, ist es verdammt voll und laut und aufreibend.
Und doch ist diese Stadt vor allem eines: grandios. Sie ist es auf jeder mondänen Piazza, in jeder malerischen Straße, und ja, auch bei jedem Must-see aus dem Reiseführer, das diesen Präfix eben auch verdient. Grandios ist, wie hier eine Geschichtsmächtigkeit sondergleichen auf Dolce Vita trifft. Eine moderne Stadt in altem Gewand. Zugegeben: Nicht alles ist hier modern. Die öffentlichen Verkehrsmittel beispielsweise. Wer in Rom Bus, U-Bahn und Tram nutzt, ist selber Schuld. Nicht nur, weil die Stadt trotz ihrer mehr als drei Millionen Einwohner nur sagenhafte zwei U-Bahn-Linien besitzt — die dritte ist zwar seit Jahren im Bau, doch werden eben dabei immer wieder Überreste aus der Antike gefunden. Wer wollte da schon ohne mit der Wimper zu zucken weiterbauen? Bleibt noch das Busnetz. Letzteres ist zwar dicht, aber auch bar jedes Fahrplans.
U-Bahn und Co. sind vor allem deshalb nicht Mittel der Wahl, weil man fahrend so unglaublich viel verpasst. All die hübschen Häuser und Gassen, Parks und Märkte! An jeder Ecke eine Szenerie, die man gern für immer festhalten möchte. Wirklich: an jeder. Mit einem Touristenstadtplan in der Hand, auf dem sich die eingezeichneten Sehenswürdigkeiten ballen wie anderswo Shopping-Malls, ist man deshalb schnell überfordert. Das alles? In vier Tagen? Nie! Tatsächlich: Niemals schafft man das. Es heißt, sich von diesem Gedanken so schnell wie möglich zu verabschieden — und sich treiben zu lassen.
Der Start ist alternativlos: Auf der Kuppel des Petersdoms verschafft man sich in 132,5 Metern Höhe erst mal einen Überblick. Wohlorganisierte Weltenbummler haben sich vorher für einen Besuch der Vatikanischen Museen angemeldet, der Rest begnügt sich mit der Ich-war-hier-Gewissheit und wendet sich der Engelsburg zu. Diesem eher imposanten als schönen Bauwerk kehrt man alsbald den Rücken: Auf zur Piazza Navona, gekrönt vom Vierströmebrunnen, umgeben von pittoreskem Gassengewirr. Dort allerdings lauert sie: die römische Listigkeit. Die Römer sind sich ihrer Stadt bewusst — und zeigen das ihren Gästen auch: Seid froh, dass Ihr hier sein dürft! Habt Ihr denn solche Schönheit vor der eigenen Haustür? Ja, gibt es denn überhaupt irgendwo einen Ort solcher grandezza? Also werdet Ihr brav dafür zahlen. Der caffè doppio kostet fünf Euro — und wer zum caffè Espresso sagt, der zahlt gleich noch einen Euro mehr. Strafe muss sein. Genauso wie der Fantasiezuschlag beim Bezahlen. „Service 15%“ steht im Glücksfall erklärend auf der Rechnung. Doch die Römer sind keine Unmenschen, mit einem kleinen Entgegenkommen sind sie schnell besänftigt. Wird der caffè auf Italienisch bestellt, kostet er plötzlich nur noch drei Euro.
Ob man nun des Italienischen mächtig ist oder nicht: Gelassenheit ist das Mittel der Wahl. Zahlen, grüßen, weitergehen! Sodann wandelt man sich wieder vom Ästheten und Flaneur zum generalinteressierten Kulturbürger — zum Beispiel, indem man das nahe gelegene Pantheon besucht und sich den Nacken verspannt, weil man zu lange die Kuppel anstarrt. Man tröstet sich im Laden des Schokoladenherstellers Venchi mit Schokolade über den Nackenschmerz, bummelt ein wenig durch die Gassen — und plötzlich ist der Tag vorbei. Ein Teller Spaghetti ist die ideale Nervennahrung zum Planen des nächsten Tages: vormittags Colosseum, nachmittags Forum Romanum. Ein Programm, das man durchaus auch auf zwei oder drei Tage verteilen könnte, so sehr kann man sich verlieren in den Anlagen. Ganz zu schweigen von den zähen Minuten, die die Warterei am Eingang kosten.
Die touristische To-do-Liste abgearbeitet, die Geldbörse leer, das Reiseende nahe? Zeit für Trastevere. Es stimmt: Auch Trastevere, das Künstlerviertel, das wirklich ein kleines Gesamtkunstwerk ist, zieht die Touristen in Scharen an. Auch hier grinst einen der Papst aus grell erleuchteten Souvenirläden an, umgarnen Kellner Touristen auf der Straße, sind die Gassen voll. Doch wer Trastevere nicht gesehen hat, hat Rom nicht gesehen — auch, weil hier ein Aussichtspunkt-Geheimtipp liegt: Nach einem 20-minütigen Fußmarsch erreicht man den Gianicolo, einen der sieben Hügel Roms. Ein letzter, langer Blick auf diese Stadt. Auf Rom.
Reiseservice
Hinkommen: Schnell (vier Stunden), dafür teuer (rund 300 Euro) und umweltunfreundlich fliegt man ab Dresden mit der Lufthansa, Umstieg in München. Langsam (21 Stunden), dafür billiger (54 Euro) und sauberer ist man mit Flixbus.
Rumkommen: Am besten per pedes — es sei denn, man möchte es Goethe gleichtun und der lauten Stadt entfliehen: Die für ihre Weine bekannten Dörfer in den Albaner Bergen erreicht man mit dem Zug in 30 Minuten.
Bekommen: Wer Colosseum und Co. nicht nur von außen sehen möchte, kauft sich den Roma Pass: Für 36 Euro (72 Stunden) oder 28 Euro (48 Stunden) bekommt man in den ersten zwei Museen freien, bei vielen weiteren reduzierten Eintritt, fährt kostenlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und kann lässig an den langen Schlangen vor Colosseum und Forum Romanum vorbeigehen.
Text und Fotos: Luise Martha Anter