Elixir lässt sich nicht unterkriegen

Die Vision von einem Zentrum, in dem Dresdner mit Geflüchteten zusammenleben und gemeinsam etwas erschaffen können, ist vorerst geplatzt. Dafür hat Mitte Dezember der Stadtrat gesorgt. Campusrauschen traf Johanna Kreis und Hannes Feldbauer vom Dresdner Verein Elixir, der sich seit einem Jahr für ein interkulturelles Zentrum stark macht, und war am 15. Dezember bei der Entscheidung im Stadtrat dabei.

Es ist ein heftiger Schlagabtausch, den sich die Stadträte da liefern. Nachdem es bereits bei der Debatte um einen Ski-Weltcup auf grünen Dresdner Elbwiesen heiß herging, sorgt der Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Linke/Piraten zum Verkaufsstopp für die ehemalige Arbeitsanstalt auf der Königsbrücker Straße 117a/119 noch einmal für eine emotional aufgeladene und teils ideologische Debatte. Inhalt des Antrags ist eine konzeptgebundene Ausschreibung für sozialen Wohnungsbau, ein interkulturelles Zentrum sowie die Vergabe des Geländes in Erbbaurecht. Das bedeutet, wenn Elixir bei der Ausschreibung den Zuschlag bekommt, dass das Gelände weiterhin städtisches Eigentum bleibt und die Nutzer regelmäßig einen Erbbauzins, also eine jährliche Miete, zahlen. Nun geht das Gebäude aber doch an einen Investor, der 2,7 Millionen Euro auf einmal zahlt, und der Stadt Dresden geht wieder ein Gebäude flöten. Nach Meinung mehrerer gegen den Verkauf votierenden Stadträte sei der Verkaufserlös durch Pachteinnahmen in wenigen Jahren ebenfalls erreicht wurden, daher sei es ein schlechter Deal.

Obwohl sich die Mitglieder von Elixir bereits im Vorfeld der Entscheidung im Stadtrat mit dem Gedanken anfreunden mussten, dass dieser mehrheitlich für einen Verkauf des Gebäudeensembles stimmen würde, steht ihnen die Anspannung kurz vorher deutlich ins Gesicht geschrieben. Nach Wochen und Monaten, in denen der Verein alle Kräfte mobilisiert, zahlreiche Unterstützer gefunden und das Konzept für ein interkulturelles Experimentierzentrum immer wieder vorgestellt hat, machen ihn ausgerechnet Teile der SPD-Fraktion im Stadtrat einen Strich durch die Rechnung – wenngleich sich der SPD-Unterbezirk zuvor für das Projekt des Vereins ausgesprochen hat. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Avenarius muss dafür von seinen Koalitionspartnern von den Grünen und Linken einiges an Kritik einstecken – es riecht sogar kurz nach einer handfesten Krise des „linken Bündnisses“.  Avenarius zufolge seien „rechtliche Bedenken“ für seine Ablehnung verantwortlich.

Am Ende entscheidet sich der Stadtrat mit 34 zu 32 Stimmen bei einer Enthaltung für den Verkauf der Arbeitsanstalt. Die Mitglieder von Elixir stimmen symbolisch mit ab, haben aber natürlich nichts zu melden. Als sie die Tribüne verlassen, sind sie niedergeschlagen, wütend, aber teilweise auch ein Stück erleichtert. „Ich bin froh, dass die Entscheidung nun gefallen ist, aber die Enttäuschung über das knappe Ergebnis und die Ignoranz von Teilen des Stadtrates ist groß. Allerdings wurde in der Debatte auch mehrfach hervorgehoben, wie wichtig ein solches Projekt für die Stadt wäre – das macht Mut“, sagt die 24-jährige Johanna Kreis, die an der Evangelischen Hochschule Dresden Soziale Arbeit studiert.

Auch der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert stimmt gegen den Antrag auf Konzeptausschreibung und damit gegen die Bewerbung von Elixir für das Areal. Hilbert wurde zuvor bei der Debatte zigfach von Stadträten aufgefordert, sich zu dem Thema zu äußern, aber er hielt sich bedeckt. Erst vor wenigen Monaten hat er noch verlautbaren lassen, Dresden zur „Integrationshauptstadt“ zu machen. Anscheinend soll die Bürgerschaft dafür nicht mitgenommen werden. Zuvor hatte Hilbert zudem zum zweiten Mal den Termin für die Übergabe von Postkarten abgesagt. Die Gruppe wollte ihm die knapp 400 gesammelten Postkarten mit Statements ihrer Unterstützer im Dresdner Rathaus überreichen.

„Es ist schizophren. Viele Menschen aus Politik und Verwaltung begegnen uns zwar mit Wohlwollen, aber bisher haben wir noch keine konkrete Unterstützung von ihnen erhalten“, erklärt der 27-jährige Hannes Feldbauer, Student für Hydro Science and Engineering an der TU Dresden. Und so fielen auch die Äußerungen vieler Stadträte aus: „Elixir ist ein sympathisches Projekt, aber …“ Für nächstes Jahr erhofft sich der Verein, dass den Sympathiebekundungen auch Taten folgen. „Es wäre beispielsweise eine Möglichkeit, gemeinsam nach alternativen Grundstücken zu suchen“, sagt Feldbauer weiter. Mehrmals betonten Grüne und Linke im Stadtrat, dass das Projekt in die Neustadt gehört, denn hier wolle man das Zentrum. Die Neustadt sei bereit für interkulturelles Wohnen und habe sich in den vergangenen Monaten immer wieder auf die Seite von Geflüchteten gestellt. Im nächsten Jahr gilt es also, ein anderes Areal zu finden. Aufgeben ist nicht, so die Devise.

Elixir macht jetzt ein paar Tage Pause. „Anfang des Jahres soll es ein Treffen geben, bei dem wir uns wiedersehen und darüber beraten, wie es weitergeht. Dazu sind alle, die sich vom Projekt angesprochen fühlen und mitmachen wollen, herzlich eingeladen!“

Text: Martin Linke

Foto: Amac Garbe

 

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