Kunstkenner:innen schnalzen mit der Zunge, wenn sie den Namen Diego Velázquez hören. Lai:innen ist der spanische Künstler aber eher unbekannt. Dabei hat Pablo Picasso einen ganzen Gemäldezyklus mit 58 Werken Velázquez‘ Bild „Las Meninas“ gewidmet. Auch Francisco de Goya, Édouard Manet oder Salvador Dalí haben sich mit dem Barockmaler gemessen. Noch heute regt er die Künste und Wissenschaften an. Das ist, was der französische Filmemacher und Produzent Stéphane Sorlat mit seinem Dokumentarfilm „Das Geheimnis von Velázquez“ zeigen will.
Sorlat lässt in seinem Debüt als Regisseur Unmengen von Menschen zu Wort kommen, die sich mit Velázquez beschäftigt haben: mit seiner Hell-Dunkel-Malerei, die von Caravaggio inspiriert ist; den Porträtbildern des spanischen Hofs; der Umkehr des voyeuristischen Blicks wie in seiner „Venus vor dem Spiegel“; der Verschiebung von Hierarchien, etwa in den oben genannten „Las Meninas“; der Konzentration auf Alltägliches wie bei „Die Alte beim Eierbraten“; dem Bild-im-Bild-Konzept, zu sehen z. B. bei „Die Spinnerinnen“. Dabei gehen alle Interviewpartner:innen der Frage nach, was Velázquez‘ Werke heute so faszinierend und inspirierend macht – waren sie doch zu seiner eigenen Zeit oft nur dem spanischen Hof vorbehalten, für den er so lange malte.
Allerdings geht der Regisseur einen Schritt zu weit. 22 mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten hat er versammelt, die ihre Leidenschaft für Velázquez und seine Werke artikulieren. Jedoch kann er bei 1,5 Stunden Laufzeit schon rein rechnerisch jeder Person maximal vier Minuten einräumen. Die Gefahr, dass das zur bloßen Aufzählung verkommt, ist groß. Und leider kratzt Sorlat so auch nur an der Oberfläche, denn wir lernen weder die Menschen noch ihre Faszination wirklich kennen. Da haben Velázquez‘ Werke eine viel größere Strahlkraft. Wer dafür nicht gleich nach Madrid fliegen will, muss zumindest den Weg nach Wien auf sich nehmen. Wer auch das nicht möchte, kann immer noch ins Kino gehen – und bekommt dort viel fremde Expertise und Bewunderung auf die Ohren.
Text: Nadine Faust
Foto: Diego Velázquez‘ „Las Meninas“ © Neue Visionen Filmverleih