Balkan-Highlights vom Beifahrersitz

Dinge, die man wissen muss, bevor man sich für einen Roadtrip quer über den Balkan entscheidet:

  1. Es wird anders kommen als gedacht.
  2. „Hvala“ heißt in ziemlich vielen Ländern (Kroatien, Montenegro, Slowenien und Teile Bosniens) „Danke“ und ist damit eine wichtige Vokabel.
  3. Mancherorts sehen Bundesstraßen aus wie in Deutschland Feldwege.

Der Balkan ist groß – im Gegensatz zu Ferienzeit und Geld, wie sie den meisten Studenten zur Verfügung stehen. Doch zumindest für Letzteres hält der Balkan die optimale Lösung bereit: Es wird nicht teuer. Versprochen! Zumindest sobald man die EU hinter sich gelassen hat. Eine der praktischsten und ohne Zweifel die günstigste Unterkunft ist dabei das eigene Zelt. Camping ist in Südosteuropa nicht unbedingt weit verbreitet, aber mit ein bisschen Planung problemlos möglich.

Noch innerhalb der EU liegt eines der lohnenswertesten Ziele Südosteuropas: Lake Bohinj in Slowenien, in Reiseführern oft als der nicht weiter erwähnenswerte Stiefbruder des bekannteren Lake Bleds gehandelt. Vollkommen zu Unrecht! In der Realität stellt sich schnell heraus, dass Bohinj Bled nicht nur an natürlicher Schönheit übertrifft. Statt der tausend Busladungen an Klischeetouristen gibt es ein vollkommen unbebautes, naturbelassenes Seeufer. Vogelgezwitscher und Stille statt Autolärm, dazu türkisgrünes Bergwasser, in dem neugierige Forellen auf Badende warten. Lake Bohinj liegt mitten in einem Naturschutzgebiet –  für seine Umrundung wird man also nicht nur mit vielen einsamen Buchten, sondern auch mit spektakulärer Landschaft und Fauna – unter anderem Bergziegen – belohnt. So geht Perfektion!

Nicht weit entfernt von Lake Bohinj liegt die slowenische Hauptstadt. Und auch die ist unbedingt einen Besuch wert! Wenige Städte Europas erscheinen so lebenswert und dabei so entspannt wie Ljubljana. Abenteuer erwarten den Reisenden hier nur wenige – aber Komfort und ein angenehm modernes, leichtherziges Lebensgefühl. Möchte man Bus fahren, muss man vorher erst eine wieder aufladbare Karte kaufen, und auch sonst scheint Slowenien Deutschland einiges voraus zu haben. Die Innenstadt Ljubljanas ist beispielsweise sehr grün, autofrei und durchzogen von der grün und sauber dahinfließenden Ljubljanica. Zusätzlich zu dem überdachten und dem Markt an der frischen Luft gibt es jeden Freitag einen Gourmetmarkt, auf dem kreative Köstlichkeiten verkauft werden. Hipster neben Seniorin neben Tourist sitzen dann alle aufgereiht auf den Treppen neben dem Marktplatz, genießen und lachen und trinken und waschen sich die Hände am Trinkwasserbrunnen nebenan. Wer satt ist, spaziert dann gemütlich durch die historischen Gässchen Ljubljanas, denen man die Künstler und die modernen, wohlhabenden Einwohner doch ansieht.

Ganz anders mutet das bosnische Mostar und sein Nachbardorf Blagaj an. Wie in ganz Bosnien-Herzegowina sieht man auch ihnen die Armut an. Man sieht sie in Straßenkatzen und -hunden, in nicht fertiggestellten oder zerstörten Gebäuden, in dem Müll, den der Wind durch die Straßen fegt. Kommt man mit Einheimischen ins Gespräch, nennen sie einhellig den Grund dafür: Die Korruption verhindert, dass Bosnien funktioniert, wie es funktionieren sollte. Sie macht es möglich, dass kleine Kinder ohne Helm auf dem Motorrad mitfahren, dass Bungalows direkt an denkmalgeschützte Brücken gebaut werden, dass die Müllabfuhr die Mülltonnen nur abholt, wenn sie schon offen dastehen. Und doch: Zwischen all der Armut versteckt sich das Paradies auf Erden. Feigen- und Granatapfelbäume säumen die Wege, türkise, klare Flüsse schlängeln sich durch die Gegend und es locken traditionelle Köstlichkeiten wie der starke, süße bosnische Kaffee. Nie beginnt man glücklicher den Tag als geweckt vom wunderschönen, sehnsuchtsvollen Gesang des Muezzins, der von einem der vielen über Mostar und Blagaj in die Höhe ragenden Minarette ruft. Der Islam ist die größte Glaubensgemeinschaft Bosnien-Herzegowinas. Damit macht auch Blagaj Gewinn: Das dort befindliche Derwisch-Kloster ist ein beliebter Wallfahrtsort für Muslime. In Mostar konzentriert sich der touristische Rummel auf wenige Straßen rund um die alte Brücke „Stari Most“, die im bosnischen Krieg in den 90ern zerstört, danach aber wieder aufgebaut wurde. Sie, die zwei ethnisch verschieden geprägte Stadtteile verbindet, ist zum Symbol geworden für die Einheit der verschiedenen Ethnien in Bosnien-Herzegowina – die leider auch heute noch einen langen Weg vor sich hat.

In der Bucht von Kotor in Montenegro wiederum herrschen Preise, die sehr an Westeuropa erinnern. Dafür sieht es an der montenegrinischen Küste aber auch aus wie an der französischen Riviera: hübsche, kleine Dörfer mit engen Gassen zwischen den Steinhäusern und bunten Blumen vor sämtlichen Fenstern; an den Straßenrändern tragen große Kaktuspflanzen leckere Feigen. Urlaub in Kotor ist nicht nur etwas für abenteuerlustige Studenten, auch Urlauber mit höheren Ansprüchen werden in der Bucht fündig. Wie bei Bled sollte, wer Kotor sehen will, dessen kleine Stiefschwester Perast nicht verpassen, die sich entlang vieler steinerner Stufen hinunter zum Meer schlängelt.

Albanien ist eine Angelegenheit für sich – im positiven wie im negativen Sinne. Auf den frisch gebauten Autobahnen Albaniens fährt man mit 110 km/h, während auf dem Haltestreifen von Eseln gezogene Heukarren und kleine Jungen auf Fahrrädern fahren – in entgegengesetzter Richtung. Wenn man am Kreisverkehr spontan anhält, um ein Entenküken über die Straße zu lassen, drängelt sich noch schnell einer der Pferdekarren vor. Klar, dass auch Jal nicht wie die Strandgeheimtipps anderer Länder ist. Es gibt nicht viel mehr als zehn Häuser, die allesamt keinen Architekturwettbewerb gewinnen würden, und keine Touristen – das wiederum ist ein Pluspunkt, denn zumindest das warme Wasser an dem klarsten aller Strände hat man außerhalb der Saison ganz für sich allein. Den Ausblick auf die vielen verlassenen Bunker überall in Albaniens Landschaft gibt es inklusive dazu: Die kommunistische Diktatur hat in Albanien tiefe Spuren hinterlassen. Nicht nur in der Politik, in der die Funktionäre von damals immer noch eine große Rolle spielen – auch in der Wirtschaft.

Die aus touristischer Sicht unschlagbaren albanischen Preise (40 Euro pro Nacht für ein Doppelzimmer inklusive Frühstück in einem schicken 4-Sterne-Hotel) resultieren aus der wirtschaftlich schlechten Lage des Landes: Das Brutto-Inlands-Produkt beträgt pro Kopf nur etwa 40 Prozent des EU-Durchschnitts. Das zeigt sich auch in der Hauptstadt Tirana. Deren Randgebiete sind slum-ähnliche Vorstädte mit Wellblech als eindeutig meist verwendetes Material; die Innenstadt selbst lässt sich nur mit einem Wort treffend beschreiben: Chaos. Dennoch ist Albanien ein Juwel voller Ursprünglichkeit und natürlicher Schönheit – ein Juwel, das vorsichtig angefasst werden muss. Dank der wachsenden Tourismuseinnahmen gibt es in einigen Küstenstädten einen Bauboom, der nicht nur in Leerstand, sondern auch in mit hässlichen Hotelblocks verschandelten Städten enden wird. Also: Besser schnell noch mal hinfahren, bevor es zu spät ist und überall Hotelklötze stehen. Die Albaner haben unser Geld verdient! In Albanien holt schon mal der Ladenbesitzer seinen Sohn, der seine Großtante ruft, die ihre Nichte im Pyjama aus dem Bett holt, weil sie Englisch spricht. Von der albanischen Gastfreundschaft können wir Deutsche uns eine Scheibe abschneiden. Wenn wir einmal dort sind.

Reiseservice:

Die Preise für Übernachtungen, Essen und Benzin unterscheiden sich extrem in den einzelnen Balkan-Staaten: Slowenien, Kroatien und Montenegro sind deutlich teurer als Bosnien-Herzegowina und Albanien. In Slowenien kann man für eine Nacht auf dem Campingplatz mit kleinem Zelt, Strom und zwei Personen zwischen 20 und 30 Euro einplanen, in Kroatien und Montenegro zwischen 15 und 20 Euro, während es in Bosnien und Albanien nicht mehr als 15 Euro sein sollten. Für einen Restaurantbesuch muss man in Slowenien und Montenegro zu zweit schon 35 bis 40 Euro hinlegen, während in Kroatien 30 Euro und in Albanien und Bosnien 20 Euro reichlich sind, um sich bewegungsunfähig zu essen. Für drei Wochen Campingurlaub zu zweit mit grob 4600 gefahrenen Kilometern und einem sehr durstigen Auto gibt man so etwa 700 Euro aus – unter studentischen Bedingungen. Das heißt: Lieblingsmahlzeit Brot und Käse, keine teuren Eintritte in Museen, Clubs oder Touristenfallen. Aber wie sollte man sein Geld besser anlegen?

Text und Fotos: Alisa Sonntag

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